Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

gend hinzu, und die Erbschaftssache habe ich meinen
Gemahl abmachen lassen.

Der Badeort Athenrye (die Quelle ist von der
Art wie Salzbrunnen in Schlesien) gehört auch zu
den Originalitäten Irlands. Ich habe Dir schon
gesagt, daß kein Dorf in Pohlen von elenderem An-
sehen gedacht werden kann. Dabei liegt der Hütten-
haufen auf einer ganz kahlen Anhöhe im Torfmoor,
ohne Baum und Strauch, ohne Gasthof, ohne
irgend eine Bequemlichkeit, nur von den zerlumpte-
sten Bettlern, außer den wenigen Badegästen, be-
wohnt, welche letztere Alles mitbringen was sie brau-
chen, und ihren Unterhalt bis auf die geringsten
Lebensmittel, fortwährend von dem 12 Meilen ent-
fernten Gallway herbeiholen lassen müssen. Einst
war es anders, und noch betrachtet man mit Weh-
muth am äußersten Ende des jammervollen Oert-
chens, die stolzen Ruinen einer bessern Zeit. Hier
stand eine reiche Abtei, jetzt mit Epheu durchwachsen,
und über den freiliegenden Altären und Grabsteinen
die Gewölbe eingestürzt, die einst das Heiligthum
schützten. Weiterhin sieht man noch die 10 Fuß
dicken Mauern des Schlosses König Johann's, der
seinen Gerichtshof hier hielt, wenn er nach Irland
herüber kam.

Ich besuchte diese Ruine in sehr zahlreicher Be-
gleitung. Ich sage nicht zu viel, wenn ich Dir ver-
sichere, daß aus der ganzen Gegend wenigstens über
200 halb nackte Individuen, zum Drittheil Kinder,

gend hinzu, und die Erbſchaftsſache habe ich meinen
Gemahl abmachen laſſen.

Der Badeort Athenrye (die Quelle iſt von der
Art wie Salzbrunnen in Schleſien) gehört auch zu
den Originalitäten Irlands. Ich habe Dir ſchon
geſagt, daß kein Dorf in Pohlen von elenderem An-
ſehen gedacht werden kann. Dabei liegt der Hütten-
haufen auf einer ganz kahlen Anhöhe im Torfmoor,
ohne Baum und Strauch, ohne Gaſthof, ohne
irgend eine Bequemlichkeit, nur von den zerlumpte-
ſten Bettlern, außer den wenigen Badegäſten, be-
wohnt, welche letztere Alles mitbringen was ſie brau-
chen, und ihren Unterhalt bis auf die geringſten
Lebensmittel, fortwährend von dem 12 Meilen ent-
fernten Gallway herbeiholen laſſen müſſen. Einſt
war es anders, und noch betrachtet man mit Weh-
muth am äußerſten Ende des jammervollen Oert-
chens, die ſtolzen Ruinen einer beſſern Zeit. Hier
ſtand eine reiche Abtei, jetzt mit Epheu durchwachſen,
und über den freiliegenden Altären und Grabſteinen
die Gewölbe eingeſtürzt, die einſt das Heiligthum
ſchützten. Weiterhin ſieht man noch die 10 Fuß
dicken Mauern des Schloſſes König Johann’s, der
ſeinen Gerichtshof hier hielt, wenn er nach Irland
herüber kam.

