so weit wir konnten, und entdeckten zuweilen große Forellen in dem eiskalten Wasser, welche das Eigen- thümliche haben sollen, daß, welche Lockspeise man ihnen auch biete, doch noch nie ein Versuch sie zu fangen gelungen sey. Das Volk hält sie daher für verzaubert.
Wenn man aus der Dunkelheit wieder an die Stelle zurückkehrt, wo das Tageslicht schwach, wie in einen Schacht, hineinbricht, sieht man Epheu und Schlingpflanzen in höchst malerischen Festons und Guirlanden über die Felsen herabhängen. Hier hal- ten die wilden Tauben in großer Menge ihre Nacht- ruhe, wovon sich die Benennung der Höhle herschreibt. Der Aberglaube des Volks erlaubt keinem Jäger, sie an diesem Orte zu beunruhigen, weshalb sie auch ohne Furcht sind, wie in einem Taubenschlage.
Aus diesen düstern Regionen, wo Alles beschränkt und eingeschlossen ist, wandelten wir nun dem weiten meerartigen See zu, wo Alles sich ins Unendliche zu verlieren scheint. Die majestätische Wassermasse des Corrib füllt ein Becken von zwölf deutschen Meilen Länge und in der größten Ausdehnung drei deutsche Meilen Breite. Ein sonderbares Zusammentreffen ist es zu nennen, daß der See gerade so viel Inseln, als das Jahr Tage zählt, nämlich 365. So behaupten wenigstens die Einwohner, gezählt habe ich sie nicht. Auf zwei Seiten begränzt ihn das hohe Gebürge von Connamara, auf den andern verschwimmen seine Ge- wässer fast mit der Plaine. Die Einfahrt, den Ber-
ſo weit wir konnten, und entdeckten zuweilen große Forellen in dem eiskalten Waſſer, welche das Eigen- thümliche haben ſollen, daß, welche Lockſpeiſe man ihnen auch biete, doch noch nie ein Verſuch ſie zu fangen gelungen ſey. Das Volk hält ſie daher für verzaubert.
Wenn man aus der Dunkelheit wieder an die Stelle zurückkehrt, wo das Tageslicht ſchwach, wie in einen Schacht, hineinbricht, ſieht man Epheu und Schlingpflanzen in höchſt maleriſchen Feſtons und Guirlanden über die Felſen herabhängen. Hier hal- ten die wilden Tauben in großer Menge ihre Nacht- ruhe, wovon ſich die Benennung der Höhle herſchreibt. Der Aberglaube des Volks erlaubt keinem Jäger, ſie an dieſem Orte zu beunruhigen, weshalb ſie auch ohne Furcht ſind, wie in einem Taubenſchlage.
Aus dieſen düſtern Regionen, wo Alles beſchränkt und eingeſchloſſen iſt, wandelten wir nun dem weiten meerartigen See zu, wo Alles ſich ins Unendliche zu verlieren ſcheint. Die majeſtätiſche Waſſermaſſe des Corrib füllt ein Becken von zwölf deutſchen Meilen Länge und in der größten Ausdehnung drei deutſche Meilen Breite. Ein ſonderbares Zuſammentreffen iſt es zu nennen, daß der See gerade ſo viel Inſeln, als das Jahr Tage zählt, nämlich 365. So behaupten wenigſtens die Einwohner, gezählt habe ich ſie nicht. Auf zwei Seiten begränzt ihn das hohe Gebürge von Connamara, auf den andern verſchwimmen ſeine Ge- wäſſer faſt mit der Plaine. Die Einfahrt, den Ber-
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ſo weit wir konnten, und entdeckten zuweilen große
Forellen in dem eiskalten Waſſer, welche das Eigen-
thümliche haben ſollen, daß, welche Lockſpeiſe man
ihnen auch biete, doch noch nie ein Verſuch ſie zu
fangen gelungen ſey. Das Volk hält ſie daher für
verzaubert.
Wenn man aus der Dunkelheit wieder an die
Stelle zurückkehrt, wo das Tageslicht ſchwach, wie in
einen Schacht, hineinbricht, ſieht man Epheu und
Schlingpflanzen in höchſt maleriſchen Feſtons und
Guirlanden über die Felſen herabhängen. Hier hal-
ten die wilden Tauben in großer Menge ihre Nacht-
ruhe, wovon ſich die Benennung der Höhle herſchreibt.
Der Aberglaube des Volks erlaubt keinem Jäger, ſie
an dieſem Orte zu beunruhigen, weshalb ſie auch
ohne Furcht ſind, wie in einem Taubenſchlage.
Aus dieſen düſtern Regionen, wo Alles beſchränkt
und eingeſchloſſen iſt, wandelten wir nun dem weiten
meerartigen See zu, wo Alles ſich ins Unendliche zu
verlieren ſcheint. Die majeſtätiſche Waſſermaſſe des
Corrib füllt ein Becken von zwölf deutſchen Meilen
Länge und in der größten Ausdehnung drei deutſche
Meilen Breite. Ein ſonderbares Zuſammentreffen iſt
es zu nennen, daß der See gerade ſo viel Inſeln, als
das Jahr Tage zählt, nämlich 365. So behaupten
wenigſtens die Einwohner, gezählt habe ich ſie nicht.
Auf zwei Seiten begränzt ihn das hohe Gebürge von
Connamara, auf den andern verſchwimmen ſeine Ge-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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