Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

gestickt, umwunden ist, und in einer Stirn-
binde von Gase. Wenn sie ausgehen, machen
sie über den Kopfputz einen großen nesseltuche-
nen Schleier, welcher Gesicht, Hals und Brust
bedeckt. Machen sie Besuche, oder gehen sie
zu Fuße spatziren, haben sie Reife an den Bei-
nen, woran kleine Ringe hängen, die wie
Schellen klingen. Diese Ringe, und eine
Menge anderes Spielwerk, daß sie in ihren
langen Haarzöpfen flechten, stellen so viele kleine
Glocken vor, welche ankündigen, daß sie vor-
beygehen, und jeder, der ihnen begegnet, macht
sich auf die Seite, um sie nicht anzusehen. Bey
den Besuchen, die sie einander machen, haupt-
sächlich aber die ersten Tage nach der Hochzeit,
zeigen sie alle ihre Schätze und die Kostbarkeit
ihres Anzuges.

Die Heyrathen werden bey ihnen so geheim-
nißvoll behandelt, wie in Spanien, oder in
Italien ein galantes Liebesverständniß. Wenn
ein junger Bedouine Neigung zu einem Mädchen
hat, es sey nun blos ein Einfall von ihm, denn
die Araber haben nicht den geringsten Umgang
mit andern Weibern oder Töchtern, oder weil
er von ihr hat reden hören; so ist seine erste Be-
mühung, daß er die Person, die er haben will,
zu sehen bekomme: dieß erhält er oft vom Vater
selbst, der ihn in seinem Zelte versteckt, oder
von der Tochter, die, wenn sie die Absichten
ihres Liebhabers merkt, sich aber einbildet, schön
zu seyn, ihren Schleyer, als von ohngefähr,

fallen,

geſtickt, umwunden iſt, und in einer Stirn-
binde von Gaſe. Wenn ſie ausgehen, machen
ſie uͤber den Kopfputz einen großen neſſeltuche-
nen Schleier, welcher Geſicht, Hals und Bruſt
bedeckt. Machen ſie Beſuche, oder gehen ſie
zu Fuße ſpatziren, haben ſie Reife an den Bei-
nen, woran kleine Ringe haͤngen, die wie
Schellen klingen. Dieſe Ringe, und eine
Menge anderes Spielwerk, daß ſie in ihren
langen Haarzoͤpfen flechten, ſtellen ſo viele kleine
Glocken vor, welche ankuͤndigen, daß ſie vor-
beygehen, und jeder, der ihnen begegnet, macht
ſich auf die Seite, um ſie nicht anzuſehen. Bey
den Beſuchen, die ſie einander machen, haupt-
ſaͤchlich aber die erſten Tage nach der Hochzeit,
zeigen ſie alle ihre Schaͤtze und die Koſtbarkeit
ihres Anzuges.

Die Heyrathen werden bey ihnen ſo geheim-
nißvoll behandelt, wie in Spanien, oder in
Italien ein galantes Liebesverſtaͤndniß. Wenn
ein junger Bedouine Neigung zu einem Maͤdchen
hat, es ſey nun blos ein Einfall von ihm, denn
die Araber haben nicht den geringſten Umgang
mit andern Weibern oder Toͤchtern, oder weil
er von ihr hat reden hoͤren; ſo iſt ſeine erſte Be-
muͤhung, daß er die Perſon, die er haben will,
zu ſehen bekomme: dieß erhaͤlt er oft vom Vater
ſelbſt, der ihn in ſeinem Zelte verſteckt, oder
von der Tochter, die, wenn ſie die Abſichten
ihres Liebhabers merkt, ſich aber einbildet, ſchoͤn
zu ſeyn, ihren Schleyer, als von ohngefaͤhr,

