Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

doch nicht auf diese Weise verbunden werden, denn
ein Wesen muß sich freilich selbst lieben, zwei aber
lieben sich freiwillig, und nur das hat Werth!
Wir wollen uns also zwar immer wieder begegnen,
aber auch immer nur durch gegenseitige Liebe und
Treue Eins werden, wie wir es jetzt sind, und vor
der Hand auf dieser Welt auch so lange als möglich
noch bleiben mögen.

Diese Betrachtung bringt mich ganz natürlich zum
Gegenwärtigen wieder zurück, in dessen vielfachem
Treiben der Strom mich gestern auf die hiesige
Kunstausstellung führte. Von historischen Gemälden
war wenig Erfreuliches zu sehen. Einige Portraits
von Thomas Lawrence zeigten, wie immer, eben so
sehr sein Genie wie seinen Uebermuth, mit dem er
nur einzelne Theile ausmalt, und alles Uebrige so
hinkleckst, daß man es nur von weitem, wie eine
Theater-Dekoration, betrachten muß, um es einiger-
maßen den darzustellenden Gegenständen ähnlich zu
finden. So malte Raphael und die Heroen der Kunst
nicht, wenn sie sich einmal zur Portraitmalerei ver-
standen. Unter den Genre-Bildern fand sich dage-
gen manches sehr Anziehende.

Zuerst: der todte Elephant. Man erblickt eine
wilde Berggegend im Innern Indiens; seltsame
Riesenbäume und üppig verworrenes Gestrüpp, tie-
fer Wald im Hintergrunde, umgeben einen dunkeln
See. Ein todter Elephant liegt vorn am Ufer aus-
gestreckt, und ein, seinen Rachen weit aufsperrendes,

doch nicht auf dieſe Weiſe verbunden werden, denn
ein Weſen muß ſich freilich ſelbſt lieben, zwei aber
lieben ſich freiwillig, und nur das hat Werth!
Wir wollen uns alſo zwar immer wieder begegnen,
aber auch immer nur durch gegenſeitige Liebe und
Treue Eins werden, wie wir es jetzt ſind, und vor
der Hand auf dieſer Welt auch ſo lange als möglich
noch bleiben mögen.

Dieſe Betrachtung bringt mich ganz natürlich zum
Gegenwärtigen wieder zurück, in deſſen vielfachem
Treiben der Strom mich geſtern auf die hieſige
Kunſtausſtellung führte. Von hiſtoriſchen Gemälden
war wenig Erfreuliches zu ſehen. Einige Portraits
von Thomas Lawrence zeigten, wie immer, eben ſo
ſehr ſein Genie wie ſeinen Uebermuth, mit dem er
nur einzelne Theile ausmalt, und alles Uebrige ſo
hinkleckſt, daß man es nur von weitem, wie eine
Theater-Dekoration, betrachten muß, um es einiger-
maßen den darzuſtellenden Gegenſtänden ähnlich zu
finden. So malte Raphael und die Heroen der Kunſt
nicht, wenn ſie ſich einmal zur Portraitmalerei ver-
ſtanden. Unter den Genre-Bildern fand ſich dage-
gen manches ſehr Anziehende.

