Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

als daß die Irländer sie nicht hätten zu einer Legende
benutzen sollen, sie, die für jede Naturseltenheit ihr
Mährchen stets bereit haben.

Wir eilten früher zurück als mir lieb war, da mich
der katholische dean zu einem Dine eingeladen hatte,
bei dem ich nicht zu spät eintreffen durfte. Ich sollte
den Erzbischof und sechzehn andere Geistliche dort an-
treffen; kein Laie, außer mir, war zugegen. Das
Dine machte übrigens einem Caplane des römischen
Pontifex Ehre. "Sie haben wohl niemals einer
Mahlzeit beigewohnt," sagte der Erzbischof zu mir,
"wo die Gäste aus lauter Geistlichen bestanden?"
Doch, Mylord, erwiederte ich: und was noch mehr
ist, ich war selbst vor kurzem noch eine Art Bischof.
"Wie ist das möglich," rief er verwundert. Ich er-
klärte ihm, daß ich . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . Wir sind also, fuhr ich fort, hier achtzehn
Geistliche, ganz unter uns, und dabei kann ich noch
versichern, daß ich keinen Unterschied zwischen Katho-
liken und Protestanten mache, sondern in beiden nur
Christen sehe.

Mit großer Freiheit und Partheilosigkeit wurde
nachher über religieuse Gegenstände gesprochen, nir-
gends bemerkte ich die geringste Spur von Bigotte-
rie, noch der widrigen Affektation des Heiligthums.
Beim Dessert gaben sogar mehrere, die gut sangen,
Nationallieder zum Besten, deren Inhalt zuweilen

als daß die Irländer ſie nicht hätten zu einer Legende
benutzen ſollen, ſie, die für jede Naturſeltenheit ihr
Mährchen ſtets bereit haben.

Wir eilten früher zurück als mir lieb war, da mich
der katholiſche dean zu einem Diné eingeladen hatte,
bei dem ich nicht zu ſpät eintreffen durfte. Ich ſollte
den Erzbiſchof und ſechzehn andere Geiſtliche dort an-
treffen; kein Laie, außer mir, war zugegen. Das
Diné machte übrigens einem Caplane des römiſchen
Pontifex Ehre. „Sie haben wohl niemals einer
Mahlzeit beigewohnt,“ ſagte der Erzbiſchof zu mir,
„wo die Gäſte aus lauter Geiſtlichen beſtanden?“
Doch, Mylord, erwiederte ich: und was noch mehr
iſt, ich war ſelbſt vor kurzem noch eine Art Biſchof.
„Wie iſt das möglich,“ rief er verwundert. Ich er-
klärte ihm, daß ich . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . Wir ſind alſo, fuhr ich fort, hier achtzehn
Geiſtliche, ganz unter uns, und dabei kann ich noch
verſichern, daß ich keinen Unterſchied zwiſchen Katho-
liken und Proteſtanten mache, ſondern in beiden nur
Chriſten ſehe.

