Cathedralen. Dieser romantische Bau, der von den Sachsen angefangen, von den Normanen fortgesetzt, und neuerlich mit Verstand restaurirt worden ist, bildet eigentlich drei ganz verschiedene, aber zusam- menhängende Kirchen, mit vielen unregelmäßigen Seiten-Kapellen und Treppen, auf und niederstei- gendem schwarz und weiß gegatterten Steinboden, und einem Wald von Pfeilern darauf, in harmoni- scher Verwirrung. Auch die gelbliche Farbe des Sandsteins wirkt sehr vortheilhaft, besonders in dem normännischen Theil der Kirche, wo er mit schwar- zen Marmorsäulen abwechselt. Hier liegt das Bild in Erz des schwarzen Prinzen auf seinem Stein- Sarkophage. Ueber ihm hängt sein halb vermoder- ter Handschuh, nebst dem Schwerdte und Schild von Poitiers. Eine Menge andrer Monumente zieren außerdem die Kirche, unter andern das Heinrich des IV. und des Thomas a Becket, welcher in einer der Seitenkapellen ermordet ward. Ein großer Theil der alten bunten Fenster ist erhalten, und von unge- meiner Schönheit der Farben. Einige bieten bloße Muster und Arabesken, gleich durchsichtigen Sammt- tapeten, dar, andere scheinen, wie Juwelierarbeit, aus Edelsteinen aller Farben zusammengesetzt. Hi- storische Gemälde stellen nur wenige dar. Was die- sem grandiosen Dom einen besondern Vorzug vor den übrigen in England giebt, ist, daß hier der stö- rende Schirm in der Mitte nicht existirt, und man die ganze Ausdehnung des Schiffes von 4 -- 500 Schritt Länge mit einem Blicke übersieht. Die Or-
Cathedralen. Dieſer romantiſche Bau, der von den Sachſen angefangen, von den Normanen fortgeſetzt, und neuerlich mit Verſtand reſtaurirt worden iſt, bildet eigentlich drei ganz verſchiedene, aber zuſam- menhängende Kirchen, mit vielen unregelmäßigen Seiten-Kapellen und Treppen, auf und niederſtei- gendem ſchwarz und weiß gegatterten Steinboden, und einem Wald von Pfeilern darauf, in harmoni- ſcher Verwirrung. Auch die gelbliche Farbe des Sandſteins wirkt ſehr vortheilhaft, beſonders in dem normänniſchen Theil der Kirche, wo er mit ſchwar- zen Marmorſäulen abwechſelt. Hier liegt das Bild in Erz des ſchwarzen Prinzen auf ſeinem Stein- Sarkophage. Ueber ihm hängt ſein halb vermoder- ter Handſchuh, nebſt dem Schwerdte und Schild von Poitiers. Eine Menge andrer Monumente zieren außerdem die Kirche, unter andern das Heinrich des IV. und des Thomas a Becket, welcher in einer der Seitenkapellen ermordet ward. Ein großer Theil der alten bunten Fenſter iſt erhalten, und von unge- meiner Schönheit der Farben. Einige bieten bloße Muſter und Arabesken, gleich durchſichtigen Sammt- tapeten, dar, andere ſcheinen, wie Juwelierarbeit, aus Edelſteinen aller Farben zuſammengeſetzt. Hi- ſtoriſche Gemälde ſtellen nur wenige dar. Was die- ſem grandioſen Dom einen beſondern Vorzug vor den übrigen in England giebt, iſt, daß hier der ſtö- rende Schirm in der Mitte nicht exiſtirt, und man die ganze Ausdehnung des Schiffes von 4 — 500 Schritt Länge mit einem Blicke überſieht. Die Or-
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Cathedralen. Dieſer romantiſche Bau, der von den
Sachſen angefangen, von den Normanen fortgeſetzt,
und neuerlich mit Verſtand reſtaurirt worden iſt,
bildet eigentlich drei ganz verſchiedene, aber zuſam-
menhängende Kirchen, mit vielen unregelmäßigen
Seiten-Kapellen und Treppen, auf und niederſtei-
gendem ſchwarz und weiß gegatterten Steinboden,
und einem Wald von Pfeilern darauf, in harmoni-
ſcher Verwirrung. Auch die gelbliche Farbe des
Sandſteins wirkt ſehr vortheilhaft, beſonders in dem
normänniſchen Theil der Kirche, wo er mit ſchwar-
zen Marmorſäulen abwechſelt. Hier liegt das Bild
in Erz des ſchwarzen Prinzen auf ſeinem Stein-
Sarkophage. Ueber ihm hängt ſein halb vermoder-
ter Handſchuh, nebſt dem Schwerdte und Schild von
Poitiers. Eine Menge andrer Monumente zieren
außerdem die Kirche, unter andern das Heinrich des
IV. und des Thomas a Becket, welcher in einer der
Seitenkapellen ermordet ward. Ein großer Theil
der alten bunten Fenſter iſt erhalten, und von unge-
meiner Schönheit der Farben. Einige bieten bloße
Muſter und Arabesken, gleich durchſichtigen Sammt-
tapeten, dar, andere ſcheinen, wie Juwelierarbeit,
aus Edelſteinen aller Farben zuſammengeſetzt. Hi-
ſtoriſche Gemälde ſtellen nur wenige dar. Was die-
ſem grandioſen Dom einen beſondern Vorzug vor
den übrigen in England giebt, iſt, daß hier der ſtö-
rende Schirm in der Mitte nicht exiſtirt, und man
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Schritt Länge mit einem Blicke überſieht. Die Or-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/329>, abgerufen am 22.11.2024.
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