Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.zu bereichern? *) Dann freilich -- kann deine Reli- Von hier bis Bray prunkt eine üppige Cultur, *) Das ist keineswegs Uebertreibung, ich habe hier Acten-
kundige Dinge vernommen, und Elend gesehen, das nie während der Leibeigenschaft in Deutschland erhört wor- den ist, und in den Ländern der Sclaverei kaum seines Gleichen finden möchte. A. d. H. zu bereichern? *) Dann freilich — kann deine Reli- Von hier bis Bray prunkt eine üppige Cultur, *) Das iſt keineswegs Uebertreibung, ich habe hier Acten-
kundige Dinge vernommen, und Elend geſehen, das nie während der Leibeigenſchaft in Deutſchland erhört wor- den iſt, und in den Ländern der Sclaverei kaum ſeines Gleichen finden möchte. A. d. H. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0221" n="197"/> zu bereichern? <note place="foot" n="*)">Das iſt keineswegs Uebertreibung, ich habe hier Acten-<lb/> kundige Dinge vernommen, und Elend geſehen, das nie<lb/> während der Leibeigenſchaft in Deutſchland erhört wor-<lb/> den iſt, und in den Ländern der Sclaverei kaum ſeines<lb/> Gleichen finden möchte.<lb/><hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note> Dann freilich — kann deine Reli-<lb/> gion nicht weiter gehn, als den Sonntag und die<lb/> Ceremonieen deiner Prieſter heilig zu halten.</p><lb/> <p>Von hier bis Bray prunkt eine üppige Cultur,<lb/> voller Landhäuſer und Gärten der reichen Städter.<lb/> Der Weg führt nahe am Fuß des großen Sugar<lb/> Loaf’s vorbei, deſſen weißgrauer, nackter Felſenkegel<lb/> von aller Vegetation entblößt iſt. Ich ſah einige<lb/> Reiſende, die ihn eben erſtiegen hatten, wie Schach-<lb/> figuren, darauf umher ſpazieren, und beneidete ſie um<lb/> die erhabne Ausſicht, denn der Tag war herrlich,<lb/> und der Himmel völlig klar geworden. An einer ein-<lb/> ſamen Stelle lagerte ich mich gegen Abend, unter<lb/> Feldblumen am Bache hin, und träumte, Gott dan-<lb/> kend, in die ſchöne Welt hinein; wie ein fahrender<lb/> Ritter mein zahmes Thier neben mir graſen laſſend.<lb/> Ich dachte viel an Dich und vergangene Zeiten, ließ<lb/> Lebende herankommen und Todte auferſtehen, und<lb/> blickte, wie ein Spiegel, über das geſchwundene Le-<lb/> ben hin — manchmal wehmüthig, manchmal auch<lb/> heiter lächelnd — denn durch alle Thorheiten und<lb/> Eitelkeiten dieſer Welt, durch Irrthum und Fehler<lb/> zog ſich doch <hi rendition="#g">ein</hi> reiner Silberſaden hin, noch ſtark<lb/> genug für lange auszuhalten — kindlich liebendes Ge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0221]
zu bereichern? *) Dann freilich — kann deine Reli-
gion nicht weiter gehn, als den Sonntag und die
Ceremonieen deiner Prieſter heilig zu halten.
Von hier bis Bray prunkt eine üppige Cultur,
voller Landhäuſer und Gärten der reichen Städter.
Der Weg führt nahe am Fuß des großen Sugar
Loaf’s vorbei, deſſen weißgrauer, nackter Felſenkegel
von aller Vegetation entblößt iſt. Ich ſah einige
Reiſende, die ihn eben erſtiegen hatten, wie Schach-
figuren, darauf umher ſpazieren, und beneidete ſie um
die erhabne Ausſicht, denn der Tag war herrlich,
und der Himmel völlig klar geworden. An einer ein-
ſamen Stelle lagerte ich mich gegen Abend, unter
Feldblumen am Bache hin, und träumte, Gott dan-
kend, in die ſchöne Welt hinein; wie ein fahrender
Ritter mein zahmes Thier neben mir graſen laſſend.
Ich dachte viel an Dich und vergangene Zeiten, ließ
Lebende herankommen und Todte auferſtehen, und
blickte, wie ein Spiegel, über das geſchwundene Le-
ben hin — manchmal wehmüthig, manchmal auch
heiter lächelnd — denn durch alle Thorheiten und
Eitelkeiten dieſer Welt, durch Irrthum und Fehler
zog ſich doch ein reiner Silberſaden hin, noch ſtark
genug für lange auszuhalten — kindlich liebendes Ge-
*) Das iſt keineswegs Uebertreibung, ich habe hier Acten-
kundige Dinge vernommen, und Elend geſehen, das nie
während der Leibeigenſchaft in Deutſchland erhört wor-
den iſt, und in den Ländern der Sclaverei kaum ſeines
Gleichen finden möchte.
A. d. H.
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