Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Insel Mann, und das am Horizont dämmernde Ir-
land. Gleich hinter dem Sumpf erwartete uns wie-
der ganz andrer Boden, nämlich eine vielfach ge-
furchte, schräg liegende, compacte Steinwand, an
der wir mit Füßen und Händen herankriechen muß-
ten. Die Sonne war schon hinter einen seitwärts
stehenden hohen Berg gesunken, und röthete jetzt die
ganze wilde Gegend, wie die Wand an der wir hin-
gen, mit dunkelrother feuriger Gluth, einer der
wunderbarsten Effecte, die ich je vom Sonnenlicht
gesehen. Es glich einer Theaterdekoration der Hölle.
Jetzt ging es noch durch einen angeschwollnen Berg-
strom, über den eingestürzte Blöcke eine natürliche
Brücke geformt hatten, und dann abermals an nack-
ten Felsen, ohne alle Beimischung von Erde, hinan,
bis wir endlich den hohen Kamm erreichten, der so
lange vor uns gestanden, und wo ich das Ende al-
ler Beschwerlichkeit erwartete. Ich war daher nicht
wenig betreten, als ich von neuen eine andere berg-
tiefe Schlucht vor mir sah, in die wir erst hinab,
und dann wieder hinauf mußten, denn auf der, den
kürzeren Weg zeigenden, halbmondförmigen Kante
des Kammes, hätte kein menschlicher Fuß lange haf-
ten können. Wir hatten nun die frühere Aussicht
nach dem Meere hin ganz verloren, und sahen da-
gegen landeinwärts, wo das Gebürge von Wales in
seiner ganzen Breite, Gipfel an Gipfel sich reihend, vor
uns lag -- einsam, schweigend und gewaltig! Das
sterile Thal unter uns war mit nichts als umherge-
schleuderten Riesensteinen angefüllt, und wahrlich:

Inſel Mann, und das am Horizont dämmernde Ir-
land. Gleich hinter dem Sumpf erwartete uns wie-
der ganz andrer Boden, nämlich eine vielfach ge-
furchte, ſchräg liegende, compacte Steinwand, an
der wir mit Füßen und Händen herankriechen muß-
ten. Die Sonne war ſchon hinter einen ſeitwärts
ſtehenden hohen Berg geſunken, und röthete jetzt die
ganze wilde Gegend, wie die Wand an der wir hin-
gen, mit dunkelrother feuriger Gluth, einer der
wunderbarſten Effecte, die ich je vom Sonnenlicht
geſehen. Es glich einer Theaterdekoration der Hölle.
Jetzt ging es noch durch einen angeſchwollnen Berg-
ſtrom, über den eingeſtürzte Blöcke eine natürliche
Brücke geformt hatten, und dann abermals an nack-
ten Felſen, ohne alle Beimiſchung von Erde, hinan,
bis wir endlich den hohen Kamm erreichten, der ſo
lange vor uns geſtanden, und wo ich das Ende al-
ler Beſchwerlichkeit erwartete. Ich war daher nicht
wenig betreten, als ich von neuen eine andere berg-
tiefe Schlucht vor mir ſah, in die wir erſt hinab,
und dann wieder hinauf mußten, denn auf der, den
kürzeren Weg zeigenden, halbmondförmigen Kante
des Kammes, hätte kein menſchlicher Fuß lange haf-
ten können. Wir hatten nun die frühere Ausſicht
nach dem Meere hin ganz verloren, und ſahen da-
gegen landeinwärts, wo das Gebürge von Wales in
ſeiner ganzen Breite, Gipfel an Gipfel ſich reihend, vor
uns lag — einſam, ſchweigend und gewaltig! Das
ſterile Thal unter uns war mit nichts als umherge-
ſchleuderten Rieſenſteinen angefüllt, und wahrlich:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="110"/>
In&#x017F;el Mann, und das am Horizont dämmernde Ir-<lb/>
land. Gleich hinter dem Sumpf erwartete uns wie-<lb/>
der ganz andrer Boden, nämlich eine vielfach ge-<lb/>
furchte, &#x017F;chräg liegende, compacte Steinwand, an<lb/>
