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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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und darüber etwas die Contenance verlor, vielleicht
jetzt schon ein Todter, ohne einen Mann, den der
Himmel wiederum grade um diese Zeit herbei-
führen mußte, mich zu retten. Könnte ich gegen so
viele Beweise speciellen Schutzes blind seyn! -- Die
ganze Elbe ist mir dennoch seitdem etwas zuwider
geworden. Ich bekämpfe dies aber als ein tadelns-
werthes Gefühl, da man bedenken muß, von welchem
Nutzen dieser Fluß doch für so viele unserer Mitbrü-
der ist.*) Obgleich die Bemerkung, glaube ich, schon
früher gemacht worden ist, so bleibt es doch nicht
weniger beachtungswerth, daß man bei großen Städ-
ten fast immer auch einen Fluß findet; -- aber so
weise, so gnädig hat es die gütige Vorsehung überall
zu unserm Nutzen eingerichtet, wir Menschen erken-
nen es nur zu selten! Ja für Alle hat die Natur
wie eine gütige Mutter gesorgt! Der Biene gab sie
ihren Stachel, dem Biber seinen Schwanz, dem Lö-
wen seine Kraft, dem Esel die Geduld, dem Men-
schen aber seinen hohen Verstand, und wo dieser,
nebst der trügerischen Vernunft nicht ausreicht, himm-
lische Offenbarung. O wie dankbar fühle ich mich
immer, wenn ich dies recht bedenke, ich, der ohnedem
für so viele geistige und körperliche Vorzüge mehr
als viele meiner Mitmenschen zu danken habe. --
Möge ich es nie vergessen! Amen.

*) Unter andern auch für die Elbschifffahrtscommissarien,
die ihre Arbeit eben so schön beendet, und Alle Orden
dafür bekommen haben. Ob mir Gott wohl auch einen
Orden bescheren wird?
4*

und darüber etwas die Contenance verlor, vielleicht
jetzt ſchon ein Todter, ohne einen Mann, den der
Himmel wiederum grade um dieſe Zeit herbei-
führen mußte, mich zu retten. Könnte ich gegen ſo
viele Beweiſe ſpeciellen Schutzes blind ſeyn! — Die
ganze Elbe iſt mir dennoch ſeitdem etwas zuwider
geworden. Ich bekämpfe dies aber als ein tadelns-
werthes Gefühl, da man bedenken muß, von welchem
Nutzen dieſer Fluß doch für ſo viele unſerer Mitbrü-
der iſt.*) Obgleich die Bemerkung, glaube ich, ſchon
früher gemacht worden iſt, ſo bleibt es doch nicht
weniger beachtungswerth, daß man bei großen Städ-
ten faſt immer auch einen Fluß findet; — aber ſo
weiſe, ſo gnädig hat es die gütige Vorſehung überall
zu unſerm Nutzen eingerichtet, wir Menſchen erken-
nen es nur zu ſelten! Ja für Alle hat die Natur
wie eine gütige Mutter geſorgt! Der Biene gab ſie
ihren Stachel, dem Biber ſeinen Schwanz, dem Lö-
wen ſeine Kraft, dem Eſel die Geduld, dem Men-
ſchen aber ſeinen hohen Verſtand, und wo dieſer,
nebſt der trügeriſchen Vernunft nicht ausreicht, himm-
liſche Offenbarung. O wie dankbar fühle ich mich
immer, wenn ich dies recht bedenke, ich, der ohnedem
für ſo viele geiſtige und körperliche Vorzüge mehr
als viele meiner Mitmenſchen zu danken habe. —
Möge ich es nie vergeſſen! Amen.

*) Unter andern auch für die Elbſchifffahrtscommiſſarien,
die ihre Arbeit eben ſo ſchön beendet, und Alle Orden
dafür bekommen haben. Ob mir Gott wohl auch einen
Orden beſcheren wird?
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[51/0075] und darüber etwas die Contenance verlor, vielleicht jetzt ſchon ein Todter, ohne einen Mann, den der Himmel wiederum grade um dieſe Zeit herbei- führen mußte, mich zu retten. Könnte ich gegen ſo viele Beweiſe ſpeciellen Schutzes blind ſeyn! — Die ganze Elbe iſt mir dennoch ſeitdem etwas zuwider geworden. Ich bekämpfe dies aber als ein tadelns- werthes Gefühl, da man bedenken muß, von welchem Nutzen dieſer Fluß doch für ſo viele unſerer Mitbrü- der iſt. *) Obgleich die Bemerkung, glaube ich, ſchon früher gemacht worden iſt, ſo bleibt es doch nicht weniger beachtungswerth, daß man bei großen Städ- ten faſt immer auch einen Fluß findet; — aber ſo weiſe, ſo gnädig hat es die gütige Vorſehung überall zu unſerm Nutzen eingerichtet, wir Menſchen erken- nen es nur zu ſelten! Ja für Alle hat die Natur wie eine gütige Mutter geſorgt! Der Biene gab ſie ihren Stachel, dem Biber ſeinen Schwanz, dem Lö- wen ſeine Kraft, dem Eſel die Geduld, dem Men- ſchen aber ſeinen hohen Verſtand, und wo dieſer, nebſt der trügeriſchen Vernunft nicht ausreicht, himm- liſche Offenbarung. O wie dankbar fühle ich mich immer, wenn ich dies recht bedenke, ich, der ohnedem für ſo viele geiſtige und körperliche Vorzüge mehr als viele meiner Mitmenſchen zu danken habe. — Möge ich es nie vergeſſen! Amen. *) Unter andern auch für die Elbſchifffahrtscommiſſarien, die ihre Arbeit eben ſo ſchön beendet, und Alle Orden dafür bekommen haben. Ob mir Gott wohl auch einen Orden beſcheren wird? 4*

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/75>, abgerufen am 03.05.2024.