gel ist in einer der obern Galleriebögen versteckt an- gebracht, und macht von da aus, wenn sie ertönt, einen zauberischen Effect. Ich traf es so glücklich, daß, eben als ich gehen wollte, schon halb im Dunkeln, die Sänger und Musiker eine Uebungsstunde hielten, und ihre schönen unsichtbaren Himmels-Chöre zu glei- cher Zeit den Dom erfüllten, als die letzten Sonnen- stralen im Saphir-Blau und Rubin-Roth der Fen- ster erglühten. Der Erzbischoff von Canterbury ist Primat von England und der einzige Unterthan, in Großbritannien, der, außer dem Königlichen Blut, die Fürstenwürde hat, jedoch nur in seinem Erzbi- schoffs-Sitz, nicht in London, so viel ich weiß. Die- ser protestantische Geistliche hat 60,000 Pf. St. Re- venüen, und darf heirathen. Weiter wüßte ich eben nichts, was ihn von den katholischen Kirchenfürsten unterschiede.
Calais den 2ten.
Endlich sehe ich mich wieder in dem geliebten Frankreich! So wenig vortheilhaft auch der erste Contrast auffällt, doch begrüßte ich, fast mit dem Gefühl eines aus langer Gefangenschaft Zurückge- kehrten, den halb heimischen Boden, die reinere Luft, die ungezwungenere, freundlichere, vertraulichere Sitte.
gel iſt in einer der obern Galleriebögen verſteckt an- gebracht, und macht von da aus, wenn ſie ertönt, einen zauberiſchen Effect. Ich traf es ſo glücklich, daß, eben als ich gehen wollte, ſchon halb im Dunkeln, die Sänger und Muſiker eine Uebungsſtunde hielten, und ihre ſchönen unſichtbaren Himmels-Chöre zu glei- cher Zeit den Dom erfüllten, als die letzten Sonnen- ſtralen im Saphir-Blau und Rubin-Roth der Fen- ſter erglühten. Der Erzbiſchoff von Canterbury iſt Primat von England und der einzige Unterthan, in Großbritannien, der, außer dem Königlichen Blut, die Fürſtenwürde hat, jedoch nur in ſeinem Erzbi- ſchoffs-Sitz, nicht in London, ſo viel ich weiß. Die- ſer proteſtantiſche Geiſtliche hat 60,000 Pf. St. Re- venüen, und darf heirathen. Weiter wüßte ich eben nichts, was ihn von den katholiſchen Kirchenfürſten unterſchiede.
Calais den 2ten.
Endlich ſehe ich mich wieder in dem geliebten Frankreich! So wenig vortheilhaft auch der erſte Contraſt auffällt, doch begrüßte ich, faſt mit dem Gefühl eines aus langer Gefangenſchaft Zurückge- kehrten, den halb heimiſchen Boden, die reinere Luft, die ungezwungenere, freundlichere, vertraulichere Sitte.
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gel iſt in einer der obern Galleriebögen verſteckt an-
gebracht, und macht von da aus, wenn ſie ertönt,
einen zauberiſchen Effect. Ich traf es ſo glücklich,
daß, eben als ich gehen wollte, ſchon halb im Dunkeln,
die Sänger und Muſiker eine Uebungsſtunde hielten,
und ihre ſchönen unſichtbaren Himmels-Chöre zu glei-
cher Zeit den Dom erfüllten, als die letzten Sonnen-
ſtralen im Saphir-Blau und Rubin-Roth der Fen-
ſter erglühten. Der Erzbiſchoff von Canterbury iſt
Primat von England und der einzige Unterthan, in
Großbritannien, der, außer dem Königlichen Blut,
die Fürſtenwürde hat, jedoch nur in ſeinem Erzbi-
ſchoffs-Sitz, nicht in London, ſo viel ich weiß. Die-
ſer proteſtantiſche Geiſtliche hat 60,000 Pf. St. Re-
venüen, und darf heirathen. Weiter wüßte ich eben
nichts, was ihn von den katholiſchen Kirchenfürſten
unterſchiede.
Calais den 2ten.
Endlich ſehe ich mich wieder in dem geliebten
Frankreich! So wenig vortheilhaft auch der erſte
Contraſt auffällt, doch begrüßte ich, faſt mit dem
Gefühl eines aus langer Gefangenſchaft Zurückge-
kehrten, den halb heimiſchen Boden, die reinere Luft,
die ungezwungenere, freundlichere, vertraulichere
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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