augenblicklicher Entfernung des Eindringlings. Die Gräfin versucht in Ohnmacht zu fallen, aber Alles ist vergebens; selbst Josephine, die schon vorher, bei Gelegenheit des Ehekontrakts, eine volle Börse hinter dem Rücken ihrer Gebieterin erhielt, nimmt die Par- thei des Bramarbas, und dieser, mit der einen Hand seine Dame zurückhaltend, ergreift endlich mit der andern den kleinen Unglücklichen und wirft ihn zur Thüre hinaus. Aber o weh! in demselben Augen- blicke kömmt der Capitaine noch einmal zurück, um das vergessene Halsband zu bringen, und Fidele fliegt in seine Arme. Die erschrockenen Damen er- greifen die Flucht, die Männer messen sich mit den Augen, Oconnor Mac Farlane stößt schreckliche Dro- hungen aus, aber der Capitaine zieht den Degen, und Bramarbas springt zum Fenster hinaus. Dies Skelett ist mager; aber Lustigkeit, Laune und Witz machten es höchst unterhaltend. Die Unvollkommen- heit der Costüme vermehrten das Pikante, denn die Damen z. B. waren nur bis zur Mitte Männer, der Rest blieb Dame, d. h. sie hatten blos Rock und Weste über ihre Kleider gezogen, und einen Hut auf- gesetzt; ihr Degen war eine Reitgerte, und Fidele ein Muff.
Lady M .... erzählte mir nachher viel interessante Details über die berühmte Miß Oneil, die ich, wie Du weißt, für das größte dramatische Talent halte, das ich je zu bewundern Gelegenheit gehabt. Sie sagte, daß diese, von Anfang an, mit dem erhaben-
augenblicklicher Entfernung des Eindringlings. Die Gräfin verſucht in Ohnmacht zu fallen, aber Alles iſt vergebens; ſelbſt Joſephine, die ſchon vorher, bei Gelegenheit des Ehekontrakts, eine volle Börſe hinter dem Rücken ihrer Gebieterin erhielt, nimmt die Par- thei des Bramarbas, und dieſer, mit der einen Hand ſeine Dame zurückhaltend, ergreift endlich mit der andern den kleinen Unglücklichen und wirft ihn zur Thüre hinaus. Aber o weh! in demſelben Augen- blicke kömmt der Capitaine noch einmal zurück, um das vergeſſene Halsband zu bringen, und Fidêle fliegt in ſeine Arme. Die erſchrockenen Damen er- greifen die Flucht, die Männer meſſen ſich mit den Augen, Oconnor Mac Farlane ſtößt ſchreckliche Dro- hungen aus, aber der Capitaine zieht den Degen, und Bramarbas ſpringt zum Fenſter hinaus. Dies Skelett iſt mager; aber Luſtigkeit, Laune und Witz machten es höchſt unterhaltend. Die Unvollkommen- heit der Coſtüme vermehrten das Pikante, denn die Damen z. B. waren nur bis zur Mitte Männer, der Reſt blieb Dame, d. h. ſie hatten blos Rock und Weſte über ihre Kleider gezogen, und einen Hut auf- geſetzt; ihr Degen war eine Reitgerte, und Fidèle ein Muff.
Lady M .... erzählte mir nachher viel intereſſante Details über die berühmte Miß Oneil, die ich, wie Du weißt, für das größte dramatiſche Talent halte, das ich je zu bewundern Gelegenheit gehabt. Sie ſagte, daß dieſe, von Anfang an, mit dem erhaben-
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[199/0221]
augenblicklicher Entfernung des Eindringlings. Die
Gräfin verſucht in Ohnmacht zu fallen, aber Alles
iſt vergebens; ſelbſt Joſephine, die ſchon vorher, bei
Gelegenheit des Ehekontrakts, eine volle Börſe hinter
dem Rücken ihrer Gebieterin erhielt, nimmt die Par-
thei des Bramarbas, und dieſer, mit der einen Hand
ſeine Dame zurückhaltend, ergreift endlich mit der
andern den kleinen Unglücklichen und wirft ihn zur
Thüre hinaus. Aber o weh! in demſelben Augen-
blicke kömmt der Capitaine noch einmal zurück, um
das vergeſſene Halsband zu bringen, und Fidêle
fliegt in ſeine Arme. Die erſchrockenen Damen er-
greifen die Flucht, die Männer meſſen ſich mit den
Augen, Oconnor Mac Farlane ſtößt ſchreckliche Dro-
hungen aus, aber der Capitaine zieht den Degen,
und Bramarbas ſpringt zum Fenſter hinaus. Dies
Skelett iſt mager; aber Luſtigkeit, Laune und Witz
machten es höchſt unterhaltend. Die Unvollkommen-
heit der Coſtüme vermehrten das Pikante, denn die
Damen z. B. waren nur bis zur Mitte Männer, der
Reſt blieb Dame, d. h. ſie hatten blos Rock und
Weſte über ihre Kleider gezogen, und einen Hut auf-
geſetzt; ihr Degen war eine Reitgerte, und Fidèle
ein Muff.
Lady M .... erzählte mir nachher viel intereſſante
Details über die berühmte Miß Oneil, die ich, wie
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/221>, abgerufen am 22.11.2024.
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