[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

wird er aber wieder gesund, so vergißt er sehr
bald seine Krankheit und die Dienste des Arztes.
Die meisten mor enländischen Arzte sind daher
genöthigt, ihre Zuflucht zur List zu nehmen,
um nur so viel zu gewinnen, daß sie nothdürf-
tig leben können. Sie wissen nemlich, daß ihre
Patienten alsdann am freygebigsten sind, wenn
sie einige Linderung der Krankheit spüren, und
daß ihnen dann am meisten daran gelegen ist,
den Arzt bey guter Laune zu erhalten. Diese
schöne Gelegenheit pflegt der Arzt nicht zu ver-
säumen, und unter mancherley Vorwande so
viel Geld zu verlangen, als er nach den Umstän-
den des Kranken zu erhalten hoffen kann. Auf
diese Art läßt er sich seine Kur zum voraus be-
zahlen. Dieser und andrer Ursache wegen wird
man in Arabien keine großen Aerzte erwarten
können, und man trift daselbst auch wohl sel-
ten einen an, der von der Arzeneywissenschaft
mehr gelernt hat, als die Kunstwörter aus al-
ten arabischen und griechischen Arzeneybüchern.
Niebuhr versichert, in Arabien keinen geschick-
ten und berühmten Arzt gekanut zu haben; in
Jemen aber habe er einige gekannt, welche zu-
gleich Laboranten, Apotheker, Wund- und Pfer-
deärzte waren, und dennoch ihren nothdürftigen
Unterhalt kaum verdienen konnten.

Die Araber wissen sich vieler Hausmittel
mit Nutzen zu bedienen. -- In Salmons
und Gochs Staat von Arabien ist bemerkt
worden, daß die Araber lieber sterben, als sich

ein

wird er aber wieder geſund, ſo vergißt er ſehr
bald ſeine Krankheit und die Dienſte des Arztes.
Die meiſten mor enlaͤndiſchen Arzte ſind daher
genoͤthigt, ihre Zuflucht zur Liſt zu nehmen,
um nur ſo viel zu gewinnen, daß ſie nothduͤrf-
tig leben koͤnnen. Sie wiſſen nemlich, daß ihre
Patienten alsdann am freygebigſten ſind, wenn
ſie einige Linderung der Krankheit ſpuͤren, und
daß ihnen dann am meiſten daran gelegen iſt,
den Arzt bey guter Laune zu erhalten. Dieſe
ſchoͤne Gelegenheit pflegt der Arzt nicht zu ver-
ſaͤumen, und unter mancherley Vorwande ſo
viel Geld zu verlangen, als er nach den Umſtaͤn-
den des Kranken zu erhalten hoffen kann. Auf
dieſe Art laͤßt er ſich ſeine Kur zum voraus be-
zahlen. Dieſer und andrer Urſache wegen wird
man in Arabien keine großen Aerzte erwarten
koͤnnen, und man trift daſelbſt auch wohl ſel-
ten einen an, der von der Arzeneywiſſenſchaft
mehr gelernt hat, als die Kunſtwoͤrter aus al-
ten arabiſchen und griechiſchen Arzeneybuͤchern.
Niebuhr verſichert, in Arabien keinen geſchick-
ten und beruͤhmten Arzt gekanut zu haben; in
Jemen aber habe er einige gekannt, welche zu-
gleich Laboranten, Apotheker, Wund- und Pfer-
deaͤrzte waren, und dennoch ihren nothduͤrftigen
Unterhalt kaum verdienen konnten.

Die Araber wiſſen ſich vieler Hausmittel
mit Nutzen zu bedienen. — In Salmons
und Gochs Staat von Arabien iſt bemerkt
worden, daß die Araber lieber ſterben, als ſich

ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0277" n="251"/>
wird er aber wieder ge&#x017F;und, &#x017F;o vergißt er &#x017F;ehr<lb/>
bald &#x017F;eine Krankheit und die Dien&#x017F;te des Arztes.<lb/>
Die mei&#x017F;ten mor enla&#x0364;ndi&#x017F;chen Arzte &#x017F;ind daher<lb/>
geno&#x0364;thigt, ihre Zuflucht zur Li&#x017F;t zu nehmen,<lb/>
um nur &#x017F;o viel zu gewinnen, daß &#x017F;ie nothdu&#x0364;rf-<lb/>
tig leben ko&#x0364;nnen. Sie wi&#x017F;&#x017F;en nemlich, daß ihre<lb/>
Patienten alsdann am freygebig&#x017F;ten &#x017F;ind, wenn<lb/>
&#x017F;ie einige Linderung der Krankheit &#x017F;pu&#x0364;ren, und<lb/>
daß ihnen dann am mei&#x017F;ten daran gelegen i&#x017F;t,<lb/>
den Arzt bey guter Laune zu erhalten. Die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Gelegenheit pflegt der Arzt nicht zu ver-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umen, und unter mancherley Vorwande &#x017F;o<lb/>
viel Geld zu verlangen, als er nach den Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
den des Kranken zu erhalten hoffen kann. Auf<lb/>
die&#x017F;e Art la&#x0364;ßt er &#x017F;ich &#x017F;eine Kur zum voraus be-<lb/>
zahlen. Die&#x017F;er und andrer Ur&#x017F;ache wegen wird<lb/>
man in Arabien keine großen Aerzte erwarten<lb/>
ko&#x0364;nnen, und man trift da&#x017F;elb&#x017F;t auch wohl &#x017F;el-<lb/>
ten einen an, der von der Arzeneywi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
mehr gelernt hat, als die Kun&#x017F;two&#x0364;rter aus al-<lb/>
ten arabi&#x017F;chen und griechi&#x017F;chen Arzeneybu&#x0364;chern.<lb/>
Niebuhr ver&#x017F;ichert, in Arabien keinen ge&#x017F;chick-<lb/>
ten und beru&#x0364;hmten Arzt gekanut zu haben; in<lb/>
Jemen aber habe er einige gekannt, welche zu-<lb/>
gleich Laboranten, Apotheker, Wund- und Pfer-<lb/>
dea&#x0364;rzte waren, und dennoch ihren nothdu&#x0364;rftigen<lb/>
Unterhalt kaum verdienen konnten.</p><lb/>
          <p>Die Araber wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich vieler Hausmittel<lb/>
mit Nutzen zu bedienen. &#x2014; In <hi rendition="#fr">Salmons</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Gochs</hi> Staat von Arabien i&#x017F;t bemerkt<lb/>
worden, daß die Araber lieber &#x017F;terben, als &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[251/0277] wird er aber wieder geſund, ſo vergißt er ſehr bald ſeine Krankheit und die Dienſte des Arztes. Die meiſten mor enlaͤndiſchen Arzte ſind daher genoͤthigt, ihre Zuflucht zur Liſt zu nehmen, um nur ſo viel zu gewinnen, daß ſie nothduͤrf- tig leben koͤnnen. Sie wiſſen nemlich, daß ihre Patienten alsdann am freygebigſten ſind, wenn ſie einige Linderung der Krankheit ſpuͤren, und daß ihnen dann am meiſten daran gelegen iſt, den Arzt bey guter Laune zu erhalten. Dieſe ſchoͤne Gelegenheit pflegt der Arzt nicht zu ver- ſaͤumen, und unter mancherley Vorwande ſo viel Geld zu verlangen, als er nach den Umſtaͤn- den des Kranken zu erhalten hoffen kann. Auf dieſe Art laͤßt er ſich ſeine Kur zum voraus be- zahlen. Dieſer und andrer Urſache wegen wird man in Arabien keine großen Aerzte erwarten koͤnnen, und man trift daſelbſt auch wohl ſel- ten einen an, der von der Arzeneywiſſenſchaft mehr gelernt hat, als die Kunſtwoͤrter aus al- ten arabiſchen und griechiſchen Arzeneybuͤchern. Niebuhr verſichert, in Arabien keinen geſchick- ten und beruͤhmten Arzt gekanut zu haben; in Jemen aber habe er einige gekannt, welche zu- gleich Laboranten, Apotheker, Wund- und Pfer- deaͤrzte waren, und dennoch ihren nothduͤrftigen Unterhalt kaum verdienen konnten. Die Araber wiſſen ſich vieler Hausmittel mit Nutzen zu bedienen. — In Salmons und Gochs Staat von Arabien iſt bemerkt worden, daß die Araber lieber ſterben, als ſich ein

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/277
Zitationshilfe:	[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/277>, abgerufen am 24.08.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.