Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich weiß, ich weiß, es lastet vielerlei auf dem Ökonomen
heutzutage. Sind denn die Abgaben und Lasten so bedeutend
in Halbenau?"

Der Büttnerbauer schüttete darüber sein Herz gründlich
aus. Harrassowitz ließ ihn reden; nur manchmal warf er eine
Bemerkung ein, die den einmal warm Gewordenen veranlaßte,
mehr und mehr von seinen Verhältnissen aufzudecken.

Jetzt war der Büttnerbauer bei seinem Hauptbeschwernis
angelangt: seinem mächtigen Nachbarn, der Herrschaft Saland.

"Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne, Herr Büttner!" rief
der Händler, "solch einen Großgrundbesitzer zum Nachbarn zu
haben, ist kein Spaß! Die Leute sind landgierig, die möchten
die Bauern am liebsten alle legen. Das ist ein wahrer Krebs¬
schaden für unser Volk, die Latifundienwirtschaft. Ein freier,
selbständiger Bauernstand wird immer eine Grundbedingung
für das Gedeihen des ganzen Staates bilden. Wer soll uns
denn die Soldaten liefern -- was, he? Die strammen Sol¬
daten für unser Heer, wenn nicht der Bauernstand! -- Grenzen
Sie an einer oder an mehreren Seiten mit der Herrschaft Saland?"

Der Bauer erzählte, daß er so gut wie eingeschlossen sei
durch das Dominium. Dann ereiferte er sich über den Wild¬
schaden.

"Schrecklich! aber dafür hat natürlich so ein Graf gar
keinen Sinn!" rief der Händler mit dem Ausdrucke höchster
Entrüstung, "wenn sichs nur um Bauernflur handelt. Trau¬
rige Zustände sind das! Hat Ihnen der Graf denn schon mal
ein Angebot machen lassen wegen Ihres Gutes?"

Der Büttnerbauer berichtete, daß der Graf schon seit
Jahren um seinen Wald handle, aber, daß er ihm nicht einen
Fußbreit abzulassen gesonnen sei. Harassowitz horchte scharf
hin auf diese Angaben. Dann nahm er auf einmal wieder eine
nachdenkliche Miene an.

"Ja, das sind traurige Verhältnisse! Das zehrt am Ver¬
mögen, das will ich schon glauben. Da haben Sie doch aller¬
hand Sorgen, mein guter Herr Büttner. -- Haben Sie denn
etwa auch Hypothekenschulden auf Ihrem Gute?"

„Ich weiß, ich weiß, es laſtet vielerlei auf dem Ökonomen
heutzutage. Sind denn die Abgaben und Laſten ſo bedeutend
in Halbenau?“

Der Büttnerbauer ſchüttete darüber ſein Herz gründlich
aus. Harraſſowitz ließ ihn reden; nur manchmal warf er eine
Bemerkung ein, die den einmal warm Gewordenen veranlaßte,
mehr und mehr von ſeinen Verhältniſſen aufzudecken.

Jetzt war der Büttnerbauer bei ſeinem Hauptbeſchwernis
angelangt: ſeinem mächtigen Nachbarn, der Herrſchaft Saland.

„Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne, Herr Büttner!“ rief
der Händler, „ſolch einen Großgrundbeſitzer zum Nachbarn zu
haben, iſt kein Spaß! Die Leute ſind landgierig, die möchten
die Bauern am liebſten alle legen. Das iſt ein wahrer Krebs¬
ſchaden für unſer Volk, die Latifundienwirtſchaft. Ein freier,
ſelbſtändiger Bauernſtand wird immer eine Grundbedingung
für das Gedeihen des ganzen Staates bilden. Wer ſoll uns
denn die Soldaten liefern — was, he? Die ſtrammen Sol¬
daten für unſer Heer, wenn nicht der Bauernſtand! — Grenzen
Sie an einer oder an mehreren Seiten mit der Herrſchaft Saland?“

Der Bauer erzählte, daß er ſo gut wie eingeſchloſſen ſei
durch das Dominium. Dann ereiferte er ſich über den Wild¬
ſchaden.

„Schrecklich! aber dafür hat natürlich ſo ein Graf gar
keinen Sinn!“ rief der Händler mit dem Ausdrucke höchſter
Entrüſtung, „wenn ſichs nur um Bauernflur handelt. Trau¬
rige Zuſtände ſind das! Hat Ihnen der Graf denn ſchon mal
ein Angebot machen laſſen wegen Ihres Gutes?“

Der Büttnerbauer berichtete, daß der Graf ſchon ſeit
Jahren um ſeinen Wald handle, aber, daß er ihm nicht einen
Fußbreit abzulaſſen geſonnen ſei. Haraſſowitz horchte ſcharf
hin auf dieſe Angaben. Dann nahm er auf einmal wieder eine
nachdenkliche Miene an.

