theils auf das Meer voller Klippen und Inseln, von denen einige ganz isolirt, als hohe, spitze Berge aus dem Wasser steil empor steigen. Herr O'Connel machte mich auf eine derselben aufmerksam, und er- zählte, daß er vor einigen Jahren einen Ochsen dort hinschiffen und aussetzen ließ, damit er sich auf der guten und ungestörten Weide recht fett mästen möge. Dies Thier nahm aber schon nach einigen Tagen so decidirten Besitz von der Insel, daß es wüthend ward, sobald irgend Jemand den Versuch machte, dort zu landen, und selbst die Fischer, die ihre Netze am Ufer ausstellen wollten, attakirte und verjagte. Oft sah man es, gleich Jupiter in Stiergestalt, mit erhobenem Schweif und feuersprühenden Augen, im wilden Lauf, die Runde seiner Domaine machen, rekognoscirend, ob irgend Einer sich noch zu nahen wage. Der emancipirte Ochse wurde zuletzt so unbe- quem und gefährlich, daß man ihn todtschießen mußte. Dies schien mir eine ganz gute Satyre auf die Freiheitsliebe überhaupt, die mit erlangter Macht gewöhnlich sofort wieder in Herrschsucht ausartet, und die Ideen-Association mußte daher grade jetzt wider Willen komische Bilder in mir erwecken.
Später kamen wir an eine merkwürdige Ruine, eins der sogenannten "dänischen Forts" an der Küste, die wohl nicht den Dänen, sondern der Vertheidi- gung gegen die Dänen ihren Ursprung verdanken. Sie sind über tausend Jahr alt, und die untern Mauern, obgleich ohne Mörtel zusammengefügt,
theils auf das Meer voller Klippen und Inſeln, von denen einige ganz iſolirt, als hohe, ſpitze Berge aus dem Waſſer ſteil empor ſteigen. Herr O’Connel machte mich auf eine derſelben aufmerkſam, und er- zählte, daß er vor einigen Jahren einen Ochſen dort hinſchiffen und ausſetzen ließ, damit er ſich auf der guten und ungeſtörten Weide recht fett mäſten möge. Dies Thier nahm aber ſchon nach einigen Tagen ſo decidirten Beſitz von der Inſel, daß es wüthend ward, ſobald irgend Jemand den Verſuch machte, dort zu landen, und ſelbſt die Fiſcher, die ihre Netze am Ufer ausſtellen wollten, attakirte und verjagte. Oft ſah man es, gleich Jupiter in Stiergeſtalt, mit erhobenem Schweif und feuerſprühenden Augen, im wilden Lauf, die Runde ſeiner Domaine machen, rekognoscirend, ob irgend Einer ſich noch zu nahen wage. Der emancipirte Ochſe wurde zuletzt ſo unbe- quem und gefährlich, daß man ihn todtſchießen mußte. Dies ſchien mir eine ganz gute Satyre auf die Freiheitsliebe überhaupt, die mit erlangter Macht gewöhnlich ſofort wieder in Herrſchſucht ausartet, und die Ideen-Aſſociation mußte daher grade jetzt wider Willen komiſche Bilder in mir erwecken.
Später kamen wir an eine merkwürdige Ruine, eins der ſogenannten „däniſchen Forts“ an der Küſte, die wohl nicht den Dänen, ſondern der Vertheidi- gung gegen die Dänen ihren Urſprung verdanken. Sie ſind über tauſend Jahr alt, und die untern Mauern, obgleich ohne Mörtel zuſammengefügt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0043"n="21"/>
theils auf das Meer voller Klippen und Inſeln, von<lb/>
denen einige ganz iſolirt, als hohe, ſpitze Berge aus<lb/>
dem Waſſer ſteil empor ſteigen. Herr O’Connel<lb/>
machte mich auf eine derſelben aufmerkſam, und er-<lb/>
zählte, daß er vor einigen Jahren einen Ochſen dort<lb/>
hinſchiffen und ausſetzen ließ, damit er ſich auf der<lb/>
guten und ungeſtörten Weide recht fett mäſten möge.<lb/>
Dies Thier nahm aber ſchon nach einigen Tagen ſo<lb/>
decidirten Beſitz von der Inſel, daß es wüthend<lb/>
ward, ſobald irgend Jemand den Verſuch machte,<lb/>
dort zu landen, und ſelbſt die Fiſcher, die ihre Netze<lb/>
am Ufer ausſtellen wollten, attakirte und verjagte.<lb/>
Oft ſah man es, gleich Jupiter in Stiergeſtalt, mit<lb/>
erhobenem Schweif und feuerſprühenden Augen, im<lb/>
wilden Lauf, die Runde ſeiner Domaine machen,<lb/>
rekognoscirend, ob irgend Einer ſich noch zu nahen<lb/>
wage. Der emancipirte Ochſe wurde zuletzt ſo unbe-<lb/>
quem und gefährlich, daß man ihn todtſchießen<lb/>
mußte. Dies ſchien mir eine ganz gute Satyre auf<lb/>
die Freiheitsliebe überhaupt, die mit erlangter Macht<lb/>
gewöhnlich ſofort wieder in Herrſchſucht ausartet, und<lb/>
die Ideen-Aſſociation mußte daher grade jetzt wider<lb/>
Willen komiſche Bilder in mir erwecken.</p><lb/><p>Später kamen wir an eine merkwürdige Ruine,<lb/>
eins der ſogenannten „däniſchen Forts“ an der Küſte,<lb/>
die wohl nicht den Dänen, ſondern der Vertheidi-<lb/>
gung gegen die Dänen ihren Urſprung verdanken.<lb/>
Sie ſind über tauſend Jahr alt, und die untern<lb/>
Mauern, obgleich ohne Mörtel zuſammengefügt,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0043]
theils auf das Meer voller Klippen und Inſeln, von
denen einige ganz iſolirt, als hohe, ſpitze Berge aus
dem Waſſer ſteil empor ſteigen. Herr O’Connel
machte mich auf eine derſelben aufmerkſam, und er-
zählte, daß er vor einigen Jahren einen Ochſen dort
hinſchiffen und ausſetzen ließ, damit er ſich auf der
guten und ungeſtörten Weide recht fett mäſten möge.
Dies Thier nahm aber ſchon nach einigen Tagen ſo
decidirten Beſitz von der Inſel, daß es wüthend
ward, ſobald irgend Jemand den Verſuch machte,
dort zu landen, und ſelbſt die Fiſcher, die ihre Netze
am Ufer ausſtellen wollten, attakirte und verjagte.
Oft ſah man es, gleich Jupiter in Stiergeſtalt, mit
erhobenem Schweif und feuerſprühenden Augen, im
wilden Lauf, die Runde ſeiner Domaine machen,
rekognoscirend, ob irgend Einer ſich noch zu nahen
wage. Der emancipirte Ochſe wurde zuletzt ſo unbe-
quem und gefährlich, daß man ihn todtſchießen
mußte. Dies ſchien mir eine ganz gute Satyre auf
die Freiheitsliebe überhaupt, die mit erlangter Macht
gewöhnlich ſofort wieder in Herrſchſucht ausartet, und
die Ideen-Aſſociation mußte daher grade jetzt wider
Willen komiſche Bilder in mir erwecken.
Später kamen wir an eine merkwürdige Ruine,
eins der ſogenannten „däniſchen Forts“ an der Küſte,
die wohl nicht den Dänen, ſondern der Vertheidi-
gung gegen die Dänen ihren Urſprung verdanken.
Sie ſind über tauſend Jahr alt, und die untern
Mauern, obgleich ohne Mörtel zuſammengefügt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/43>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.