Zuerſt: der todte Elephant. Man erblickt eine
wilde Berggegend im Innern Indiens; ſeltſame
Rieſenbäume und üppig verworrenes Geſtrüpp, tie-
fer Wald im Hintergrunde, umgeben einen dunkeln
See. Ein todter Elephant liegt vorn am Ufer aus-
geſtreckt, und ein, ſeinen Rachen weit aufſperrendes,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0109" n="93"/>
doch nicht auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e verbunden werden, denn<lb/><hi rendition="#g">ein</hi> We&#x017F;en muß &#x017F;ich freilich &#x017F;elb&#x017F;t lieben, zwei aber<lb/>
lieben &#x017F;ich <hi rendition="#g">freiwillig</hi>, und nur das hat Werth!<lb/>
Wir wollen uns al&#x017F;o zwar immer wieder begegnen,<lb/>
aber auch immer nur durch gegen&#x017F;eitige Liebe und<lb/>
Treue Eins werden, wie wir es jetzt &#x017F;ind, und vor<lb/>
der Hand auf die&#x017F;er Welt auch &#x017F;o lange als möglich<lb/>
noch bleiben mögen.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Betrachtung bringt mich ganz natürlich zum<lb/>
Gegenwärtigen wieder zurück, in de&#x017F;&#x017F;en vielfachem<lb/>
Treiben der Strom mich ge&#x017F;tern auf die hie&#x017F;ige<lb/>
Kun&#x017F;taus&#x017F;tellung führte. Von hi&#x017F;tori&#x017F;chen Gemälden<lb/>
war wenig Erfreuliches zu &#x017F;ehen. Einige Portraits<lb/>
von Thomas Lawrence zeigten, wie immer, eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;ein Genie wie &#x017F;einen Uebermuth, mit dem er<lb/>
nur einzelne Theile ausmalt, und alles Uebrige &#x017F;o<lb/>
hinkleck&#x017F;t, daß man es nur von weitem, wie eine<lb/>
Theater-Dekoration, betrachten muß, um es einiger-<lb/>
maßen den darzu&#x017F;tellenden Gegen&#x017F;tänden ähnlich zu<lb/>
finden. So malte Raphael und die Heroen der Kun&#x017F;t<lb/>
nicht, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich einmal zur Portraitmalerei ver-<lb/>
&#x017F;tanden. Unter den Genre-Bildern fand &#x017F;ich dage-<lb/>
gen manches &#x017F;ehr Anziehende.</p><lb/>
          <p>Zuer&#x017F;t: der todte Elephant. Man erblickt eine<lb/>
wilde Berggegend im Innern Indiens; &#x017F;elt&#x017F;ame<lb/>
Rie&#x017F;enbäume und üppig verworrenes Ge&#x017F;trüpp, tie-<lb/>
fer Wald im Hintergrunde, umgeben einen dunkeln<lb/>
See. Ein todter Elephant liegt vorn am Ufer aus-<lb/>
ge&#x017F;treckt, und ein, &#x017F;einen Rachen weit auf&#x017F;perrendes,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0109] doch nicht auf dieſe Weiſe verbunden werden, denn ein Weſen muß ſich freilich ſelbſt lieben, zwei aber lieben ſich freiwillig, und nur das hat Werth! Wir wollen uns alſo zwar immer wieder begegnen, aber auch immer nur durch gegenſeitige Liebe und Treue Eins werden, wie wir es jetzt ſind, und vor der Hand auf dieſer Welt auch ſo lange als möglich noch bleiben mögen. Dieſe Betrachtung bringt mich ganz natürlich zum Gegenwärtigen wieder zurück, in deſſen vielfachem Treiben der Strom mich geſtern auf die hieſige Kunſtausſtellung führte. Von hiſtoriſchen Gemälden war wenig Erfreuliches zu ſehen. Einige Portraits von Thomas Lawrence zeigten, wie immer, eben ſo ſehr ſein Genie wie ſeinen Uebermuth, mit dem er nur einzelne Theile ausmalt, und alles Uebrige ſo hinkleckſt, daß man es nur von weitem, wie eine Theater-Dekoration, betrachten muß, um es einiger- maßen den darzuſtellenden Gegenſtänden ähnlich zu finden. So malte Raphael und die Heroen der Kunſt nicht, wenn ſie ſich einmal zur Portraitmalerei ver- ſtanden. Unter den Genre-Bildern fand ſich dage- gen manches ſehr Anziehende. Zuerſt: der todte Elephant. Man erblickt eine wilde Berggegend im Innern Indiens; ſeltſame Rieſenbäume und üppig verworrenes Geſtrüpp, tie- fer Wald im Hintergrunde, umgeben einen dunkeln See. Ein todter Elephant liegt vorn am Ufer aus- geſtreckt, und ein, ſeinen Rachen weit aufſperrendes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/109
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/109>, abgerufen am 28.04.2024.