wande und Verschwendung hat bey ihnen kei- ne Gränzen, daraus sichs denn auch leicht er- klären läßt warum sie so schlechte Wirthe sind, und sich auf den Handel gar nicht verstehen.
Es ist überhaupt gewiß, daß es den Per- sern an Talenten in allen Stücken gar nicht feh- le, und wenn sie diese gehörig anwenden woll- ten; so würden sie vielleicht die polisirteste und glücklichste Nation des Erdbodens seyn.
Sie raisonniren über die Güter und das Ue- bel dieses Lebens, über die Hofnung und Furcht des zukünftigen sehr philosophisch: sie sind dem Geitze wenig ergeben, und denken bloß daran, wie sie sich bald große Reichthümer erwerben können, um zu gewaltigen Verschwenden Ge- legenheit zu haben. Ihre Hauptmaxime hier- inn ist diese: Alle Güter der Welt so viel als moglich, in ihrer ganzen Stärke zu genießen. Auf die Zukunft pflegen sie keine Rücksicht zu nehmen, sondern sie berufen sich immer auf die Fürsehung und auf das Schick- sal. Dieses halten sie für unveränderlich und gewiß. Deßwegen überlassen sie sich demselben blindlings. Auch sieht man sie nicht traurig, wenn ihnen Unglücksfälle und dergleichen zu- stoßen; sondern sie trösten sich mit den Wor- ten: mek toub est, das heißt, es hat so seyn müssen.
Nach diesen Begriffen ist es sehr natürlich, daß die Perser so wenig in die Zukunft sehen,
und
wande und Verſchwendung hat bey ihnen kei- ne Graͤnzen, daraus ſichs denn auch leicht er- klaͤren laͤßt warum ſie ſo ſchlechte Wirthe ſind, und ſich auf den Handel gar nicht verſtehen.
Es iſt uͤberhaupt gewiß, daß es den Per- ſern an Talenten in allen Stuͤcken gar nicht feh- le, und wenn ſie dieſe gehoͤrig anwenden woll- ten; ſo wuͤrden ſie vielleicht die poliſirteſte und gluͤcklichſte Nation des Erdbodens ſeyn.
Sie raiſonniren uͤber die Guͤter und das Ue- bel dieſes Lebens, uͤber die Hofnung und Furcht des zukuͤnftigen ſehr philoſophiſch: ſie ſind dem Geitze wenig ergeben, und denken bloß daran, wie ſie ſich bald große Reichthuͤmer erwerben koͤnnen, um zu gewaltigen Verſchwenden Ge- legenheit zu haben. Ihre Hauptmaxime hier- inn iſt dieſe: Alle Guͤter der Welt ſo viel als moglich, in ihrer ganzen Staͤrke zu genießen. Auf die Zukunft pflegen ſie keine Ruͤckſicht zu nehmen, ſondern ſie berufen ſich immer auf die Fuͤrſehung und auf das Schick- ſal. Dieſes halten ſie fuͤr unveraͤnderlich und gewiß. Deßwegen uͤberlaſſen ſie ſich demſelben blindlings. Auch ſieht man ſie nicht traurig, wenn ihnen Ungluͤcksfaͤlle und dergleichen zu- ſtoßen; ſondern ſie troͤſten ſich mit den Wor- ten: mek toub eſt, das heißt, es hat ſo ſeyn muͤſſen.
Nach dieſen Begriffen iſt es ſehr natuͤrlich, daß die Perſer ſo wenig in die Zukunft ſehen,
und
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wande und Verſchwendung hat bey ihnen kei-
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klaͤren laͤßt warum ſie ſo ſchlechte Wirthe ſind,
und ſich auf den Handel gar nicht verſtehen.
Es iſt uͤberhaupt gewiß, daß es den Per-
ſern an Talenten in allen Stuͤcken gar nicht feh-
le, und wenn ſie dieſe gehoͤrig anwenden woll-
ten; ſo wuͤrden ſie vielleicht die poliſirteſte und
gluͤcklichſte Nation des Erdbodens ſeyn.
Sie raiſonniren uͤber die Guͤter und das Ue-
bel dieſes Lebens, uͤber die Hofnung und Furcht
des zukuͤnftigen ſehr philoſophiſch: ſie ſind dem
Geitze wenig ergeben, und denken bloß daran,
wie ſie ſich bald große Reichthuͤmer erwerben
koͤnnen, um zu gewaltigen Verſchwenden Ge-
legenheit zu haben. Ihre Hauptmaxime hier-
inn iſt dieſe: Alle Guͤter der Welt ſo viel
als moglich, in ihrer ganzen Staͤrke zu
genießen. Auf die Zukunft pflegen ſie keine
Ruͤckſicht zu nehmen, ſondern ſie berufen ſich
immer auf die Fuͤrſehung und auf das Schick-
ſal. Dieſes halten ſie fuͤr unveraͤnderlich und
gewiß. Deßwegen uͤberlaſſen ſie ſich demſelben
blindlings. Auch ſieht man ſie nicht traurig,
wenn ihnen Ungluͤcksfaͤlle und dergleichen zu-
ſtoßen; ſondern ſie troͤſten ſich mit den Wor-
ten: mek toub eſt, das heißt, es hat ſo ſeyn
muͤſſen.
Nach dieſen Begriffen iſt es ſehr natuͤrlich,
daß die Perſer ſo wenig in die Zukunft ſehen,
und
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/31>, abgerufen am 16.07.2024.
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