Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

unermeßliche Ocean alle Geheimnisse seiner nie ergrün-
deten Tiefe mit schäumenden Wasserbergen zu. Die
Küste endet für das Auge in geringer Ferne mit ei-
nem kühnen Felsenvorsprung, auf dem die Ruine
des alten Schlosses Harlech mit fünf verfallenen
Thürmen über die Fluthen hinaushängt. Vorn, am
Ende des Dammes, öffnet sich dagegen ein freundlich
stilles Thal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem
kleinen aber belebten Hafen, neben welchem Trema-
doc sich an die Felsen schmiegt.

Uebrigens würdest Du, Herzens-Julie, Dich schwer-
lich entschließen können, über diesen Damm zu fah-
ren, da seine Beschaffenheit sich eigentlich nur für
Fußgänger eignet. Er ist, wie schon erwähnt, 20
Fuß hoch aus roh übereinander gethürmten, spitzen
und kantigen Schieferblöcken steil aufgeführt, und
oben nur 4 Ellen breit, ohne irgend etwas das einer
Lehne ähnlich sähe. Mit Wuth stürmt auf der einen
Seite die Brandung gegen ihn, und scheuten davor
die Pferde, so stürzte man ohnfehlbar in die gleich
Piken aufgerichteten Schieferspitzen. Die Bergpferde
allein können solche Pfade sicher passiren, da sie die
Gefahr zu beurtheilen scheinen, und mit ihr vertraut
sind. Demohngeachtet sieht man hier selten einen
Wagen; nur eine Eisenbahn für Steinkarren führt
über den Damm, welche das Fahren mit anderm
Fuhrwerk noch bedeutend erschwert.

Tremadoc selbst steht auf früher durch eine gleiche
Operation gewonnenem Meeresgrund. Es ist auffal-
lend, wie ähnlich dieser, erst seit einigen Jahrhunder-

unermeßliche Ocean alle Geheimniſſe ſeiner nie ergrün-
deten Tiefe mit ſchäumenden Waſſerbergen zu. Die
Küſte endet für das Auge in geringer Ferne mit ei-
nem kühnen Felſenvorſprung, auf dem die Ruine
des alten Schloſſes Harlech mit fünf verfallenen
Thürmen über die Fluthen hinaushängt. Vorn, am
Ende des Dammes, öffnet ſich dagegen ein freundlich
ſtilles Thal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem
kleinen aber belebten Hafen, neben welchem Trema-
doc ſich an die Felſen ſchmiegt.

Uebrigens würdeſt Du, Herzens-Julie, Dich ſchwer-
lich entſchließen können, über dieſen Damm zu fah-
ren, da ſeine Beſchaffenheit ſich eigentlich nur für
Fußgänger eignet. Er iſt, wie ſchon erwähnt, 20
Fuß hoch aus roh übereinander gethürmten, ſpitzen
und kantigen Schieferblöcken ſteil aufgeführt, und
oben nur 4 Ellen breit, ohne irgend etwas das einer
Lehne ähnlich ſähe. Mit Wuth ſtürmt auf der einen
Seite die Brandung gegen ihn, und ſcheuten davor
die Pferde, ſo ſtürzte man ohnfehlbar in die gleich
Piken aufgerichteten Schieferſpitzen. Die Bergpferde
allein können ſolche Pfade ſicher paſſiren, da ſie die
Gefahr zu beurtheilen ſcheinen, und mit ihr vertraut
ſind. Demohngeachtet ſieht man hier ſelten einen
Wagen; nur eine Eiſenbahn für Steinkarren führt
über den Damm, welche das Fahren mit anderm
Fuhrwerk noch bedeutend erſchwert.

