ben, und nie mit andern zu thun haben, ob sie es gleich rechtmäßiger Weise und nach ihren Ge- setzen thun könnten. Sie verachten alle diejeni- gen, welche, nach dem Beyspiele der Emirs, Concubinen halten. Ereignet es sich, daß eine Frau ihrem Manne ungetreu wird; so ist er dadurch keineswegs verunehrt. Er ist damit zufrieden, daß er sich von ihr scheiden kann. Sie haben in ihrer Sprache einen Ausdruck, der mit dem Worte Hahnrey überein kommt; allein, sie geben diesen Namen dem, dessen Schwester einen Fehltritt begangen hat. Denn, sagen die Boduinen, eine Frau ist nicht von dem Geblüte desjenigen, der sie heyrathet, und ist sie geschieden, so ist sie nicht mehr seine Frau; niemand aber kann machen, daß eine Schwester nicht mehr Schwester sey.
In den Ergötzlichkeiten zeigen die Bedoui- nen viel Mäßigkeit. Den ganzen Tag bringen sie zu mit Kaffeetrinken, mit Tobackrauchen, und unterhalten sich mit den Geschichten, die sie von ihren Vätern gehört haben, oder durch Er- zählungen von ihren Vorfahren wissen. Wenn sie sich nicht unter sich versammeln oder auf Strei- fereyen ausgehen -- setzen sie sich zu Pferde und reiten zu ihrem Vergnügen, oder sie gehen auf die Schweinsjagd, die sie mit Lanzen erlegen, oder sie hetzen Hasen und wilde Ziegen mit großen Windhunden. Die wilde Ziege gehört unter das Rothwildpret, und ist in Europa gar nicht
be-
ben, und nie mit andern zu thun haben, ob ſie es gleich rechtmaͤßiger Weiſe und nach ihren Ge- ſetzen thun koͤnnten. Sie verachten alle diejeni- gen, welche, nach dem Beyſpiele der Emirs, Concubinen halten. Ereignet es ſich, daß eine Frau ihrem Manne ungetreu wird; ſo iſt er dadurch keineswegs verunehrt. Er iſt damit zufrieden, daß er ſich von ihr ſcheiden kann. Sie haben in ihrer Sprache einen Ausdruck, der mit dem Worte Hahnrey uͤberein kommt; allein, ſie geben dieſen Namen dem, deſſen Schweſter einen Fehltritt begangen hat. Denn, ſagen die Boduinen, eine Frau iſt nicht von dem Gebluͤte desjenigen, der ſie heyrathet, und iſt ſie geſchieden, ſo iſt ſie nicht mehr ſeine Frau; niemand aber kann machen, daß eine Schweſter nicht mehr Schweſter ſey.
In den Ergoͤtzlichkeiten zeigen die Bedoui- nen viel Maͤßigkeit. Den ganzen Tag bringen ſie zu mit Kaffeetrinken, mit Tobackrauchen, und unterhalten ſich mit den Geſchichten, die ſie von ihren Vaͤtern gehoͤrt haben, oder durch Er- zaͤhlungen von ihren Vorfahren wiſſen. Wenn ſie ſich nicht unter ſich verſammeln oder auf Strei- fereyen ausgehen — ſetzen ſie ſich zu Pferde und reiten zu ihrem Vergnuͤgen, oder ſie gehen auf die Schweinsjagd, die ſie mit Lanzen erlegen, oder ſie hetzen Haſen und wilde Ziegen mit großen Windhunden. Die wilde Ziege gehoͤrt unter das Rothwildpret, und iſt in Europa gar nicht
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ben, und nie mit andern zu thun haben, ob ſie
es gleich rechtmaͤßiger Weiſe und nach ihren Ge-
ſetzen thun koͤnnten. Sie verachten alle diejeni-
gen, welche, nach dem Beyſpiele der Emirs,
Concubinen halten. Ereignet es ſich, daß eine
Frau ihrem Manne ungetreu wird; ſo iſt er
dadurch keineswegs verunehrt. Er iſt damit
zufrieden, daß er ſich von ihr ſcheiden kann.
Sie haben in ihrer Sprache einen Ausdruck,
der mit dem Worte Hahnrey uͤberein kommt;
allein, ſie geben dieſen Namen dem, deſſen
Schweſter einen Fehltritt begangen hat. Denn,
ſagen die Boduinen, eine Frau iſt nicht von
dem Gebluͤte desjenigen, der ſie heyrathet, und
iſt ſie geſchieden, ſo iſt ſie nicht mehr ſeine Frau;
niemand aber kann machen, daß eine Schweſter
nicht mehr Schweſter ſey.
In den Ergoͤtzlichkeiten zeigen die Bedoui-
nen viel Maͤßigkeit. Den ganzen Tag bringen
ſie zu mit Kaffeetrinken, mit Tobackrauchen,
und unterhalten ſich mit den Geſchichten, die ſie
von ihren Vaͤtern gehoͤrt haben, oder durch Er-
zaͤhlungen von ihren Vorfahren wiſſen. Wenn
ſie ſich nicht unter ſich verſammeln oder auf Strei-
fereyen ausgehen — ſetzen ſie ſich zu Pferde und
reiten zu ihrem Vergnuͤgen, oder ſie gehen auf
die Schweinsjagd, die ſie mit Lanzen erlegen,
oder ſie hetzen Haſen und wilde Ziegen mit großen
Windhunden. Die wilde Ziege gehoͤrt unter
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/297>, abgerufen am 25.11.2024.
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