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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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nair daselbst, daß ihm ein Hindu recht frech geant-
wortet habe: Ich lasse mich nicht eher von Euch zum

chen Motive, welche die Bibelgesellschaften hervorbrach-
ten, und Missionarien versenden? aber -- sind diese
beiden, selbst wenn nicht, wie leider so oft geschieht,
der schändlichste Mißbrauch damit getrieben wird, auch
die rechten Mittel zum Zweck? Der Erfolg lehrt uns
fast überall das Gegentheil. Man bedenke, daß Gott
selbst das Christenthum erst zum zweiten Bunde sen-
dete, der erste war rein auf irdisches Interesse und
despotische Gewalt basirt.
Ich möchte daher fast sagen, wenn ich mich nicht fürch-
tete zu spaßhaft zu erscheinen, daß man erst damit an-
fangen müßte, die Wilden zu Juden zu bekehren, ehe
man sie zu Christen machte. Dies würde auch mit dem
Interesse des Handels, diesem wichtigen Hebel, abson-
derlich gut übereinstimmen. Man civilisirte sie dann
vielleicht mit Schachern weit schneller, als durch Pau-
lus Briefe an die Corinther.
Dies könnte uns als Fingerzeig dienen, und die Naturge-
mäßheit solchen Verfahrens wird auch überall durch Erfah-
rung bestätigt, wo derselbe Gang zu gehen ist. Menschen, die
so wenig civilisirt sind, als z. B. die noch fast thierischen
Bewohner Afrika's, zu Christen machen zu wollen --
scheint mir fast eben so unvernünftig, als den Affen
europäische Sprachmeister zu schicken. Auf dieser Stufe
der Cultur sind eben nur Interesse und Gewalt, der
eine wohlthätige Gewohnheit folgt, anwendbar,
und in dieser Hinsicht möchten (einmal angenommen,
daß wir Beruf und Recht haben, weniger Civilisirte
zu unsrer Civilisation, auch ohne ihren Willen, empor
zu heben) selbst die Bekehrungen mit dem Schwerdte
nicht so unzweckmäßig als die durch Bibelgesellschaften
seyn, immer vorausgesetzt, daß sie ohne Grausamkeit,
und aus wahrhaft guter Absicht bewerkstelligt wür-
den *). Der andere Weg, nämlich: durch ihr eignes
*) Man kann nicht läugnen, daß Carl des Großen und der Spanier Heidenbekeh-
rungen den meisten Erfolg hatten, nur Schade daß die Spanier. eigentlich
bessere Christen als sie waren erst zu einem neuen Heidenthume zwangen.

nair daſelbſt, daß ihm ein Hindu recht frech geant-
wortet habe: Ich laſſe mich nicht eher von Euch zum