der wir mit Füßen und <choice><sic>Ha&#x0307;nden</sic><corr>Händen</corr></choice> herankriechen muß-<lb/>
ten. Die Sonne war &#x017F;chon hinter einen &#x017F;eitwärts<lb/>
&#x017F;tehenden hohen Berg ge&#x017F;unken, und röthete jetzt die<lb/>
ganze wilde Gegend, wie die Wand an der wir hin-<lb/>
gen, mit dunkelrother feuriger Gluth, einer der<lb/>
wunderbar&#x017F;ten Effecte, die ich je vom Sonnenlicht<lb/>
ge&#x017F;ehen. Es glich einer Theaterdekoration der Hölle.<lb/>
Jetzt ging es noch durch einen ange&#x017F;chwollnen Berg-<lb/>
&#x017F;trom, über den einge&#x017F;türzte Blöcke eine natürliche<lb/>
Brücke geformt hatten, und dann abermals an nack-<lb/>
ten Fel&#x017F;en, ohne alle Beimi&#x017F;chung von Erde, hinan,<lb/>
bis wir endlich den hohen Kamm erreichten, der &#x017F;o<lb/>
lange vor uns ge&#x017F;tanden, und wo ich das Ende al-<lb/>
ler Be&#x017F;chwerlichkeit erwartete. Ich war daher nicht<lb/>
wenig betreten, als ich von neuen eine andere berg-<lb/>
tiefe Schlucht vor mir &#x017F;ah, in die wir er&#x017F;t hinab,<lb/>
und dann wieder hinauf mußten, denn auf der, den<lb/>
kürzeren Weg zeigenden, halbmondförmigen Kante<lb/>
des Kammes, hätte kein men&#x017F;chlicher Fuß lange haf-<lb/>
ten können. Wir hatten nun die frühere Aus&#x017F;icht<lb/>
nach dem Meere hin ganz verloren, und &#x017F;ahen da-<lb/>
gegen landeinwärts, wo das Gebürge von Wales in<lb/>
&#x017F;einer ganzen Breite, Gipfel an Gipfel &#x017F;ich reihend, vor<lb/>
uns lag &#x2014; ein&#x017F;am, &#x017F;chweigend und gewaltig! Das<lb/>
&#x017F;terile Thal unter uns war mit nichts als umherge-<lb/>
&#x017F;chleuderten Rie&#x017F;en&#x017F;teinen angefüllt, und wahrlich:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0134] Inſel Mann, und das am Horizont dämmernde Ir- land. Gleich hinter dem Sumpf erwartete uns wie- der ganz andrer Boden, nämlich eine vielfach ge- furchte, ſchräg liegende, compacte Steinwand, an der wir mit Füßen und Händen herankriechen muß- ten. Die Sonne war ſchon hinter einen ſeitwärts ſtehenden hohen Berg geſunken, und röthete jetzt die ganze wilde Gegend, wie die Wand an der wir hin- gen, mit dunkelrother feuriger Gluth, einer der wunderbarſten Effecte, die ich je vom Sonnenlicht geſehen. Es glich einer Theaterdekoration der Hölle. Jetzt ging es noch durch einen angeſchwollnen Berg- ſtrom, über den eingeſtürzte Blöcke eine natürliche Brücke geformt hatten, und dann abermals an nack- ten Felſen, ohne alle Beimiſchung von Erde, hinan, bis wir endlich den hohen Kamm erreichten, der ſo lange vor uns geſtanden, und wo ich das Ende al- ler Beſchwerlichkeit erwartete. Ich war daher nicht wenig betreten, als ich von neuen eine andere berg- tiefe Schlucht vor mir ſah, in die wir erſt hinab, und dann wieder hinauf mußten, denn auf der, den kürzeren Weg zeigenden, halbmondförmigen Kante des Kammes, hätte kein menſchlicher Fuß lange haf- ten können. Wir hatten nun die frühere Ausſicht nach dem Meere hin ganz verloren, und ſahen da- gegen landeinwärts, wo das Gebürge von Wales in ſeiner ganzen Breite, Gipfel an Gipfel ſich reihend, vor uns lag — einſam, ſchweigend und gewaltig! Das ſterile Thal unter uns war mit nichts als umherge- ſchleuderten Rieſenſteinen angefüllt, und wahrlich:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/134
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/134>, abgerufen am 22.11.2024.