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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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unwissendes und ungezognes ist! Vielleicht aber mag
dies grade eine gute Wirkung auf die Darsteller ha-
ben. Wie der wahre Tugendhafte die Tugend, müs-
sen auch die hiesigen Schauspieler die Kunst nur um
ihrer selbst willen lieben, ziemlich unbekümmert um
die Aufnahme, und sie erreichen dann hierdurch eben
am sichersten zuletzt doch den allgemeinen Beifall. In-
dessen muß man auch gestehen, daß, ohngeachtet dieser
Rohheit Vieler, doch in dem englischen Theaterpub-
likum eigentlich ein gesünderer Sinn als in dem la-
ren, hypergebildeten unserer deutschen Hauptstädte
verborgen liegt, ja mitten unter der Foule des Ge-
meinen in ihm eine unsichtbare Kirche der Einge-
weihten besteht, deren Daseyn nimmer das göttliche
Feuer in den Künstlern ganz verlöschen läßt. In öf-
fentliche Eritik läßt sie sich weniger ein, aber sie
wirkt mächtig im socialen Leben.

Viele Deutsche hören es nicht gern, daß andere
Nationen uns in irgend Etwas übertreffen sollen,
auch ich empfinde solches immer mit Bedauern, aber
meine Ueberzeugung muß ich dennoch aussprechen,
daß, wie wir keinen dramatischen Dichter von Sha-
kespeares Caliber haben, wir auch keinen Schauspie-
ler besitzen, der seine Charaktere in ihrer ganzen Be-
deutung wieder vor uns aufleben zu lassen fähig ist.
Immer war es nicht so, wie man sagt, und ich selbst
habe in meiner frühesten Jugend noch Eindrücke von
Fleck und der Unzelmann bewahrt, die mir seitdem
auf unserer Bühne nicht mehr zu Theil wurden. Noch
höher mögen Schröder und Eckhof gestanden haben,

unwiſſendes und ungezognes iſt! Vielleicht aber mag
dies grade eine gute Wirkung auf die Darſteller ha-
ben. Wie der wahre Tugendhafte die Tugend, müſ-
ſen auch die hieſigen Schauſpieler die Kunſt nur um
ihrer ſelbſt willen lieben, ziemlich unbekümmert um
die Aufnahme, und ſie erreichen dann hierdurch eben
am ſicherſten zuletzt doch den allgemeinen Beifall. In-
deſſen muß man auch geſtehen, daß, ohngeachtet dieſer
Rohheit Vieler, doch in dem engliſchen Theaterpub-
likum eigentlich ein geſünderer Sinn als in dem la-
ren, hypergebildeten unſerer deutſchen Hauptſtädte
verborgen liegt, ja mitten unter der Foule des Ge-
meinen in ihm eine unſichtbare Kirche der Einge-
weihten beſteht, deren Daſeyn nimmer das göttliche
Feuer in den Künſtlern ganz verlöſchen läßt. In öf-
fentliche Eritik läßt ſie ſich weniger ein, aber ſie
wirkt mächtig im ſocialen Leben.

Viele Deutſche hören es nicht gern, daß andere
Nationen uns in irgend Etwas übertreffen ſollen,
auch ich empfinde ſolches immer mit Bedauern, aber
meine Ueberzeugung muß ich dennoch ausſprechen,
daß, wie wir keinen dramatiſchen Dichter von Sha-
kespeares Caliber haben, wir auch keinen Schauſpie-
ler beſitzen, der ſeine Charaktere in ihrer ganzen Be-
deutung wieder vor uns aufleben zu laſſen fähig iſt.
Immer war es nicht ſo, wie man ſagt, und ich ſelbſt
habe in meiner früheſten Jugend noch Eindrücke von
Fleck und der Unzelmann bewahrt, die mir ſeitdem
auf unſerer Bühne nicht mehr zu Theil wurden. Noch
höher mögen Schröder und Eckhof geſtanden haben,

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[338/0356] unwiſſendes und ungezognes iſt! Vielleicht aber mag dies grade eine gute Wirkung auf die Darſteller ha- ben. Wie der wahre Tugendhafte die Tugend, müſ- ſen auch die hieſigen Schauſpieler die Kunſt nur um ihrer ſelbſt willen lieben, ziemlich unbekümmert um die Aufnahme, und ſie erreichen dann hierdurch eben am ſicherſten zuletzt doch den allgemeinen Beifall. In- deſſen muß man auch geſtehen, daß, ohngeachtet dieſer Rohheit Vieler, doch in dem engliſchen Theaterpub- likum eigentlich ein geſünderer Sinn als in dem la- ren, hypergebildeten unſerer deutſchen Hauptſtädte verborgen liegt, ja mitten unter der Foule des Ge- meinen in ihm eine unſichtbare Kirche der Einge- weihten beſteht, deren Daſeyn nimmer das göttliche Feuer in den Künſtlern ganz verlöſchen läßt. In öf- fentliche Eritik läßt ſie ſich weniger ein, aber ſie wirkt mächtig im ſocialen Leben. Viele Deutſche hören es nicht gern, daß andere Nationen uns in irgend Etwas übertreffen ſollen, auch ich empfinde ſolches immer mit Bedauern, aber meine Ueberzeugung muß ich dennoch ausſprechen, daß, wie wir keinen dramatiſchen Dichter von Sha- kespeares Caliber haben, wir auch keinen Schauſpie- ler beſitzen, der ſeine Charaktere in ihrer ganzen Be- deutung wieder vor uns aufleben zu laſſen fähig iſt. Immer war es nicht ſo, wie man ſagt, und ich ſelbſt habe in meiner früheſten Jugend noch Eindrücke von Fleck und der Unzelmann bewahrt, die mir ſeitdem auf unſerer Bühne nicht mehr zu Theil wurden. Noch höher mögen Schröder und Eckhof geſtanden haben,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/356>, abgerufen am 24.11.2024.