Bei einem aus Stämmen und Aesten erbauten Pa- villon, der mit Haidekraut gedeckt, und mit Moos austapeziert war, und eine pittoreske Aussicht auf einen barock gestalteten Berg darbot, (der Tempel der Geduld genannt) wandte sich nun der Weg noch mehr in das Innere des Waldes, und führte uns zu der sogenannten Schweizerbrücke, welche zwei Felsen kühn mit einander verbindet. Da das Geländer zum Theil herunter gefallen, und die Passage etwas schwind- licher Art war, so würde hier für meine gute Julie (im Fall sie wirklich bis hierher hätte gelangen können) alles weitere Vordringen ein Ende gehabt haben. Wie gut ist es also in solchen Fällen, einen so unermüdlichen Führer im Reiche der Einbildungskraft zu besitzen, wie Du an mir hast, der Dich sofort mit leichter Mühe über die Teufelsbrücke hinüberschwingt, und Dir nun einen thurmartigen Felsen zeigt, der aus den glatten Buchen schwarz hervortritt, dicht mit Dornen und Epheu bewachsen ist, das in hundert Guirlanden herabhängt, und lange Zeit einen Fuchs beherbergte, der hier, sicher vor den verfolgenden Hunden, Jahre lang seine Burg Malapartus aufge- schlagen hatte Dies ist ein beglaubigtes Faktum, und hat dem Felsen den Namen Reinardshaus ver- liehen, den er noch trägt. Die Führerin behauptete sogar, es habe sich jetzt wieder ein neuer Bewohner dort angesiedelt, doch konnten wir nichts von ihm erblicken. Bergauf, bergab ging es fort, und schon ziemlich müde erreichten wir endlich die Terrasse, ein
Bei einem aus Stämmen und Aeſten erbauten Pa- villon, der mit Haidekraut gedeckt, und mit Moos austapeziert war, und eine pittoreske Ausſicht auf einen barock geſtalteten Berg darbot, (der Tempel der Geduld genannt) wandte ſich nun der Weg noch mehr in das Innere des Waldes, und führte uns zu der ſogenannten Schweizerbrücke, welche zwei Felſen kühn mit einander verbindet. Da das Geländer zum Theil herunter gefallen, und die Paſſage etwas ſchwind- licher Art war, ſo würde hier für meine gute Julie (im Fall ſie wirklich bis hierher hätte gelangen können) alles weitere Vordringen ein Ende gehabt haben. Wie gut iſt es alſo in ſolchen Fällen, einen ſo unermüdlichen Führer im Reiche der Einbildungskraft zu beſitzen, wie Du an mir haſt, der Dich ſofort mit leichter Mühe über die Teufelsbrücke hinüberſchwingt, und Dir nun einen thurmartigen Felſen zeigt, der aus den glatten Buchen ſchwarz hervortritt, dicht mit Dornen und Epheu bewachſen iſt, das in hundert Guirlanden herabhängt, und lange Zeit einen Fuchs beherbergte, der hier, ſicher vor den verfolgenden Hunden, Jahre lang ſeine Burg Malapartus aufge- ſchlagen hatte Dies iſt ein beglaubigtes Faktum, und hat dem Felſen den Namen Reinardshaus ver- liehen, den er noch trägt. Die Führerin behauptete ſogar, es habe ſich jetzt wieder ein neuer Bewohner dort angeſiedelt, doch konnten wir nichts von ihm erblicken. Bergauf, bergab ging es fort, und ſchon ziemlich müde erreichten wir endlich die Terraſſe, ein
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Bei einem aus Stämmen und Aeſten erbauten Pa-
villon, der mit Haidekraut gedeckt, und mit Moos
austapeziert war, und eine pittoreske Ausſicht auf
einen barock geſtalteten Berg darbot, (der Tempel der
Geduld genannt) wandte ſich nun der Weg noch mehr
in das Innere des Waldes, und führte uns zu der
ſogenannten Schweizerbrücke, welche zwei Felſen
kühn mit einander verbindet. Da das Geländer zum
Theil herunter gefallen, und die Paſſage etwas ſchwind-
licher Art war, ſo würde hier für meine gute Julie (im
Fall ſie wirklich bis hierher hätte gelangen können) alles
weitere Vordringen ein Ende gehabt haben. Wie gut
iſt es alſo in ſolchen Fällen, einen ſo unermüdlichen
Führer im Reiche der Einbildungskraft zu beſitzen,
wie Du an mir haſt, der Dich ſofort mit leichter
Mühe über die Teufelsbrücke hinüberſchwingt, und
Dir nun einen thurmartigen Felſen zeigt, der aus
den glatten Buchen ſchwarz hervortritt, dicht mit
Dornen und Epheu bewachſen iſt, das in hundert
Guirlanden herabhängt, und lange Zeit einen Fuchs
beherbergte, der hier, ſicher vor den verfolgenden
Hunden, Jahre lang ſeine Burg Malapartus aufge-
ſchlagen hatte Dies iſt ein beglaubigtes Faktum, und
hat dem Felſen den Namen Reinardshaus ver-
liehen, den er noch trägt. Die Führerin behauptete
ſogar, es habe ſich jetzt wieder ein neuer Bewohner
dort angeſiedelt, doch konnten wir nichts von ihm
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/306>, abgerufen am 22.11.2024.
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