Ueber einen weiten Wiesenplan, von Eichen beschat- tet und von waidenden Heerden bedeckt, wanderten wir auf sehr nassem Boden (denn es hatte leider die ganze Nacht geregnet und geschneit) den Kupferfelsen zu. Diese erheben sich über einen hohen Abhang alter Buchen, wie eine darüber hängende Mauer, und sind oben wieder mit schwarzem Nadelholz gekrönt, was einen herrlichen Anblick gewährt. In dieser natürli- chen Mauer befindet sich die erste Hauptparthie des Parks, die Grotte genannt, zu welcher man durch einen dunkeln in den Felsen gehauenen, bedeckten Weg von mehr als hundert Fuß Länge gelangt, nachdem man vorher eine geraume Zeit im Walde mühsam im Zickzack bergan gestiegen. Die Grotte besteht aus meh- reren Höhlen, mit allerlei Steinen und Metallerzen inkrustirt, in welchen einige angebrachte Oeffnungen, die mit bunten, brillantartig geschliffenen, kleinen Glasscheiben ausgesetzt sind, in der Dunkelheit täu- schend Aladinschen Edelsteinen gleichen. Eine alte Frau, welche wenigstens 50 Jahre zählte, war unsre Füh- rerin, und erregte vielfach unsre Verwunderung durch ihre Ausdauer im Marschiren, und der Gewandtheit, mit der sie die Felsen in Pantoffeln auf und ab klet- terte, denn die unregelmäßigen, abschüssigen und spie- gelglatten Felsenstufen waren zuweilen recht schwierig zu passiren, so daß der gute R., der obenein eiserne Absätze an seinen Stiefeln hatte, oft nur mit der größten Anstrengung und bittern Klagen über die un- gemeine Beschwerlichkeit: Felsen auf glatten Eisen hinabzuklettern, den sichern Boden wieder erreichte.
17*
Ueber einen weiten Wieſenplan, von Eichen beſchat- tet und von waidenden Heerden bedeckt, wanderten wir auf ſehr naſſem Boden (denn es hatte leider die ganze Nacht geregnet und geſchneit) den Kupferfelſen zu. Dieſe erheben ſich über einen hohen Abhang alter Buchen, wie eine darüber hängende Mauer, und ſind oben wieder mit ſchwarzem Nadelholz gekrönt, was einen herrlichen Anblick gewährt. In dieſer natürli- chen Mauer befindet ſich die erſte Hauptparthie des Parks, die Grotte genannt, zu welcher man durch einen dunkeln in den Felſen gehauenen, bedeckten Weg von mehr als hundert Fuß Länge gelangt, nachdem man vorher eine geraume Zeit im Walde mühſam im Zickzack bergan geſtiegen. Die Grotte beſteht aus meh- reren Höhlen, mit allerlei Steinen und Metallerzen inkruſtirt, in welchen einige angebrachte Oeffnungen, die mit bunten, brillantartig geſchliffenen, kleinen Glasſcheiben ausgeſetzt ſind, in der Dunkelheit täu- ſchend Aladinſchen Edelſteinen gleichen. Eine alte Frau, welche wenigſtens 50 Jahre zählte, war unſre Füh- rerin, und erregte vielfach unſre Verwunderung durch ihre Ausdauer im Marſchiren, und der Gewandtheit, mit der ſie die Felſen in Pantoffeln auf und ab klet- terte, denn die unregelmäßigen, abſchüſſigen und ſpie- gelglatten Felſenſtufen waren zuweilen recht ſchwierig zu paſſiren, ſo daß der gute R., der obenein eiſerne Abſätze an ſeinen Stiefeln hatte, oft nur mit der größten Anſtrengung und bittern Klagen über die un- gemeine Beſchwerlichkeit: Felſen auf glatten Eiſen hinabzuklettern, den ſichern Boden wieder erreichte.
