gehaltendsten Privathause vereinigt. Treppen und Stuben sind mit stets frischen Teppichen geziert, und rugs (bunt gefärbte und präparirte Schaaffelle mit der Wolle), vor die Thüren gelegt, um den Zug zu verhindern; marmorne Kamine, schöne Spiegel, (im- mer aus einem Stück, welches zu dem soliden engli- schen Luxus gehört) Profusion von Meubles etc. ma- chen jedes Zimmer höchst comfortable. Selbst die Wage, um mit Leichtigkeit jeden Tag seine eigne Schwere bestimmen zu können, eine besondere Lieb- haberei der Engländer, fehlt nicht. Die zahlreiche Dienerschaft erblickt man nie anders als in Schuhen und auf das Reinlichste in Civiltracht und Livree ge- kleidet, und ein Portier ist immer auf seinem Po- sten, um Ueberröcke und Parapluies abzunehmen. Dieser letztere Gegenstand verdient in England Auf- merksamkeit, da Regenschirme, die dort leider so nö- thig sind, auf eine ganz unverschämte Weise gestoh- len werden, wenn man, es sey wo es wolle, nicht sehr genau auf ihre Verwahrung sieht. Dies ist so notorisch, daß neulich in einer Zeitung von einem gewissen Tugendbunde, der Preise für die edelste Handlung austheilt, erzählt wurde: "die Wahl sey "das letztemal sehr schwer geworden, und man wäre "schon im Begriff gewesen, ein Individuum zu krö- "nen, das seit mehreren Jahren seinen Schneider rich- "tig bezahlt habe, als ein Anderer noch nachgewiesen, "daß er zweimal bei ihm vergessene Parapluies zu- "rückgegeben. Bei dieser unerhörten That, setzt der "Journalist hinzu, gerieth die Gesellschaft zuerst in
gehaltendſten Privathauſe vereinigt. Treppen und Stuben ſind mit ſtets friſchen Teppichen geziert, und rugs (bunt gefärbte und präparirte Schaaffelle mit der Wolle), vor die Thüren gelegt, um den Zug zu verhindern; marmorne Kamine, ſchöne Spiegel, (im- mer aus einem Stück, welches zu dem ſoliden engli- ſchen Luxus gehört) Profuſion von Meubles ꝛc. ma- chen jedes Zimmer höchſt comfortable. Selbſt die Wage, um mit Leichtigkeit jeden Tag ſeine eigne Schwere beſtimmen zu können, eine beſondere Lieb- haberei der Engländer, fehlt nicht. Die zahlreiche Dienerſchaft erblickt man nie anders als in Schuhen und auf das Reinlichſte in Civiltracht und Livree ge- kleidet, und ein Portier iſt immer auf ſeinem Po- ſten, um Ueberröcke und Parapluies abzunehmen. Dieſer letztere Gegenſtand verdient in England Auf- merkſamkeit, da Regenſchirme, die dort leider ſo nö- thig ſind, auf eine ganz unverſchämte Weiſe geſtoh- len werden, wenn man, es ſey wo es wolle, nicht ſehr genau auf ihre Verwahrung ſieht. Dies iſt ſo notoriſch, daß neulich in einer Zeitung von einem gewiſſen Tugendbunde, der Preiſe für die edelſte Handlung austheilt, erzählt wurde: „die Wahl ſey „das letztemal ſehr ſchwer geworden, und man wäre „ſchon im Begriff geweſen, ein Individuum zu krö- „nen, das ſeit mehreren Jahren ſeinen Schneider rich- „tig bezahlt habe, als ein Anderer noch nachgewieſen, „daß er zweimal bei ihm vergeſſene Parapluies zu- „rückgegeben. Bei dieſer unerhörten That, ſetzt der „Journaliſt hinzu, gerieth die Geſellſchaft zuerſt in
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gehaltendſten Privathauſe vereinigt. Treppen und
Stuben ſind mit ſtets friſchen Teppichen geziert, und
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der Wolle), vor die Thüren gelegt, um den Zug zu
verhindern; marmorne Kamine, ſchöne Spiegel, (im-
mer aus einem Stück, welches zu dem ſoliden engli-
ſchen Luxus gehört) Profuſion von Meubles ꝛc. ma-
chen jedes Zimmer höchſt comfortable. Selbſt die
Wage, um mit Leichtigkeit jeden Tag ſeine eigne
Schwere beſtimmen zu können, eine beſondere Lieb-
haberei der Engländer, fehlt nicht. Die zahlreiche
Dienerſchaft erblickt man nie anders als in Schuhen
und auf das Reinlichſte in Civiltracht und Livree ge-
kleidet, und ein Portier iſt immer auf ſeinem Po-
ſten, um Ueberröcke und Parapluies abzunehmen.
Dieſer letztere Gegenſtand verdient in England Auf-
merkſamkeit, da Regenſchirme, die dort leider ſo nö-
thig ſind, auf eine ganz unverſchämte Weiſe geſtoh-
len werden, wenn man, es ſey wo es wolle, nicht
ſehr genau auf ihre Verwahrung ſieht. Dies iſt ſo
notoriſch, daß neulich in einer Zeitung von einem
gewiſſen Tugendbunde, der Preiſe für die edelſte
Handlung austheilt, erzählt wurde: „die Wahl ſey
„das letztemal ſehr ſchwer geworden, und man wäre
„ſchon im Begriff geweſen, ein Individuum zu krö-
„nen, das ſeit mehreren Jahren ſeinen Schneider rich-
„tig bezahlt habe, als ein Anderer noch nachgewieſen,
„daß er zweimal bei ihm vergeſſene Parapluies zu-
„rückgegeben. Bei dieſer unerhörten That, ſetzt der
„Journaliſt hinzu, gerieth die Geſellſchaft zuerſt in
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/145>, abgerufen am 22.11.2024.
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