Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Sohn gefället wird, ist dieses, daß sein Körper
in viele tausend Stücke zerrissen und nachher
verbrannt, sein Haus niedergerissen, das gan-
ze Quartier geschleift, und auf eben dem Platze
eine Denksäule errichtet wird, die das Gräß-
liche dieser That der Nachkommenschaft über-
liefern soll.

Wenn jemand einen andern tödtet, wird er,
wie billig, am Leben gestraft. Ereignet sich
der Fall, daß zwey Personen sich duelliren und
einer den andern niedermacht; so wird er stran-
gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer-
ley ist, das Erwürgen, ist die gewöhnlichste und
leichteste Todesstrafe: diese Strafe wird auch
Personen von Stande zuerkannt. Man be-
dient sich hiezu eines Stricks, welcher etwa sie-
ben bis acht Fuß lang ist nebst einer Schleife,
die dem Inquisiten über den Hals geworfen
wird. -- Tödtet aber einer den andern auf ei-
ne meuchelmörderische Weise; so wird er ent-
hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror-
dentliches Verbrechen ist; so wird auch diese
schimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es
ist unter den Chinesern eine herrschende Meinung,
daß einem Menschen nichts schimpflichers wi-
derfahren könne, als bey seinem Ausgange aus
der Welt, seinen Körper nicht so vollständig zu
hinterlassen, wie er ihn auf die Welt gebracht
hat. -- -- Bey allen Criminal und Todes-
unterschriften, richtet der Kayser dieselbe nach
Beschaffenheit des Verbrechens ein. Ist das

Ver-

Sohn gefaͤllet wird, iſt dieſes, daß ſein Koͤrper
in viele tauſend Stuͤcke zerriſſen und nachher
verbrannt, ſein Haus niedergeriſſen, das gan-
ze Quartier geſchleift, und auf eben dem Platze
eine Denkſaͤule errichtet wird, die das Graͤß-
liche dieſer That der Nachkommenſchaft uͤber-
liefern ſoll.

Wenn jemand einen andern toͤdtet, wird er,
wie billig, am Leben geſtraft. Ereignet ſich
der Fall, daß zwey Perſonen ſich duelliren und
einer den andern niedermacht; ſo wird er ſtran-
gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer-
ley iſt, das Erwuͤrgen, iſt die gewoͤhnlichſte und
leichteſte Todesſtrafe: dieſe Strafe wird auch
Perſonen von Stande zuerkannt. Man be-
dient ſich hiezu eines Stricks, welcher etwa ſie-
ben bis acht Fuß lang iſt nebſt einer Schleife,
die dem Inquiſiten uͤber den Hals geworfen
wird. — Toͤdtet aber einer den andern auf ei-
ne meuchelmoͤrderiſche Weiſe; ſo wird er ent-
hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror-
dentliches Verbrechen iſt; ſo wird auch dieſe
ſchimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es
iſt unter den Chineſern eine herrſchende Meinung,
daß einem Menſchen nichts ſchimpflichers wi-
derfahren koͤnne, als bey ſeinem Ausgange aus
der Welt, ſeinen Koͤrper nicht ſo vollſtaͤndig zu
hinterlaſſen, wie er ihn auf die Welt gebracht
hat. — — Bey allen Criminal und Todes-
unterſchriften, richtet der Kayſer dieſelbe nach
Beſchaffenheit des Verbrechens ein. Iſt das