Ich beſuchte dieſe Ruine in ſehr zahlreicher Be-
gleitung. Ich ſage nicht zu viel, wenn ich Dir ver-
ſichere, daß aus der ganzen Gegend wenigſtens über
200 halb nackte Individuen, zum Drittheil Kinder,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0259" n="235"/>
gend hinzu, und die Erb&#x017F;chafts&#x017F;ache habe ich meinen<lb/>
Gemahl abmachen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Der Badeort Athenrye (die Quelle i&#x017F;t von der<lb/>
Art wie Salzbrunnen in Schle&#x017F;ien) gehört auch zu<lb/>
den Originalitäten Irlands. Ich habe Dir &#x017F;chon<lb/>
ge&#x017F;agt, daß kein Dorf in Pohlen von elenderem An-<lb/>
&#x017F;ehen gedacht werden kann. Dabei liegt der Hütten-<lb/>
haufen auf einer ganz kahlen Anhöhe im Torfmoor,<lb/>
ohne Baum und Strauch, ohne Ga&#x017F;thof, ohne<lb/>
irgend eine Bequemlichkeit, nur von den zerlumpte-<lb/>
&#x017F;ten Bettlern, außer den wenigen <choice><sic>Badega&#x0307;&#x017F;ten</sic><corr>Badegä&#x017F;ten</corr></choice>, be-<lb/>
wohnt, welche letztere Alles mitbringen was &#x017F;ie brau-<lb/>
chen, und ihren Unterhalt bis auf die gering&#x017F;ten<lb/>
Lebensmittel, fortwährend von dem 12 Meilen ent-<lb/>
fernten Gallway herbeiholen la&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en. Ein&#x017F;t<lb/>
war es anders, und noch betrachtet man mit Weh-<lb/>
muth am äußer&#x017F;ten Ende des jammervollen Oert-<lb/>
chens, die &#x017F;tolzen Ruinen einer be&#x017F;&#x017F;ern Zeit. Hier<lb/>
&#x017F;tand eine reiche Abtei, jetzt mit Epheu durchwach&#x017F;en,<lb/>
und über den freiliegenden Altären und Grab&#x017F;teinen<lb/>
die Gewölbe einge&#x017F;türzt, die ein&#x017F;t das Heiligthum<lb/>
&#x017F;chützten. Weiterhin &#x017F;ieht man noch die 10 Fuß<lb/>
dicken Mauern des Schlo&#x017F;&#x017F;es König Johann&#x2019;s, der<lb/>
&#x017F;einen Gerichtshof hier hielt, wenn er nach Irland<lb/>
herüber kam.</p><lb/>
          <p>Ich be&#x017F;uchte die&#x017F;e Ruine in &#x017F;ehr zahlreicher Be-<lb/>
gleitung. Ich &#x017F;age nicht zu viel, wenn ich Dir ver-<lb/>
&#x017F;ichere, daß aus der ganzen Gegend wenig&#x017F;tens über<lb/>
200 halb nackte Individuen, zum Drittheil Kinder,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0259] gend hinzu, und die Erbſchaftsſache habe ich meinen Gemahl abmachen laſſen. Der Badeort Athenrye (die Quelle iſt von der Art wie Salzbrunnen in Schleſien) gehört auch zu den Originalitäten Irlands. Ich habe Dir ſchon geſagt, daß kein Dorf in Pohlen von elenderem An- ſehen gedacht werden kann. Dabei liegt der Hütten- haufen auf einer ganz kahlen Anhöhe im Torfmoor, ohne Baum und Strauch, ohne Gaſthof, ohne irgend eine Bequemlichkeit, nur von den zerlumpte- ſten Bettlern, außer den wenigen Badegäſten, be- wohnt, welche letztere Alles mitbringen was ſie brau- chen, und ihren Unterhalt bis auf die geringſten Lebensmittel, fortwährend von dem 12 Meilen ent- fernten Gallway herbeiholen laſſen müſſen. Einſt war es anders, und noch betrachtet man mit Weh- muth am äußerſten Ende des jammervollen Oert- chens, die ſtolzen Ruinen einer beſſern Zeit. Hier ſtand eine reiche Abtei, jetzt mit Epheu durchwachſen, und über den freiliegenden Altären und Grabſteinen die Gewölbe eingeſtürzt, die einſt das Heiligthum ſchützten. Weiterhin ſieht man noch die 10 Fuß dicken Mauern des Schloſſes König Johann’s, der ſeinen Gerichtshof hier hielt, wenn er nach Irland herüber kam. Ich beſuchte dieſe Ruine in ſehr zahlreicher Be- gleitung. Ich ſage nicht zu viel, wenn ich Dir ver- ſichere, daß aus der ganzen Gegend wenigſtens über 200 halb nackte Individuen, zum Drittheil Kinder,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/259
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/259>, abgerufen am 22.11.2024.