17*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0305"n="259"/><p>Ueber einen weiten Wieſenplan, von Eichen beſchat-<lb/>
tet und von waidenden Heerden bedeckt, wanderten<lb/>
wir auf ſehr naſſem Boden (denn es hatte leider die<lb/>
ganze Nacht geregnet und geſchneit) den Kupferfelſen<lb/>
zu. Dieſe erheben ſich über einen hohen Abhang alter<lb/>
Buchen, wie eine darüber hängende Mauer, und ſind<lb/>
oben wieder mit ſchwarzem Nadelholz gekrönt, was<lb/>
einen herrlichen Anblick gewährt. In dieſer natürli-<lb/>
chen Mauer befindet ſich die erſte Hauptparthie des<lb/>
Parks, die Grotte genannt, zu welcher man durch<lb/>
einen dunkeln in den Felſen gehauenen, bedeckten Weg<lb/>
von mehr als hundert Fuß Länge gelangt, nachdem<lb/>
man vorher eine geraume Zeit im Walde mühſam im<lb/>
Zickzack bergan geſtiegen. Die Grotte beſteht aus meh-<lb/>
reren Höhlen, mit allerlei Steinen und Metallerzen<lb/>
inkruſtirt, in welchen einige angebrachte Oeffnungen,<lb/>
die mit bunten, brillantartig geſchliffenen, kleinen<lb/>
Glasſcheiben ausgeſetzt ſind, in der Dunkelheit täu-<lb/>ſchend Aladinſchen Edelſteinen gleichen. Eine alte Frau,<lb/>
welche wenigſtens 50 Jahre zählte, war unſre Füh-<lb/>
rerin, und erregte vielfach unſre Verwunderung durch<lb/>
ihre Ausdauer im Marſchiren, und der Gewandtheit,<lb/>
mit der ſie die Felſen in Pantoffeln auf und ab klet-<lb/>
terte, denn die unregelmäßigen, abſchüſſigen und ſpie-<lb/>
gelglatten Felſenſtufen waren zuweilen recht ſchwierig<lb/>
zu paſſiren, ſo daß der gute R., der obenein eiſerne<lb/>
Abſätze <hirendition="#g">an</hi>ſeinen Stiefeln hatte, oft nur mit der<lb/>
größten Anſtrengung und bittern Klagen über die un-<lb/>
gemeine Beſchwerlichkeit: Felſen auf glatten Eiſen<lb/>
hinabzuklettern, den ſichern Boden wieder erreichte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[259/0305]
Ueber einen weiten Wieſenplan, von Eichen beſchat-
tet und von waidenden Heerden bedeckt, wanderten
wir auf ſehr naſſem Boden (denn es hatte leider die
ganze Nacht geregnet und geſchneit) den Kupferfelſen
zu. Dieſe erheben ſich über einen hohen Abhang alter
Buchen, wie eine darüber hängende Mauer, und ſind
oben wieder mit ſchwarzem Nadelholz gekrönt, was
einen herrlichen Anblick gewährt. In dieſer natürli-
chen Mauer befindet ſich die erſte Hauptparthie des
Parks, die Grotte genannt, zu welcher man durch
einen dunkeln in den Felſen gehauenen, bedeckten Weg
von mehr als hundert Fuß Länge gelangt, nachdem
man vorher eine geraume Zeit im Walde mühſam im
Zickzack bergan geſtiegen. Die Grotte beſteht aus meh-
reren Höhlen, mit allerlei Steinen und Metallerzen
inkruſtirt, in welchen einige angebrachte Oeffnungen,
die mit bunten, brillantartig geſchliffenen, kleinen
Glasſcheiben ausgeſetzt ſind, in der Dunkelheit täu-
ſchend Aladinſchen Edelſteinen gleichen. Eine alte Frau,
welche wenigſtens 50 Jahre zählte, war unſre Füh-
rerin, und erregte vielfach unſre Verwunderung durch
ihre Ausdauer im Marſchiren, und der Gewandtheit,
mit der ſie die Felſen in Pantoffeln auf und ab klet-
terte, denn die unregelmäßigen, abſchüſſigen und ſpie-
gelglatten Felſenſtufen waren zuweilen recht ſchwierig
zu paſſiren, ſo daß der gute R., der obenein eiſerne
Abſätze an ſeinen Stiefeln hatte, oft nur mit der
größten Anſtrengung und bittern Klagen über die un-
gemeine Beſchwerlichkeit: Felſen auf glatten Eiſen
hinabzuklettern, den ſichern Boden wieder erreichte.
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/305>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.