chen Motive, welche die Bibelgeſellſchaften hervorbrach-
ten, und Miſſionarien verſenden? aber — ſind dieſe
beiden, ſelbſt wenn nicht, wie leider ſo oft geſchieht,
der ſchändlichſte Mißbrauch damit getrieben wird, auch
die rechten Mittel zum Zweck? Der Erfolg lehrt uns
faſt überall das Gegentheil. Man bedenke, daß Gott
ſelbſt das Chriſtenthum erſt zum zweiten Bunde ſen-
dete, der erſte war rein auf irdiſches Intereſſe und
despotiſche Gewalt baſirt.
Ich möchte daher faſt ſagen, wenn ich mich nicht fürch-
tete zu ſpaßhaft zu erſcheinen, daß man erſt damit an-
fangen müßte, die Wilden zu Juden zu bekehren, ehe
man ſie zu Chriſten machte. Dies würde auch mit dem
Intereſſe des Handels, dieſem wichtigen Hebel, abſon-
derlich gut übereinſtimmen. Man civiliſirte ſie dann
vielleicht mit Schachern weit ſchneller, als durch Pau-
lus Briefe an die Corinther.
Dies könnte uns als Fingerzeig dienen, und die Naturge-
mäßheit ſolchen Verfahrens wird auch überall durch Erfah-
rung beſtätigt, wo derſelbe Gang zu gehen iſt. Menſchen, die
ſo wenig civiliſirt ſind, als z. B. die noch faſt thieriſchen
Bewohner Afrika’s, zu Chriſten machen zu wollen —
ſcheint mir faſt eben ſo unvernünftig, als den Affen
europäiſche Sprachmeiſter zu ſchicken. Auf dieſer Stufe
der Cultur ſind eben nur Intereſſe und Gewalt, der
eine wohlthätige Gewohnheit folgt, anwendbar,
und in dieſer Hinſicht möchten (einmal angenommen,
daß wir Beruf und Recht haben, weniger Civiliſirte
zu unſrer Civiliſation, auch ohne ihren Willen, empor
zu heben) ſelbſt die Bekehrungen mit dem Schwerdte
nicht ſo unzweckmäßig als die durch Bibelgeſellſchaften
ſeyn, immer vorausgeſetzt, daß ſie ohne Grauſamkeit,
und aus wahrhaft guter Abſicht bewerkſtelligt wür-
den *). Der andere Weg, nämlich: durch ihr eignes
*) Man kann nicht läugnen, daß Carl des Großen und der Spanier Heidenbekeh-
rungen den meiſten Erfolg hatten, nur Schade daß die Spanier. eigentlich
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[53/0077] nair daſelbſt, daß ihm ein Hindu recht frech geant- wortet habe: Ich laſſe mich nicht eher von Euch zum *) *) chen Motive, welche die Bibelgeſellſchaften hervorbrach- ten, und Miſſionarien verſenden? aber — ſind dieſe beiden, ſelbſt wenn nicht, wie leider ſo oft geſchieht, der ſchändlichſte Mißbrauch damit getrieben wird, auch die rechten Mittel zum Zweck? Der Erfolg lehrt uns faſt überall das Gegentheil. Man bedenke, daß Gott ſelbſt das Chriſtenthum erſt zum zweiten Bunde ſen- dete, der erſte war rein auf irdiſches Intereſſe und despotiſche Gewalt baſirt. Ich möchte daher faſt ſagen, wenn ich mich nicht fürch- tete zu ſpaßhaft zu erſcheinen, daß man erſt damit an- fangen müßte, die Wilden zu Juden zu bekehren, ehe man ſie zu Chriſten machte. Dies würde auch mit dem Intereſſe des Handels, dieſem wichtigen Hebel, abſon- derlich gut übereinſtimmen. Man civiliſirte ſie dann vielleicht mit Schachern weit ſchneller, als durch Pau- lus Briefe an die Corinther. Dies könnte uns als Fingerzeig dienen, und die Naturge- mäßheit ſolchen Verfahrens wird auch überall durch Erfah- rung beſtätigt, wo derſelbe Gang zu gehen iſt. Menſchen, die ſo wenig civiliſirt ſind, als z. B. die noch faſt thieriſchen Bewohner Afrika’s, zu Chriſten machen zu wollen — ſcheint mir faſt eben ſo unvernünftig, als den Affen europäiſche Sprachmeiſter zu ſchicken. Auf dieſer Stufe der Cultur ſind eben nur Intereſſe und Gewalt, der eine wohlthätige Gewohnheit folgt, anwendbar, und in dieſer Hinſicht möchten (einmal angenommen, daß wir Beruf und Recht haben, weniger Civiliſirte zu unſrer Civiliſation, auch ohne ihren Willen, empor zu heben) ſelbſt die Bekehrungen mit dem Schwerdte nicht ſo unzweckmäßig als die durch Bibelgeſellſchaften ſeyn, immer vorausgeſetzt, daß ſie ohne Grauſamkeit, und aus wahrhaft guter Abſicht bewerkſtelligt wür- den *). Der andere Weg, nämlich: durch ihr eignes *) Man kann nicht läugnen, daß Carl des Großen und der Spanier Heidenbekeh- rungen den meiſten Erfolg hatten, nur Schade daß die Spanier. eigentlich beſſere Chriſten als ſie waren erſt zu einem neuen Heidenthume zwangen.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/77>, abgerufen am 24.11.2024.