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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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gängig großen Schauspielern aufgeführt zu sehen, wo
keine Rolle zur Nebenrolle würde! Dieß wäre aber
freilich nur von Geistern zu leisten, wie in Hof-
manns gespenstischer Aufführung des Don Juan.

Du wirst vielleicht Manches in diesen Ansichten
barok finden, aber bedenke, daß große Dichter wie
die Natur selbst wirken. Jeden sprechen sie in dem
Gewande seines eignen Gemüths an, und vertragen
daher auch viele Auslegungen. Sie sind so reich,
daß sie tausend Armen ihre Gaben geben, und den-
noch Jedem eine andere reichen können.

Viele Theateranordnungen waren gleichfalls sehr
zu loben. So sind z. B. die beiden Mörder, welche
der König zum Morde Banquo's gedungen, nicht, wie
auf unsern Theatern, zerlumpte Banditen, in deren
Gesellschaft sich der König in seinem Prachtornate
und der Nähe seiner Großen lächerlich ausnimmt,
und die er nie in solchem Aufzuge in seinem Palast
sehen könnte, sondern von anständigem Aeußern und
Benehmen, Bösewichter, aber keine Lumpen.

Die altschottische Tracht ist durchgängig sehr schön,
und auch der Zeit nach wahrscheinlich richtiger, gewiß
aber malerischer als ich sie auf den deutschen Thea-
tern gesehen. Die Erscheinung Banquo's, so wie das
ganze Arrangement der Tafel, war ebenfalls unend-
lich besser. Der Regisseur in Berlin macht hiebei eine
lächerliche Bevüe. Wenn der König die Mörder über
Banquo's Tod befragt, antwortet der eine: Depend
upon, he has had his throat cut.
(Seyd versichert, wir
haben ihm die Kehle abgeschnitten); dies ist eine eng-

gängig großen Schauſpielern aufgeführt zu ſehen, wo
keine Rolle zur Nebenrolle würde! Dieß wäre aber
freilich nur von Geiſtern zu leiſten, wie in Hof-
manns geſpenſtiſcher Aufführung des Don Juan.

Du wirſt vielleicht Manches in dieſen Anſichten
barok finden, aber bedenke, daß große Dichter wie
die Natur ſelbſt wirken. Jeden ſprechen ſie in dem
Gewande ſeines eignen Gemüths an, und vertragen
daher auch viele Auslegungen. Sie ſind ſo reich,
daß ſie tauſend Armen ihre Gaben geben, und den-
noch Jedem eine andere reichen können.

Viele Theateranordnungen waren gleichfalls ſehr
zu loben. So ſind z. B. die beiden Mörder, welche
der König zum Morde Banquo’s gedungen, nicht, wie
auf unſern Theatern, zerlumpte Banditen, in deren
Geſellſchaft ſich der König in ſeinem Prachtornate
und der Nähe ſeiner Großen lächerlich ausnimmt,
und die er nie in ſolchem Aufzuge in ſeinem Palaſt
ſehen könnte, ſondern von anſtändigem Aeußern und
Benehmen, Böſewichter, aber keine Lumpen.

Die altſchottiſche Tracht iſt durchgängig ſehr ſchön,
und auch der Zeit nach wahrſcheinlich richtiger, gewiß
aber maleriſcher als ich ſie auf den deutſchen Thea-
tern geſehen. Die Erſcheinung Banquo’s, ſo wie das
ganze Arrangement der Tafel, war ebenfalls unend-
lich beſſer. Der Regiſſeur in Berlin macht hiebei eine
lächerliche Bevüe. Wenn der König die Mörder über
Banquo’s Tod befragt, antwortet der eine: Depend
upon, he has had his throat cut.
(Seyd verſichert, wir
haben ihm die Kehle abgeſchnitten); dies iſt eine eng-

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[261/0277] gängig großen Schauſpielern aufgeführt zu ſehen, wo keine Rolle zur Nebenrolle würde! Dieß wäre aber freilich nur von Geiſtern zu leiſten, wie in Hof- manns geſpenſtiſcher Aufführung des Don Juan. Du wirſt vielleicht Manches in dieſen Anſichten barok finden, aber bedenke, daß große Dichter wie die Natur ſelbſt wirken. Jeden ſprechen ſie in dem Gewande ſeines eignen Gemüths an, und vertragen daher auch viele Auslegungen. Sie ſind ſo reich, daß ſie tauſend Armen ihre Gaben geben, und den- noch Jedem eine andere reichen können. Viele Theateranordnungen waren gleichfalls ſehr zu loben. So ſind z. B. die beiden Mörder, welche der König zum Morde Banquo’s gedungen, nicht, wie auf unſern Theatern, zerlumpte Banditen, in deren Geſellſchaft ſich der König in ſeinem Prachtornate und der Nähe ſeiner Großen lächerlich ausnimmt, und die er nie in ſolchem Aufzuge in ſeinem Palaſt ſehen könnte, ſondern von anſtändigem Aeußern und Benehmen, Böſewichter, aber keine Lumpen. Die altſchottiſche Tracht iſt durchgängig ſehr ſchön, und auch der Zeit nach wahrſcheinlich richtiger, gewiß aber maleriſcher als ich ſie auf den deutſchen Thea- tern geſehen. Die Erſcheinung Banquo’s, ſo wie das ganze Arrangement der Tafel, war ebenfalls unend- lich beſſer. Der Regiſſeur in Berlin macht hiebei eine lächerliche Bevüe. Wenn der König die Mörder über Banquo’s Tod befragt, antwortet der eine: Depend upon, he has had his throat cut. (Seyd verſichert, wir haben ihm die Kehle abgeſchnitten); dies iſt eine eng-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/277>, abgerufen am 24.11.2024.