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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Besitzer erkundigt, heißt es gewöhnlich, this is for-
feited land
(verwirktes Eigenthum), immer einst den
Katholiken, jetzt den Protestanten zugehörig. O'Con-
nel sagte mir, daß, noch vor nicht gar langer Zeit,
ein Gesetz in Gültigkeit war, des Inhalts: daß kein
Katholik in Irland Landeigenthum haben dürfe,
und könne ein Protestant bei einem Gerichtshofe be-
weisen, daß dies dennoch irgend wo der Fall sey, so
habe ihm der Richter dieses Eigenthum zuzuspre-
chen. Das einzige Mittel blieben nun Scheinkäufe;
demohngeachtet wurden, nach O'Connels Versiche-
rung, Millionen an Werth auf diese Weise in die
Hände der Protestanten gebracht. Ist es nicht merk-
würdig, daß Protestanten, die von den Catholiken,
eben wegen ihrer Habsucht und Intoleranz in einer
barbarischen Zeit, abfielen, jetzt in der aufgeklärte-
sten, in demselben Fehler beharren, und dadurch,
verhältnißmäßig, eine größere Schuld auf sich laden,
als sie früher tragen mußten! Wird denn, möchte
man fragen, dieses Religionsungeheuer *) (Geburt
der Despotie und Heuchelei) welches von der Welt
so lange mit Blut und Thränen gefüttert werden
mußte, nie von erleuchteteren Generationen vernich-
tet werden? Wahrscheinlich wird man dann auf die
jetzigen Zeiten mit eben dem Mitleid blicken, als wir
auf das Dunkel des Mittelalters.

*) Daß hier nur von falscher und Afterreligion die Rede
seyn kann, versteht sich wohl von selbst.
A. d. H.

Beſitzer erkundigt, heißt es gewöhnlich, this is for-
feited land
(verwirktes Eigenthum), immer einſt den
Katholiken, jetzt den Proteſtanten zugehörig. O’Con-
nel ſagte mir, daß, noch vor nicht gar langer Zeit,
ein Geſetz in Gültigkeit war, des Inhalts: daß kein
Katholik in Irland Landeigenthum haben dürfe,
und könne ein Proteſtant bei einem Gerichtshofe be-
weiſen, daß dies dennoch irgend wo der Fall ſey, ſo
habe ihm der Richter dieſes Eigenthum zuzuſpre-
chen. Das einzige Mittel blieben nun Scheinkäufe;
demohngeachtet wurden, nach O’Connels Verſiche-
rung, Millionen an Werth auf dieſe Weiſe in die
Hände der Proteſtanten gebracht. Iſt es nicht merk-
würdig, daß Proteſtanten, die von den Catholiken,
eben wegen ihrer Habſucht und Intoleranz in einer
barbariſchen Zeit, abfielen, jetzt in der aufgeklärte-
ſten, in demſelben Fehler beharren, und dadurch,
verhältnißmäßig, eine größere Schuld auf ſich laden,
als ſie früher tragen mußten! Wird denn, möchte
man fragen, dieſes Religionsungeheuer *) (Geburt
der Despotie und Heuchelei) welches von der Welt
ſo lange mit Blut und Thränen gefüttert werden
mußte, nie von erleuchteteren Generationen vernich-
tet werden? Wahrſcheinlich wird man dann auf die
jetzigen Zeiten mit eben dem Mitleid blicken, als wir
auf das Dunkel des Mittelalters.

*) Daß hier nur von falſcher und Afterreligion die Rede
ſeyn kann, verſteht ſich wohl von ſelbſt.
A. d. H.
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[89/0111] Beſitzer erkundigt, heißt es gewöhnlich, this is for- feited land (verwirktes Eigenthum), immer einſt den Katholiken, jetzt den Proteſtanten zugehörig. O’Con- nel ſagte mir, daß, noch vor nicht gar langer Zeit, ein Geſetz in Gültigkeit war, des Inhalts: daß kein Katholik in Irland Landeigenthum haben dürfe, und könne ein Proteſtant bei einem Gerichtshofe be- weiſen, daß dies dennoch irgend wo der Fall ſey, ſo habe ihm der Richter dieſes Eigenthum zuzuſpre- chen. Das einzige Mittel blieben nun Scheinkäufe; demohngeachtet wurden, nach O’Connels Verſiche- rung, Millionen an Werth auf dieſe Weiſe in die Hände der Proteſtanten gebracht. Iſt es nicht merk- würdig, daß Proteſtanten, die von den Catholiken, eben wegen ihrer Habſucht und Intoleranz in einer barbariſchen Zeit, abfielen, jetzt in der aufgeklärte- ſten, in demſelben Fehler beharren, und dadurch, verhältnißmäßig, eine größere Schuld auf ſich laden, als ſie früher tragen mußten! Wird denn, möchte man fragen, dieſes Religionsungeheuer *) (Geburt der Despotie und Heuchelei) welches von der Welt ſo lange mit Blut und Thränen gefüttert werden mußte, nie von erleuchteteren Generationen vernich- tet werden? Wahrſcheinlich wird man dann auf die jetzigen Zeiten mit eben dem Mitleid blicken, als wir auf das Dunkel des Mittelalters. *) Daß hier nur von falſcher und Afterreligion die Rede ſeyn kann, verſteht ſich wohl von ſelbſt. A. d. H.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/111>, abgerufen am 28.04.2024.