Tremadoc ſelbſt ſteht auf früher durch eine gleiche
Operation gewonnenem Meeresgrund. Es iſt auffal-
lend, wie ähnlich dieſer, erſt ſeit einigen Jahrhunder-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="125"/>
unermeßliche Ocean alle Geheimni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einer nie ergrün-<lb/>
deten Tiefe mit &#x017F;chäumenden Wa&#x017F;&#x017F;erbergen zu. Die<lb/>&#x017F;te endet für das Auge in geringer Ferne mit ei-<lb/>
nem kühnen Fel&#x017F;envor&#x017F;prung, auf dem die Ruine<lb/>
des alten Schlo&#x017F;&#x017F;es Harlech mit fünf verfallenen<lb/>
Thürmen über die Fluthen hinaushängt. Vorn, am<lb/>
Ende des Dammes, öffnet &#x017F;ich dagegen ein freundlich<lb/>
&#x017F;tilles Thal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem<lb/>
kleinen aber belebten Hafen, neben welchem Trema-<lb/>
doc &#x017F;ich an die Fel&#x017F;en &#x017F;chmiegt.</p><lb/>
          <p>Uebrigens würde&#x017F;t Du, Herzens-<hi rendition="#aq">Julie,</hi> Dich &#x017F;chwer-<lb/>
lich ent&#x017F;chließen können, über die&#x017F;en Damm zu fah-<lb/>
ren, da &#x017F;eine Be&#x017F;chaffenheit &#x017F;ich eigentlich nur für<lb/>
Fußgänger eignet. Er i&#x017F;t, wie &#x017F;chon erwähnt, 20<lb/>
Fuß hoch aus roh übereinander gethürmten, &#x017F;pitzen<lb/>
und kantigen Schieferblöcken &#x017F;teil aufgeführt, und<lb/>
oben nur 4 Ellen breit, ohne irgend etwas das einer<lb/>
Lehne ähnlich &#x017F;ähe. Mit Wuth &#x017F;türmt auf der einen<lb/>
Seite die Brandung gegen ihn, und &#x017F;cheuten davor<lb/>
die Pferde, &#x017F;o &#x017F;türzte man ohnfehlbar in die gleich<lb/>
Piken aufgerichteten Schiefer&#x017F;pitzen. Die Bergpferde<lb/>
allein können &#x017F;olche Pfade &#x017F;icher pa&#x017F;&#x017F;iren, da &#x017F;ie die<lb/>
Gefahr zu beurtheilen &#x017F;cheinen, und mit ihr vertraut<lb/>
&#x017F;ind. Demohngeachtet &#x017F;ieht man hier &#x017F;elten einen<lb/>
Wagen; nur eine Ei&#x017F;enbahn für Steinkarren führt<lb/>
über den Damm, welche das Fahren mit anderm<lb/>
Fuhrwerk noch bedeutend er&#x017F;chwert.</p><lb/>
          <p>Tremadoc &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;teht auf früher durch eine gleiche<lb/>
Operation gewonnenem Meeresgrund. Es i&#x017F;t auffal-<lb/>
lend, wie <choice><sic>a&#x0307;hnlich</sic><corr>ähnlich</corr></choice> die&#x017F;er, er&#x017F;t &#x017F;eit einigen Jahrhunder-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0149] unermeßliche Ocean alle Geheimniſſe ſeiner nie ergrün- deten Tiefe mit ſchäumenden Waſſerbergen zu. Die Küſte endet für das Auge in geringer Ferne mit ei- nem kühnen Felſenvorſprung, auf dem die Ruine des alten Schloſſes Harlech mit fünf verfallenen Thürmen über die Fluthen hinaushängt. Vorn, am Ende des Dammes, öffnet ſich dagegen ein freundlich ſtilles Thal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem kleinen aber belebten Hafen, neben welchem Trema- doc ſich an die Felſen ſchmiegt. Uebrigens würdeſt Du, Herzens-Julie, Dich ſchwer- lich entſchließen können, über dieſen Damm zu fah- ren, da ſeine Beſchaffenheit ſich eigentlich nur für Fußgänger eignet. Er iſt, wie ſchon erwähnt, 20 Fuß hoch aus roh übereinander gethürmten, ſpitzen und kantigen Schieferblöcken ſteil aufgeführt, und oben nur 4 Ellen breit, ohne irgend etwas das einer Lehne ähnlich ſähe. Mit Wuth ſtürmt auf der einen Seite die Brandung gegen ihn, und ſcheuten davor die Pferde, ſo ſtürzte man ohnfehlbar in die gleich Piken aufgerichteten Schieferſpitzen. Die Bergpferde allein können ſolche Pfade ſicher paſſiren, da ſie die Gefahr zu beurtheilen ſcheinen, und mit ihr vertraut ſind. Demohngeachtet ſieht man hier ſelten einen Wagen; nur eine Eiſenbahn für Steinkarren führt über den Damm, welche das Fahren mit anderm Fuhrwerk noch bedeutend erſchwert. Tremadoc ſelbſt ſteht auf früher durch eine gleiche Operation gewonnenem Meeresgrund. Es iſt auffal- lend, wie ähnlich dieſer, erſt ſeit einigen Jahrhunder-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/149
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/149>, abgerufen am 27.04.2024.