fallen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0293" n="267"/>
ge&#x017F;tickt, umwunden i&#x017F;t, und in einer Stirn-<lb/>
binde von Ga&#x017F;e. Wenn &#x017F;ie ausgehen, machen<lb/>
&#x017F;ie u&#x0364;ber den Kopfputz einen großen ne&#x017F;&#x017F;eltuche-<lb/>
nen Schleier, welcher Ge&#x017F;icht, Hals und Bru&#x017F;t<lb/>
bedeckt. Machen &#x017F;ie Be&#x017F;uche, oder gehen &#x017F;ie<lb/>
zu Fuße &#x017F;patziren, haben &#x017F;ie Reife an den Bei-<lb/>
nen, woran kleine Ringe ha&#x0364;ngen, die wie<lb/>
Schellen klingen. Die&#x017F;e Ringe, und eine<lb/>
Menge anderes Spielwerk, daß &#x017F;ie in ihren<lb/>
langen Haarzo&#x0364;pfen flechten, &#x017F;tellen &#x017F;o viele kleine<lb/>
Glocken vor, welche anku&#x0364;ndigen, daß &#x017F;ie vor-<lb/>
beygehen, und jeder, der ihnen begegnet, macht<lb/>
&#x017F;ich auf die Seite, um &#x017F;ie nicht anzu&#x017F;ehen. Bey<lb/>
den Be&#x017F;uchen, die &#x017F;ie einander machen, haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich aber die er&#x017F;ten Tage nach der Hochzeit,<lb/>
zeigen &#x017F;ie alle ihre Scha&#x0364;tze und die Ko&#x017F;tbarkeit<lb/>
ihres Anzuges.</p><lb/>
          <p>Die Heyrathen werden bey ihnen &#x017F;o geheim-<lb/>
nißvoll behandelt, wie in Spanien, oder in<lb/>
Italien ein galantes Liebesver&#x017F;ta&#x0364;ndniß. Wenn<lb/>
ein junger Bedouine Neigung zu einem Ma&#x0364;dchen<lb/>
hat, es &#x017F;ey nun blos ein Einfall von ihm, denn<lb/>
die Araber haben nicht den gering&#x017F;ten Umgang<lb/>
mit andern Weibern oder To&#x0364;chtern, oder weil<lb/>
er von ihr hat reden ho&#x0364;ren; &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;eine er&#x017F;te Be-<lb/>
mu&#x0364;hung, daß er die Per&#x017F;on, die er haben will,<lb/>
zu &#x017F;ehen bekomme: dieß erha&#x0364;lt er oft vom Vater<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, der ihn in &#x017F;einem Zelte ver&#x017F;teckt, oder<lb/>
von der Tochter, die, wenn &#x017F;ie die Ab&#x017F;ichten<lb/>
ihres Liebhabers merkt, &#x017F;ich aber einbildet, &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
zu &#x017F;eyn, ihren Schleyer, als von ohngefa&#x0364;hr,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fallen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0293] geſtickt, umwunden iſt, und in einer Stirn- binde von Gaſe. Wenn ſie ausgehen, machen ſie uͤber den Kopfputz einen großen neſſeltuche- nen Schleier, welcher Geſicht, Hals und Bruſt bedeckt. Machen ſie Beſuche, oder gehen ſie zu Fuße ſpatziren, haben ſie Reife an den Bei- nen, woran kleine Ringe haͤngen, die wie Schellen klingen. Dieſe Ringe, und eine Menge anderes Spielwerk, daß ſie in ihren langen Haarzoͤpfen flechten, ſtellen ſo viele kleine Glocken vor, welche ankuͤndigen, daß ſie vor- beygehen, und jeder, der ihnen begegnet, macht ſich auf die Seite, um ſie nicht anzuſehen. Bey den Beſuchen, die ſie einander machen, haupt- ſaͤchlich aber die erſten Tage nach der Hochzeit, zeigen ſie alle ihre Schaͤtze und die Koſtbarkeit ihres Anzuges. Die Heyrathen werden bey ihnen ſo geheim- nißvoll behandelt, wie in Spanien, oder in Italien ein galantes Liebesverſtaͤndniß. Wenn ein junger Bedouine Neigung zu einem Maͤdchen hat, es ſey nun blos ein Einfall von ihm, denn die Araber haben nicht den geringſten Umgang mit andern Weibern oder Toͤchtern, oder weil er von ihr hat reden hoͤren; ſo iſt ſeine erſte Be- muͤhung, daß er die Perſon, die er haben will, zu ſehen bekomme: dieß erhaͤlt er oft vom Vater ſelbſt, der ihn in ſeinem Zelte verſteckt, oder von der Tochter, die, wenn ſie die Abſichten ihres Liebhabers merkt, ſich aber einbildet, ſchoͤn zu ſeyn, ihren Schleyer, als von ohngefaͤhr, fallen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/293
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/293>, abgerufen am 26.06.2024.