und alles, was sie haben, durchzubringen pfle- gen. Sie wissen mit dem Gelde gar nicht um- zugehen, und verschwenden in kurzer Zeit alles, was sie haben. Wenn, z. B. der König Je- manden ein Geschenk von funfzig oder hundert tausend Thalern macht; so ist es ihm eine Klei- nigkeit, dieß Sümmchen in vierzehn Tagen oder höchstens in vier Wochen durchzubringen. Er kauft sich Sclaven von beiden Geschlechtern, miethet sich schöne Frauen, hält sich prächtige Equipage, meublirt seine Zimmer, kleidet sich auf das kostbarste, und ist der Verschwendung so lange ergeben, bis das Geld in anderer Hän- de ist. Alsdann sieht er sich genöthigt seine Sclaven, Equipage, Kleidungen u. s. w. nach und nach zu verkaufen und wieder in seinen vo- rigen Zustand zurückzukehren.
Das Lobenswürdigste an den Sitten der Perser ist die Freundlichkeit, mit der sie Frem- den zu begegnen pflegen, die Gefälligkeit, sie aufzunehmen und der Schutz, den sie ihnen an- gedeihen lassen. Ihre Gastfreyheit gegen Jedermann, und ihre Toleranz gegen andre Religionsverwandte sind Tugenden, die man fast überall bey ihnen antrift. Freylich, was die Toleranz in religiösen Dingen betrift, muß man die Landgeistlichen hiervon ausnehmen, denn diese sind gemeiniglich, wie überall, so in- tolerant, daß sie durchaus Niemanden, der nicht von ihrer Religion ist, ausstehen kön-
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und alles, was ſie haben, durchzubringen pfle- gen. Sie wiſſen mit dem Gelde gar nicht um- zugehen, und verſchwenden in kurzer Zeit alles, was ſie haben. Wenn, z. B. der Koͤnig Je- manden ein Geſchenk von funfzig oder hundert tauſend Thalern macht; ſo iſt es ihm eine Klei- nigkeit, dieß Suͤmmchen in vierzehn Tagen oder hoͤchſtens in vier Wochen durchzubringen. Er kauft ſich Sclaven von beiden Geſchlechtern, miethet ſich ſchoͤne Frauen, haͤlt ſich praͤchtige Equipage, meublirt ſeine Zimmer, kleidet ſich auf das koſtbarſte, und iſt der Verſchwendung ſo lange ergeben, bis das Geld in anderer Haͤn- de iſt. Alsdann ſieht er ſich genoͤthigt ſeine Sclaven, Equipage, Kleidungen u. ſ. w. nach und nach zu verkaufen und wieder in ſeinen vo- rigen Zuſtand zuruͤckzukehren.
Das Lobenswuͤrdigſte an den Sitten der Perſer iſt die Freundlichkeit, mit der ſie Frem- den zu begegnen pflegen, die Gefaͤlligkeit, ſie aufzunehmen und der Schutz, den ſie ihnen an- gedeihen laſſen. Ihre Gaſtfreyheit gegen Jedermann, und ihre Toleranz gegen andre Religionsverwandte ſind Tugenden, die man faſt uͤberall bey ihnen antrift. Freylich, was die Toleranz in religioͤſen Dingen betrift, muß man die Landgeiſtlichen hiervon ausnehmen, denn dieſe ſind gemeiniglich, wie uͤberall, ſo in- tolerant, daß ſie durchaus Niemanden, der nicht von ihrer Religion iſt, ausſtehen koͤn-
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und alles, was ſie haben, durchzubringen pfle-
gen. Sie wiſſen mit dem Gelde gar nicht um-
zugehen, und verſchwenden in kurzer Zeit alles,
was ſie haben. Wenn, z. B. der Koͤnig Je-
manden ein Geſchenk von funfzig oder hundert
tauſend Thalern macht; ſo iſt es ihm eine Klei-
nigkeit, dieß Suͤmmchen in vierzehn Tagen oder
hoͤchſtens in vier Wochen durchzubringen. Er
kauft ſich Sclaven von beiden Geſchlechtern,
miethet ſich ſchoͤne Frauen, haͤlt ſich praͤchtige
Equipage, meublirt ſeine Zimmer, kleidet ſich
auf das koſtbarſte, und iſt der Verſchwendung
ſo lange ergeben, bis das Geld in anderer Haͤn-
de iſt. Alsdann ſieht er ſich genoͤthigt ſeine
Sclaven, Equipage, Kleidungen u. ſ. w. nach
und nach zu verkaufen und wieder in ſeinen vo-
rigen Zuſtand zuruͤckzukehren.
Das Lobenswuͤrdigſte an den Sitten der
Perſer iſt die Freundlichkeit, mit der ſie Frem-
den zu begegnen pflegen, die Gefaͤlligkeit, ſie
aufzunehmen und der Schutz, den ſie ihnen an-
gedeihen laſſen. Ihre Gaſtfreyheit gegen
Jedermann, und ihre Toleranz gegen andre
Religionsverwandte ſind Tugenden, die man
faſt uͤberall bey ihnen antrift. Freylich, was
die Toleranz in religioͤſen Dingen betrift, muß
man die Landgeiſtlichen hiervon ausnehmen,
denn dieſe ſind gemeiniglich, wie uͤberall, ſo in-
tolerant, daß ſie durchaus Niemanden, der
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/32>, abgerufen am 24.11.2024.
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