Mit großer Freiheit und Partheiloſigkeit wurde
nachher über religieuſe Gegenſtände geſprochen, nir-
gends bemerkte ich die geringſte Spur von Bigotte-
rie, noch der widrigen Affektation des Heiligthums.
Beim Deſſert gaben ſogar mehrere, die gut ſangen,
Nationallieder zum Beſten, deren Inhalt zuweilen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="96"/>
als daß die Irländer &#x017F;ie nicht hätten zu einer Legende<lb/>
benutzen &#x017F;ollen, &#x017F;ie, die für jede Natur&#x017F;eltenheit ihr<lb/>
Mährchen &#x017F;tets bereit haben.</p><lb/>
          <p>Wir eilten früher zurück als mir lieb war, da mich<lb/>
der katholi&#x017F;che <hi rendition="#aq">dean</hi> zu einem Din<hi rendition="#aq">é</hi> eingeladen hatte,<lb/>
bei dem ich nicht zu &#x017F;pät eintreffen durfte. Ich &#x017F;ollte<lb/>
den Erzbi&#x017F;chof und &#x017F;echzehn andere Gei&#x017F;tliche dort an-<lb/>
treffen; kein Laie, außer mir, war zugegen. Das<lb/>
Din<hi rendition="#aq">é</hi> machte übrigens einem Caplane des römi&#x017F;chen<lb/>
Pontifex Ehre. &#x201E;Sie haben wohl niemals einer<lb/>
Mahlzeit beigewohnt,&#x201C; &#x017F;agte der Erzbi&#x017F;chof zu mir,<lb/>
&#x201E;wo die Gä&#x017F;te aus lauter Gei&#x017F;tlichen be&#x017F;tanden?&#x201C;<lb/>
Doch, Mylord, erwiederte ich: und was noch mehr<lb/>
i&#x017F;t, ich war &#x017F;elb&#x017F;t vor kurzem noch eine Art Bi&#x017F;chof.<lb/>
&#x201E;Wie i&#x017F;t das möglich,&#x201C; rief er verwundert. Ich er-<lb/>
klärte ihm, daß ich . . . . . . . . . . . . .<lb/>
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<lb/>
. . . . Wir &#x017F;ind al&#x017F;o, fuhr ich fort, hier achtzehn<lb/>
Gei&#x017F;tliche, ganz unter uns, und dabei kann ich noch<lb/>
ver&#x017F;ichern, daß ich keinen Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen Katho-<lb/>
liken und Prote&#x017F;tanten mache, &#x017F;ondern in beiden nur<lb/>
Chri&#x017F;ten &#x017F;ehe.</p><lb/>
          <p>Mit großer Freiheit und Partheilo&#x017F;igkeit wurde<lb/>
nachher über religieu&#x017F;e Gegen&#x017F;tände ge&#x017F;prochen, nir-<lb/>
gends bemerkte ich die gering&#x017F;te Spur von Bigotte-<lb/>
rie, noch der widrigen Affektation des Heiligthums.<lb/>
Beim De&#x017F;&#x017F;ert gaben &#x017F;ogar mehrere, die gut &#x017F;angen,<lb/>
Nationallieder zum Be&#x017F;ten, deren Inhalt zuweilen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0118] als daß die Irländer ſie nicht hätten zu einer Legende benutzen ſollen, ſie, die für jede Naturſeltenheit ihr Mährchen ſtets bereit haben. Wir eilten früher zurück als mir lieb war, da mich der katholiſche dean zu einem Diné eingeladen hatte, bei dem ich nicht zu ſpät eintreffen durfte. Ich ſollte den Erzbiſchof und ſechzehn andere Geiſtliche dort an- treffen; kein Laie, außer mir, war zugegen. Das Diné machte übrigens einem Caplane des römiſchen Pontifex Ehre. „Sie haben wohl niemals einer Mahlzeit beigewohnt,“ ſagte der Erzbiſchof zu mir, „wo die Gäſte aus lauter Geiſtlichen beſtanden?“ Doch, Mylord, erwiederte ich: und was noch mehr iſt, ich war ſelbſt vor kurzem noch eine Art Biſchof. „Wie iſt das möglich,“ rief er verwundert. Ich er- klärte ihm, daß ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wir ſind alſo, fuhr ich fort, hier achtzehn Geiſtliche, ganz unter uns, und dabei kann ich noch verſichern, daß ich keinen Unterſchied zwiſchen Katho- liken und Proteſtanten mache, ſondern in beiden nur Chriſten ſehe. Mit großer Freiheit und Partheiloſigkeit wurde nachher über religieuſe Gegenſtände geſprochen, nir- gends bemerkte ich die geringſte Spur von Bigotte- rie, noch der widrigen Affektation des Heiligthums. Beim Deſſert gaben ſogar mehrere, die gut ſangen, Nationallieder zum Beſten, deren Inhalt zuweilen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/118
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/118>, abgerufen am 28.04.2024.