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0294" n="274"/>
Sohn gefa&#x0364;llet wird, i&#x017F;t die&#x017F;es, daß &#x017F;ein Ko&#x0364;rper<lb/>
in viele tau&#x017F;end Stu&#x0364;cke zerri&#x017F;&#x017F;en und nachher<lb/>
verbrannt, &#x017F;ein Haus niedergeri&#x017F;&#x017F;en, das gan-<lb/>
ze Quartier ge&#x017F;chleift, und auf eben dem Platze<lb/>
eine Denk&#x017F;a&#x0364;ule errichtet wird, die das Gra&#x0364;ß-<lb/>
liche die&#x017F;er That der Nachkommen&#x017F;chaft u&#x0364;ber-<lb/>
liefern &#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Wenn jemand einen andern to&#x0364;dtet, wird er,<lb/>
wie billig, am Leben ge&#x017F;traft. Ereignet &#x017F;ich<lb/>
der Fall, daß zwey Per&#x017F;onen &#x017F;ich duelliren und<lb/>
einer den andern niedermacht; &#x017F;o wird er &#x017F;tran-<lb/>
gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer-<lb/>
ley i&#x017F;t, das Erwu&#x0364;rgen, i&#x017F;t die gewo&#x0364;hnlich&#x017F;te und<lb/>
leichte&#x017F;te Todes&#x017F;trafe: die&#x017F;e Strafe wird auch<lb/>
Per&#x017F;onen von Stande zuerkannt. Man be-<lb/>
dient &#x017F;ich hiezu eines Stricks, welcher etwa &#x017F;ie-<lb/>
ben bis acht Fuß lang i&#x017F;t neb&#x017F;t einer Schleife,<lb/>
die dem Inqui&#x017F;iten u&#x0364;ber den Hals geworfen<lb/>
wird. &#x2014; To&#x0364;dtet aber einer den andern auf ei-<lb/>
ne meuchelmo&#x0364;rderi&#x017F;che Wei&#x017F;e; &#x017F;o wird er ent-<lb/>
hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror-<lb/>
dentliches Verbrechen i&#x017F;t; &#x017F;o wird auch die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es<lb/>
i&#x017F;t unter den Chine&#x017F;ern eine herr&#x017F;chende Meinung,<lb/>
daß einem Men&#x017F;chen nichts &#x017F;chimpflichers wi-<lb/>
derfahren ko&#x0364;nne, als bey &#x017F;einem Ausgange aus<lb/>
der Welt, &#x017F;einen Ko&#x0364;rper nicht &#x017F;o voll&#x017F;ta&#x0364;ndig zu<lb/>
hinterla&#x017F;&#x017F;en, wie er ihn auf die Welt gebracht<lb/>
hat. &#x2014; &#x2014; Bey allen Criminal und Todes-<lb/>
unter&#x017F;chriften, richtet der Kay&#x017F;er die&#x017F;elbe nach<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit des Verbrechens ein. I&#x017F;t das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0294] Sohn gefaͤllet wird, iſt dieſes, daß ſein Koͤrper in viele tauſend Stuͤcke zerriſſen und nachher verbrannt, ſein Haus niedergeriſſen, das gan- ze Quartier geſchleift, und auf eben dem Platze eine Denkſaͤule errichtet wird, die das Graͤß- liche dieſer That der Nachkommenſchaft uͤber- liefern ſoll. Wenn jemand einen andern toͤdtet, wird er, wie billig, am Leben geſtraft. Ereignet ſich der Fall, daß zwey Perſonen ſich duelliren und einer den andern niedermacht; ſo wird er ſtran- gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer- ley iſt, das Erwuͤrgen, iſt die gewoͤhnlichſte und leichteſte Todesſtrafe: dieſe Strafe wird auch Perſonen von Stande zuerkannt. Man be- dient ſich hiezu eines Stricks, welcher etwa ſie- ben bis acht Fuß lang iſt nebſt einer Schleife, die dem Inquiſiten uͤber den Hals geworfen wird. — Toͤdtet aber einer den andern auf ei- ne meuchelmoͤrderiſche Weiſe; ſo wird er ent- hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror- dentliches Verbrechen iſt; ſo wird auch dieſe ſchimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es iſt unter den Chineſern eine herrſchende Meinung, daß einem Menſchen nichts ſchimpflichers wi- derfahren koͤnne, als bey ſeinem Ausgange aus der Welt, ſeinen Koͤrper nicht ſo vollſtaͤndig zu hinterlaſſen, wie er ihn auf die Welt gebracht hat. — — Bey allen Criminal und Todes- unterſchriften, richtet der Kayſer dieſelbe nach Beſchaffenheit des Verbrechens ein. Iſt das Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/294
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/294>, abgerufen am 18.05.2024.