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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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gefährlich; auf weiteres Dringen äußerte er jedoch,
wenn ich ihm rüstig folgen könne, so glaube er, daß
wir, bei dem zu erwartenden Mondscheine, wohl in
zwei Stunden den Weg zurücklegen könnten, es gäbe
aber sehr mißliche Oerter zu passiren. Ich hatte auf
dem Snowdon meine Kraft zu gut wieder kennen
gelernt, um mich davor zu fürchten, machte daher
alles richtig, und befahl nur zur Vorsicht dem Po-
stillon, eine Stunde auf mich zu warten, im Fall
ich doch unverrichteter Sache zurückkehren müßte,
und dann erst weiter auf der Landstraße nach Capel
Cerrig zu fahren.

Wir mußten nun gleich von Anfang an sehr steil,
über sumpfigen Boden und zwischen enormen, ein-
zeln zerstreuten Felsenblöcken, aufwärts klettern.
Es mochte ohngefähr halb acht Uhr seyn. Von ir-
gend einem gebahnten Fußwege war keine Spur,
der Trivaen erhob seine grotesken Gipfel, wie eine
crenelirte Mauer, vor uns, und nirgends war ab-
zusehen, wie wir da hinüber kommen sollten. Hier
thaten uns indeß die Bergschnucken wahre Liebes-
dienste, denn sie zeigten, vor uns klimmend, dem
selbst oft ungewissen Führer, häufig die gangbarsten
Stellen an. Nach einer Viertelstunde sehr ermüden-
den Steigens, mit manchem schwindelnden Blick in
die Tiefe, wogegen man aber bald gleichgültig wird,
kamen wir auf ein kleines, nur aus einem Sumpfe
bestehendes, plateau, wodurch wir, bis an die
Kniee in den weichen Mohr sinkend, waden mußten.
Hier war eine schöne Aussicht auf das Meer, die

gefährlich; auf weiteres Dringen äußerte er jedoch,
wenn ich ihm rüſtig folgen könne, ſo glaube er, daß
wir, bei dem zu erwartenden Mondſcheine, wohl in
zwei Stunden den Weg zurücklegen könnten, es gäbe
aber ſehr mißliche Oerter zu paſſiren. Ich hatte auf
dem Snowdon meine Kraft zu gut wieder kennen
gelernt, um mich davor zu fürchten, machte daher
alles richtig, und befahl nur zur Vorſicht dem Po-
ſtillon, eine Stunde auf mich zu warten, im Fall
ich doch unverrichteter Sache zurückkehren müßte,
und dann erſt weiter auf der Landſtraße nach Capel
Cerrig zu fahren.

Wir mußten nun gleich von Anfang an ſehr ſteil,
über ſumpfigen Boden und zwiſchen enormen, ein-
zeln zerſtreuten Felſenblöcken, aufwärts klettern.
Es mochte ohngefähr halb acht Uhr ſeyn. Von ir-
gend einem gebahnten Fußwege war keine Spur,
der Trivaen erhob ſeine grotesken Gipfel, wie eine
crenelirte Mauer, vor uns, und nirgends war ab-
zuſehen, wie wir da hinüber kommen ſollten. Hier
thaten uns indeß die Bergſchnucken wahre Liebes-
dienſte, denn ſie zeigten, vor uns klimmend, dem
ſelbſt oft ungewiſſen Führer, häufig die gangbarſten
Stellen an. Nach einer Viertelſtunde ſehr ermüden-
den Steigens, mit manchem ſchwindelnden Blick in
die Tiefe, wogegen man aber bald gleichgültig wird,
kamen wir auf ein kleines, nur aus einem Sumpfe
beſtehendes, plateau, wodurch wir, bis an die
Kniee in den weichen Mohr ſinkend, waden mußten.
Hier war eine ſchöne Ausſicht auf das Meer, die

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[109/0133] gefährlich; auf weiteres Dringen äußerte er jedoch, wenn ich ihm rüſtig folgen könne, ſo glaube er, daß wir, bei dem zu erwartenden Mondſcheine, wohl in zwei Stunden den Weg zurücklegen könnten, es gäbe aber ſehr mißliche Oerter zu paſſiren. Ich hatte auf dem Snowdon meine Kraft zu gut wieder kennen gelernt, um mich davor zu fürchten, machte daher alles richtig, und befahl nur zur Vorſicht dem Po- ſtillon, eine Stunde auf mich zu warten, im Fall ich doch unverrichteter Sache zurückkehren müßte, und dann erſt weiter auf der Landſtraße nach Capel Cerrig zu fahren. Wir mußten nun gleich von Anfang an ſehr ſteil, über ſumpfigen Boden und zwiſchen enormen, ein- zeln zerſtreuten Felſenblöcken, aufwärts klettern. Es mochte ohngefähr halb acht Uhr ſeyn. Von ir- gend einem gebahnten Fußwege war keine Spur, der Trivaen erhob ſeine grotesken Gipfel, wie eine crenelirte Mauer, vor uns, und nirgends war ab- zuſehen, wie wir da hinüber kommen ſollten. Hier thaten uns indeß die Bergſchnucken wahre Liebes- dienſte, denn ſie zeigten, vor uns klimmend, dem ſelbſt oft ungewiſſen Führer, häufig die gangbarſten Stellen an. Nach einer Viertelſtunde ſehr ermüden- den Steigens, mit manchem ſchwindelnden Blick in die Tiefe, wogegen man aber bald gleichgültig wird, kamen wir auf ein kleines, nur aus einem Sumpfe beſtehendes, plateau, wodurch wir, bis an die Kniee in den weichen Mohr ſinkend, waden mußten. Hier war eine ſchöne Ausſicht auf das Meer, die

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/133>, abgerufen am 27.04.2024.