Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

so weit wir konnten, und entdeckten zuweilen große
Forellen in dem eiskalten Wasser, welche das Eigen-
thümliche haben sollen, daß, welche Lockspeise man
ihnen auch biete, doch noch nie ein Versuch sie zu
fangen gelungen sey. Das Volk hält sie daher für
verzaubert.

Wenn man aus der Dunkelheit wieder an die
Stelle zurückkehrt, wo das Tageslicht schwach, wie in
einen Schacht, hineinbricht, sieht man Epheu und
Schlingpflanzen in höchst malerischen Festons und
Guirlanden über die Felsen herabhängen. Hier hal-
ten die wilden Tauben in großer Menge ihre Nacht-
ruhe, wovon sich die Benennung der Höhle herschreibt.
Der Aberglaube des Volks erlaubt keinem Jäger, sie
an diesem Orte zu beunruhigen, weshalb sie auch
ohne Furcht sind, wie in einem Taubenschlage.

Aus diesen düstern Regionen, wo Alles beschränkt
und eingeschlossen ist, wandelten wir nun dem weiten
meerartigen See zu, wo Alles sich ins Unendliche zu
verlieren scheint. Die majestätische Wassermasse des
Corrib füllt ein Becken von zwölf deutschen Meilen
Länge und in der größten Ausdehnung drei deutsche
Meilen Breite. Ein sonderbares Zusammentreffen ist
es zu nennen, daß der See gerade so viel Inseln, als
das Jahr Tage zählt, nämlich 365. So behaupten
wenigstens die Einwohner, gezählt habe ich sie nicht.
Auf zwei Seiten begränzt ihn das hohe Gebürge von
Connamara, auf den andern verschwimmen seine Ge-
wässer fast mit der Plaine. Die Einfahrt, den Ber-

ſo weit wir konnten, und entdeckten zuweilen große
Forellen in dem eiskalten Waſſer, welche das Eigen-
thümliche haben ſollen, daß, welche Lockſpeiſe man
ihnen auch biete, doch noch nie ein Verſuch ſie zu
fangen gelungen ſey. Das Volk hält ſie daher für
verzaubert.

Wenn man aus der Dunkelheit wieder an die
Stelle zurückkehrt, wo das Tageslicht ſchwach, wie in
einen Schacht, hineinbricht, ſieht man Epheu und
Schlingpflanzen in höchſt maleriſchen Feſtons und
Guirlanden über die Felſen herabhängen. Hier hal-
ten die wilden Tauben in großer Menge ihre Nacht-
ruhe, wovon ſich die Benennung der Höhle herſchreibt.
Der Aberglaube des Volks erlaubt keinem Jäger, ſie
an dieſem Orte zu beunruhigen, weshalb ſie auch
ohne Furcht ſind, wie in einem Taubenſchlage.

