Die Siamer können, vermöge ihres guten natürlichen Verstandes sehr leicht begreifen, daß das Gute müsse belohnt, und das Böse bestraft werden. Daher nehmen sie an, daß diejeni- gen, welche sich guter Handlung beflissen haben, in das Paradies, daß sie in den allerhöchsten Himmel setzen, kommen; daß hingegen die Gottlosen an den traurigen Ort der Hölle, wel- che sie in den Mittelpunkt der Erde setzen gelan- gen werden. Nur kommt es den Siamern un- begreiflich vor, daß sowohl das eine als das andere ewig dauren werde. Sie theilen die Hölle in acht Wohnungen, d. i. in acht Grade der Pein, so wie den Himmel in acht Grade der Seligkeit. Sie sagen, daß in den abscheu- lichen Auffenthalt der Hölle Richter wären, welche über alle Sünden der Menschen eine ge- naue Liste führten, und diese in ein besonderes Buch schrieben, daß sich ihr Oberhaupt bestän- dig mit Durchlesung dieses Buchs beschäftigte, und daß die Personen, deren Namen er läse, in eben dem Augenblicke niesten. Daher kommt die Gewohnheit unter ihnen, allen, welche nie- sen, ein langes Leben zu wünschen.
Von dem Ursprung des Bösen und Guten, haben sie ein besonderes Lehrsystem, das ihnen zur Erklärung ihrer Geheimnisse dient. -- Sie behaupten alles Glück und Unglück, das einem Menschen begegne, sey die Wirkung seiner
guten
und Sommonokhodon wird alsdann vergeſſen werden.
Die Siamer koͤnnen, vermoͤge ihres guten natuͤrlichen Verſtandes ſehr leicht begreifen, daß das Gute muͤſſe belohnt, und das Boͤſe beſtraft werden. Daher nehmen ſie an, daß diejeni- gen, welche ſich guter Handlung befliſſen haben, in das Paradies, daß ſie in den allerhoͤchſten Himmel ſetzen, kommen; daß hingegen die Gottloſen an den traurigen Ort der Hoͤlle, wel- che ſie in den Mittelpunkt der Erde ſetzen gelan- gen werden. Nur kommt es den Siamern un- begreiflich vor, daß ſowohl das eine als das andere ewig dauren werde. Sie theilen die Hoͤlle in acht Wohnungen, d. i. in acht Grade der Pein, ſo wie den Himmel in acht Grade der Seligkeit. Sie ſagen, daß in den abſcheu- lichen Auffenthalt der Hoͤlle Richter waͤren, welche uͤber alle Suͤnden der Menſchen eine ge- naue Liſte fuͤhrten, und dieſe in ein beſonderes Buch ſchrieben, daß ſich ihr Oberhaupt beſtaͤn- dig mit Durchleſung dieſes Buchs beſchaͤftigte, und daß die Perſonen, deren Namen er laͤſe, in eben dem Augenblicke nieſten. Daher kommt die Gewohnheit unter ihnen, allen, welche nie- ſen, ein langes Leben zu wuͤnſchen.
Von dem Urſprung des Boͤſen und Guten, haben ſie ein beſonderes Lehrſyſtem, das ihnen zur Erklaͤrung ihrer Geheimniſſe dient. — Sie behaupten alles Gluͤck und Ungluͤck, das einem Menſchen begegne, ſey die Wirkung ſeiner
guten
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und Sommonokhodon wird alsdann vergeſſen
werden.
Die Siamer koͤnnen, vermoͤge ihres guten
natuͤrlichen Verſtandes ſehr leicht begreifen, daß
das Gute muͤſſe belohnt, und das Boͤſe beſtraft
werden. Daher nehmen ſie an, daß diejeni-
gen, welche ſich guter Handlung befliſſen haben,
in das Paradies, daß ſie in den allerhoͤchſten
Himmel ſetzen, kommen; daß hingegen die
Gottloſen an den traurigen Ort der Hoͤlle, wel-
che ſie in den Mittelpunkt der Erde ſetzen gelan-
gen werden. Nur kommt es den Siamern un-
begreiflich vor, daß ſowohl das eine als das
andere ewig dauren werde. Sie theilen die
Hoͤlle in acht Wohnungen, d. i. in acht Grade
der Pein, ſo wie den Himmel in acht Grade
der Seligkeit. Sie ſagen, daß in den abſcheu-
lichen Auffenthalt der Hoͤlle Richter waͤren,
welche uͤber alle Suͤnden der Menſchen eine ge-
naue Liſte fuͤhrten, und dieſe in ein beſonderes
Buch ſchrieben, daß ſich ihr Oberhaupt beſtaͤn-
dig mit Durchleſung dieſes Buchs beſchaͤftigte,
und daß die Perſonen, deren Namen er laͤſe,
in eben dem Augenblicke nieſten. Daher kommt
die Gewohnheit unter ihnen, allen, welche nie-
ſen, ein langes Leben zu wuͤnſchen.
Von dem Urſprung des Boͤſen und Guten,
haben ſie ein beſonderes Lehrſyſtem, das ihnen
zur Erklaͤrung ihrer Geheimniſſe dient. —
Sie behaupten alles Gluͤck und Ungluͤck, das
einem Menſchen begegne, ſey die Wirkung ſeiner
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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