Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachmittags besuchte mich der catholische dean, ein
höchst liebenswürdiger Mann, der lange auf dem
Continent gelebt, und Caplan des vorigen Pabstes
gewesen ist. Seine eben so freie als aufgeklärte
Sprache setzte mich in Verwunderung, weil wir im-
mer zu denken pflegen: ein Katholik müsse auch ein
Abergläubiger seyn. Er sagte mir unter anderm:
Glauben Sie mir, dieses Land ist dem Unglück ge-
weiht. Hier giebt es fast keine Christen mehr, Katho-
liken und Protestanten haben nur eine und dieselbe
Religion -- die des Hasses!

Einige Zeit später brachte mir Capt S. die letzte
Zeitung, worin bereits mein Besuch in der beschrie-
benen Versammlung, und die von mir dort gesag-
ten Worte nebst den übrigen Reden, mit aller der
in England üblichen Charlatanerie, drei oder vier
Seiten füllten. Um Dir einen echantillon von die-
sem Genre zu geben, und zugleich mit meiner eignen
Beredsamkeit gegen Dich ein wenig zu prunken, über-
setze ich den Anfang des mich betreffenden Artikels,
wo ich in eben dem Ton angepriesen wurde, wie ein
Wurm-Doctor seinen Pillen, oder ein Roßkamm sei-
nen Pferden, nie besessne Eigenschaften andichtet.
Höre:

"Sobald man die Ankunft des ........ erfahren
hatte, begab sich der Präsident mit einer Deputa-
tion auf das ........ Zimmer, um denselben einzu-
laden, unser Fest mit seiner Gegenwart zu beeh-
ren etc. Bald darauf trat der ........ ins Zimmer.

Nachmittags beſuchte mich der catholiſche dean, ein
höchſt liebenswürdiger Mann, der lange auf dem
Continent gelebt, und Caplan des vorigen Pabſtes
geweſen iſt. Seine eben ſo freie als aufgeklärte
Sprache ſetzte mich in Verwunderung, weil wir im-
mer zu denken pflegen: ein Katholik müſſe auch ein
Abergläubiger ſeyn. Er ſagte mir unter anderm:
Glauben Sie mir, dieſes Land iſt dem Unglück ge-
weiht. Hier giebt es faſt keine Chriſten mehr, Katho-
liken und Proteſtanten haben nur eine und dieſelbe
Religion — die des Haſſes!

Einige Zeit ſpäter brachte mir Capt S. die letzte
Zeitung, worin bereits mein Beſuch in der beſchrie-
benen Verſammlung, und die von mir dort geſag-
ten Worte nebſt den übrigen Reden, mit aller der
in England üblichen Charlatanerie, drei oder vier
Seiten füllten. Um Dir einen échantillon von die-
ſem Genre zu geben, und zugleich mit meiner eignen
Beredſamkeit gegen Dich ein wenig zu prunken, über-
ſetze ich den Anfang des mich betreffenden Artikels,
wo ich in eben dem Ton angeprieſen wurde, wie ein
Wurm-Doctor ſeinen Pillen, oder ein Roßkamm ſei-
nen Pferden, nie beſeſſne Eigenſchaften andichtet.
Höre:

„Sobald man die Ankunft des ........ erfahren
hatte, begab ſich der Präſident mit einer Deputa-
tion auf das ........ Zimmer, um denſelben einzu-
laden, unſer Feſt mit ſeiner Gegenwart zu beeh-
ren ꝛc. Bald darauf trat der ........ ins Zimmer.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0112" n="90"/>
          <p>Nachmittags be&#x017F;uchte mich der catholi&#x017F;che <hi rendition="#aq">dean</hi>, ein<lb/>
höch&#x017F;t liebenswürdiger Mann, der lange auf dem<lb/>
Continent gelebt, und Caplan des vorigen Pab&#x017F;tes<lb/>
gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Seine eben &#x017F;o freie als aufgeklärte<lb/>
Sprache &#x017F;etzte mich in Verwunderung, weil wir im-<lb/>
mer zu denken pflegen: ein Katholik mü&#x017F;&#x017F;e auch ein<lb/><choice><sic>Abergla&#x0307;ubiger</sic><corr>Abergläubiger</corr></choice> &#x017F;eyn. Er &#x017F;agte mir unter anderm:<lb/>
Glauben Sie mir, die&#x017F;es Land i&#x017F;t dem Unglück ge-<lb/>
weiht. Hier giebt es fa&#x017F;t keine Chri&#x017F;ten mehr, Katho-<lb/>
liken und Prote&#x017F;tanten haben nur eine und die&#x017F;elbe<lb/>
Religion &#x2014; die des Ha&#x017F;&#x017F;es!</p><lb/>
          <p>Einige Zeit &#x017F;päter brachte mir Capt S. die letzte<lb/>
Zeitung, worin bereits mein Be&#x017F;uch in der be&#x017F;chrie-<lb/>
benen Ver&#x017F;ammlung, und die von mir dort ge&#x017F;ag-<lb/>
ten Worte neb&#x017F;t den übrigen Reden, mit aller der<lb/>
in England üblichen Charlatanerie, drei oder vier<lb/>
Seiten füllten. Um Dir einen <hi rendition="#aq">échantillon</hi> von die-<lb/>
&#x017F;em Genre zu geben, und zugleich mit meiner eignen<lb/>
Bered&#x017F;amkeit gegen Dich ein wenig zu prunken, über-<lb/>
&#x017F;etze ich den Anfang des mich betreffenden Artikels,<lb/>
wo ich in eben dem Ton angeprie&#x017F;en wurde, wie ein<lb/>
Wurm-Doctor &#x017F;einen Pillen, oder ein Roßkamm &#x017F;ei-<lb/>
nen Pferden, nie be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ne Eigen&#x017F;chaften andichtet.<lb/>
Höre:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sobald man die Ankunft des ........ erfahren<lb/>
hatte, begab &#x017F;ich der Prä&#x017F;ident mit einer Deputa-<lb/>
tion auf das ........ Zimmer, um den&#x017F;elben einzu-<lb/>
laden, un&#x017F;er Fe&#x017F;t mit &#x017F;einer Gegenwart zu beeh-<lb/>
ren &#xA75B;c. Bald darauf trat der ........ ins Zimmer.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0112] Nachmittags beſuchte mich der catholiſche dean, ein höchſt liebenswürdiger Mann, der lange auf dem Continent gelebt, und Caplan des vorigen Pabſtes geweſen iſt. Seine eben ſo freie als aufgeklärte Sprache ſetzte mich in Verwunderung, weil wir im- mer zu denken pflegen: ein Katholik müſſe auch ein Abergläubiger ſeyn. Er ſagte mir unter anderm: Glauben Sie mir, dieſes Land iſt dem Unglück ge- weiht. Hier giebt es faſt keine Chriſten mehr, Katho- liken und Proteſtanten haben nur eine und dieſelbe Religion — die des Haſſes! Einige Zeit ſpäter brachte mir Capt S. die letzte Zeitung, worin bereits mein Beſuch in der beſchrie- benen Verſammlung, und die von mir dort geſag- ten Worte nebſt den übrigen Reden, mit aller der in England üblichen Charlatanerie, drei oder vier Seiten füllten. Um Dir einen échantillon von die- ſem Genre zu geben, und zugleich mit meiner eignen Beredſamkeit gegen Dich ein wenig zu prunken, über- ſetze ich den Anfang des mich betreffenden Artikels, wo ich in eben dem Ton angeprieſen wurde, wie ein Wurm-Doctor ſeinen Pillen, oder ein Roßkamm ſei- nen Pferden, nie beſeſſne Eigenſchaften andichtet. Höre: „Sobald man die Ankunft des ........ erfahren hatte, begab ſich der Präſident mit einer Deputa- tion auf das ........ Zimmer, um denſelben einzu- laden, unſer Feſt mit ſeiner Gegenwart zu beeh- ren ꝛc. Bald darauf trat der ........ ins Zimmer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/112
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/112>, abgerufen am 27.04.2024.