Aus dieſen düſtern Regionen, wo Alles beſchränkt
und eingeſchloſſen iſt, wandelten wir nun dem weiten
meerartigen See zu, wo Alles ſich ins Unendliche zu
verlieren ſcheint. Die majeſtätiſche Waſſermaſſe des
Corrib füllt ein Becken von zwölf deutſchen Meilen
Länge und in der größten Ausdehnung drei deutſche
Meilen Breite. Ein ſonderbares Zuſammentreffen iſt
es zu nennen, daß der See gerade ſo viel Inſeln, als
das Jahr Tage zählt, nämlich 365. So behaupten
wenigſtens die Einwohner, gezählt habe ich ſie nicht.
Auf zwei Seiten begränzt ihn das hohe Gebürge von
Connamara, auf den andern verſchwimmen ſeine Ge-
wäſſer faſt mit der Plaine. Die Einfahrt, den Ber-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0269" n="245"/>
&#x017F;o weit wir konnten, und entdeckten zuweilen große<lb/>
Forellen in dem eiskalten Wa&#x017F;&#x017F;er, welche das Eigen-<lb/>
thümliche haben &#x017F;ollen, daß, welche Lock&#x017F;pei&#x017F;e man<lb/>
ihnen auch biete, doch noch nie ein Ver&#x017F;uch &#x017F;ie zu<lb/>
fangen gelungen &#x017F;ey. Das Volk hält &#x017F;ie daher für<lb/>
verzaubert.</p><lb/>
          <p>Wenn man aus der Dunkelheit wieder an die<lb/>
Stelle zurückkehrt, wo das Tageslicht &#x017F;chwach, wie in<lb/>
einen Schacht, hineinbricht, &#x017F;ieht man Epheu und<lb/>
Schlingpflanzen in höch&#x017F;t maleri&#x017F;chen Fe&#x017F;tons und<lb/>
Guirlanden über die Fel&#x017F;en herabhängen. Hier hal-<lb/>
ten die wilden Tauben in großer Menge ihre Nacht-<lb/>
ruhe, wovon &#x017F;ich die Benennung der Höhle her&#x017F;chreibt.<lb/>
Der Aberglaube des Volks erlaubt keinem Jäger, &#x017F;ie<lb/>
an die&#x017F;em Orte zu beunruhigen, weshalb &#x017F;ie auch<lb/>
ohne Furcht &#x017F;ind, wie in einem Tauben&#x017F;chlage.</p><lb/>
          <p>Aus die&#x017F;en dü&#x017F;tern Regionen, wo Alles be&#x017F;chränkt<lb/>
und einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, wandelten wir nun dem weiten<lb/>
meerartigen See zu, wo Alles &#x017F;ich ins Unendliche zu<lb/>
verlieren &#x017F;cheint. Die maje&#x017F;täti&#x017F;che Wa&#x017F;&#x017F;erma&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
Corrib füllt ein Becken von zwölf deut&#x017F;chen Meilen<lb/>
Länge und in der größten Ausdehnung drei deut&#x017F;che<lb/>
Meilen Breite. Ein &#x017F;onderbares Zu&#x017F;ammentreffen i&#x017F;t<lb/>
es zu nennen, daß der See gerade &#x017F;o viel In&#x017F;eln, als<lb/>
das Jahr Tage zählt, nämlich 365. So behaupten<lb/>
wenig&#x017F;tens die Einwohner, gezählt habe ich &#x017F;ie nicht.<lb/>
Auf zwei Seiten begränzt ihn das hohe Gebürge von<lb/>
Connamara, auf den andern ver&#x017F;chwimmen &#x017F;eine Ge-<lb/>&#x017F;&#x017F;er fa&#x017F;t mit der Plaine. Die Einfahrt, den Ber-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0269] ſo weit wir konnten, und entdeckten zuweilen große Forellen in dem eiskalten Waſſer, welche das Eigen- thümliche haben ſollen, daß, welche Lockſpeiſe man ihnen auch biete, doch noch nie ein Verſuch ſie zu fangen gelungen ſey. Das Volk hält ſie daher für verzaubert. Wenn man aus der Dunkelheit wieder an die Stelle zurückkehrt, wo das Tageslicht ſchwach, wie in einen Schacht, hineinbricht, ſieht man Epheu und Schlingpflanzen in höchſt maleriſchen Feſtons und Guirlanden über die Felſen herabhängen. Hier hal- ten die wilden Tauben in großer Menge ihre Nacht- ruhe, wovon ſich die Benennung der Höhle herſchreibt. Der Aberglaube des Volks erlaubt keinem Jäger, ſie an dieſem Orte zu beunruhigen, weshalb ſie auch ohne Furcht ſind, wie in einem Taubenſchlage. Aus dieſen düſtern Regionen, wo Alles beſchränkt und eingeſchloſſen iſt, wandelten wir nun dem weiten meerartigen See zu, wo Alles ſich ins Unendliche zu verlieren ſcheint. Die majeſtätiſche Waſſermaſſe des Corrib füllt ein Becken von zwölf deutſchen Meilen Länge und in der größten Ausdehnung drei deutſche Meilen Breite. Ein ſonderbares Zuſammentreffen iſt es zu nennen, daß der See gerade ſo viel Inſeln, als das Jahr Tage zählt, nämlich 365. So behaupten wenigſtens die Einwohner, gezählt habe ich ſie nicht. Auf zwei Seiten begränzt ihn das hohe Gebürge von Connamara, auf den andern verſchwimmen ſeine Ge- wäſſer faſt mit der Plaine. Die Einfahrt, den Ber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/269
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/269>, abgerufen am 27.04.2024.