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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

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gezeigt wird, daß vor der Ehe keine Vertrau-
lichkeit zwischen ihnen statt finden müsse. So-
bald alles dieses geschehen ist, lesen die Brami-
nen ein gewisses Formuler ab, worinn sie dem
Manne befehlen, seinem Weibe das Nöthigste
zu geben, und das Weib ermahnen, sich dem
Eheherrn nicht untreu zu beweisen. Und wenn
die Priester ihren Segen über das neue Ehe-
paar gesagt haben, so wird das Band und das
Tuch weggenommen, womit zugleich die ganze
Cerimonie geendigt ist.

In dem Ehestande sind auch gewisse Vor-
schriften zu beobachten, wodurch man die Stäm-
me von einander unterscheiden kann. -- Kein
Weib darf sich zum zweytenmale verheyrathen,
wenn sie nicht aus dem Stamme der Hand-
werksleute ist. -- Die Männer aus allen
Stämmen, nur die Braminen ausgenommen,
dürfen sich zum zweytenmale verheyrathen. --
Niemand darf aus seinem Stamme heyra-
then. -- Die Taufhandlung oder die Be-
nennung ihrer Kinder ist unter den Braminen
ganz anders, als unter den andern Stämmen.
Die letztern werden blos im Wasser abgewa-
schen, einer von den Anverwandten hält die Spitze
einer Feder an des Kindes Stirn und betet:
daß Gott gute Dinge hineinschreiben möchte.
Die übrigen Anwesenden sagen dazu "Amen"
und geben dem Kinde seinen Namen. Zuletzt
macht ein Bramin ein Zeichen mit rother Farbe
an die Sti[r]ne des Kindes, wodurch sie zu er-

kennen

gezeigt wird, daß vor der Ehe keine Vertrau-
lichkeit zwiſchen ihnen ſtatt finden muͤſſe. So-
bald alles dieſes geſchehen iſt, leſen die Brami-
nen ein gewiſſes Formuler ab, worinn ſie dem
Manne befehlen, ſeinem Weibe das Noͤthigſte
zu geben, und das Weib ermahnen, ſich dem
Eheherrn nicht untreu zu beweiſen. Und wenn
die Prieſter ihren Segen uͤber das neue Ehe-
paar geſagt haben, ſo wird das Band und das
Tuch weggenommen, womit zugleich die ganze
Cerimonie geendigt iſt.

In dem Eheſtande ſind auch gewiſſe Vor-
ſchriften zu beobachten, wodurch man die Staͤm-
me von einander unterſcheiden kann. — Kein
Weib darf ſich zum zweytenmale verheyrathen,
wenn ſie nicht aus dem Stamme der Hand-
werksleute iſt. — Die Maͤnner aus allen
Staͤmmen, nur die Braminen ausgenommen,
duͤrfen ſich zum zweytenmale verheyrathen. —
Niemand darf aus ſeinem Stamme heyra-
then. — Die Taufhandlung oder die Be-
nennung ihrer Kinder iſt unter den Braminen
ganz anders, als unter den andern Staͤmmen.
Die letztern werden blos im Waſſer abgewa-
ſchen, einer von den Anverwandten haͤlt die Spitze
einer Feder an des Kindes Stirn und betet:
daß Gott gute Dinge hineinſchreiben moͤchte.
Die uͤbrigen Anweſenden ſagen dazu „Amen„
und geben dem Kinde ſeinen Namen. Zuletzt
macht ein Bramin ein Zeichen mit rother Farbe
an die Sti[r]ne des Kindes, wodurch ſie zu er-

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[388/0414] gezeigt wird, daß vor der Ehe keine Vertrau- lichkeit zwiſchen ihnen ſtatt finden muͤſſe. So- bald alles dieſes geſchehen iſt, leſen die Brami- nen ein gewiſſes Formuler ab, worinn ſie dem Manne befehlen, ſeinem Weibe das Noͤthigſte zu geben, und das Weib ermahnen, ſich dem Eheherrn nicht untreu zu beweiſen. Und wenn die Prieſter ihren Segen uͤber das neue Ehe- paar geſagt haben, ſo wird das Band und das Tuch weggenommen, womit zugleich die ganze Cerimonie geendigt iſt. In dem Eheſtande ſind auch gewiſſe Vor- ſchriften zu beobachten, wodurch man die Staͤm- me von einander unterſcheiden kann. — Kein Weib darf ſich zum zweytenmale verheyrathen, wenn ſie nicht aus dem Stamme der Hand- werksleute iſt. — Die Maͤnner aus allen Staͤmmen, nur die Braminen ausgenommen, duͤrfen ſich zum zweytenmale verheyrathen. — Niemand darf aus ſeinem Stamme heyra- then. — Die Taufhandlung oder die Be- nennung ihrer Kinder iſt unter den Braminen ganz anders, als unter den andern Staͤmmen. Die letztern werden blos im Waſſer abgewa- ſchen, einer von den Anverwandten haͤlt die Spitze einer Feder an des Kindes Stirn und betet: daß Gott gute Dinge hineinſchreiben moͤchte. Die uͤbrigen Anweſenden ſagen dazu „Amen„ und geben dem Kinde ſeinen Namen. Zuletzt macht ein Bramin ein Zeichen mit rother Farbe an die Stirne des Kindes, wodurch ſie zu er- kennen

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/414>, abgerufen am 25.11.2024.