„Ja, das ſind traurige Verhältniſſe! Das zehrt am Ver¬
mögen, das will ich ſchon glauben. Da haben Sie doch aller¬
hand Sorgen, mein guter Herr Büttner. — Haben Sie denn
etwa auch Hypothekenſchulden auf Ihrem Gute?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0061" n="47"/>
          <p>&#x201E;Ich weiß, ich weiß, es la&#x017F;tet vielerlei auf dem Ökonomen<lb/>
heutzutage. Sind denn die Abgaben und La&#x017F;ten &#x017F;o bedeutend<lb/>
in Halbenau?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Büttnerbauer &#x017F;chüttete darüber &#x017F;ein Herz gründlich<lb/>
aus. Harra&#x017F;&#x017F;owitz ließ ihn reden; nur manchmal warf er eine<lb/>
Bemerkung ein, die den einmal warm Gewordenen veranlaßte,<lb/>
mehr und mehr von &#x017F;einen Verhältni&#x017F;&#x017F;en aufzudecken.</p><lb/>
          <p>Jetzt war der Büttnerbauer bei &#x017F;einem Hauptbe&#x017F;chwernis<lb/>
angelangt: &#x017F;einem mächtigen Nachbarn, der Herr&#x017F;chaft Saland.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne, Herr Büttner!&#x201C; rief<lb/>
der Händler, &#x201E;&#x017F;olch einen Großgrundbe&#x017F;itzer zum Nachbarn zu<lb/>
haben, i&#x017F;t kein Spaß! Die Leute &#x017F;ind landgierig, die möchten<lb/>
die Bauern am lieb&#x017F;ten alle legen. Das i&#x017F;t ein wahrer Krebs¬<lb/>
&#x017F;chaden für un&#x017F;er Volk, die Latifundienwirt&#x017F;chaft. Ein freier,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tändiger Bauern&#x017F;tand wird immer eine Grundbedingung<lb/>
für das Gedeihen des ganzen Staates bilden. Wer &#x017F;oll uns<lb/>
denn die Soldaten liefern &#x2014; was, he? Die &#x017F;trammen Sol¬<lb/>
daten für un&#x017F;er Heer, wenn nicht der Bauern&#x017F;tand! &#x2014; Grenzen<lb/>
Sie an einer oder an mehreren Seiten mit der Herr&#x017F;chaft Saland?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Bauer erzählte, daß er &#x017F;o gut wie einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ei<lb/>
durch das Dominium. Dann ereiferte er &#x017F;ich über den Wild¬<lb/>
&#x017F;chaden.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Schrecklich! aber dafür hat natürlich &#x017F;o ein Graf gar<lb/>
keinen Sinn!&#x201C; rief der Händler mit dem Ausdrucke höch&#x017F;ter<lb/>
Entrü&#x017F;tung, &#x201E;wenn &#x017F;ichs nur um Bauernflur handelt. Trau¬<lb/>
rige Zu&#x017F;tände &#x017F;ind das! Hat Ihnen der Graf denn &#x017F;chon mal<lb/>
ein Angebot machen la&#x017F;&#x017F;en wegen Ihres Gutes?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Büttnerbauer berichtete, daß der Graf &#x017F;chon &#x017F;eit<lb/>
Jahren um &#x017F;einen Wald handle, aber, daß er ihm nicht einen<lb/>
Fußbreit abzula&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;onnen &#x017F;ei. Hara&#x017F;&#x017F;owitz horchte &#x017F;charf<lb/>
hin auf die&#x017F;e Angaben. Dann nahm er auf einmal wieder eine<lb/>
nachdenkliche Miene an.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja, das &#x017F;ind traurige Verhältni&#x017F;&#x017F;e! Das zehrt am Ver¬<lb/>
mögen, das will ich &#x017F;chon glauben. Da haben Sie doch aller¬<lb/>
hand Sorgen, mein guter Herr Büttner. &#x2014; Haben Sie denn<lb/>
etwa auch Hypotheken&#x017F;chulden auf Ihrem Gute?&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0061] „Ich weiß, ich weiß, es laſtet vielerlei auf dem Ökonomen heutzutage. Sind denn die Abgaben und Laſten ſo bedeutend in Halbenau?“ Der Büttnerbauer ſchüttete darüber ſein Herz gründlich aus. Harraſſowitz ließ ihn reden; nur manchmal warf er eine Bemerkung ein, die den einmal warm Gewordenen veranlaßte, mehr und mehr von ſeinen Verhältniſſen aufzudecken. Jetzt war der Büttnerbauer bei ſeinem Hauptbeſchwernis angelangt: ſeinem mächtigen Nachbarn, der Herrſchaft Saland. „Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne, Herr Büttner!“ rief der Händler, „ſolch einen Großgrundbeſitzer zum Nachbarn zu haben, iſt kein Spaß! Die Leute ſind landgierig, die möchten die Bauern am liebſten alle legen. Das iſt ein wahrer Krebs¬ ſchaden für unſer Volk, die Latifundienwirtſchaft. Ein freier, ſelbſtändiger Bauernſtand wird immer eine Grundbedingung für das Gedeihen des ganzen Staates bilden. Wer ſoll uns denn die Soldaten liefern — was, he? Die ſtrammen Sol¬ daten für unſer Heer, wenn nicht der Bauernſtand! — Grenzen Sie an einer oder an mehreren Seiten mit der Herrſchaft Saland?“ Der Bauer erzählte, daß er ſo gut wie eingeſchloſſen ſei durch das Dominium. Dann ereiferte er ſich über den Wild¬ ſchaden. „Schrecklich! aber dafür hat natürlich ſo ein Graf gar keinen Sinn!“ rief der Händler mit dem Ausdrucke höchſter Entrüſtung, „wenn ſichs nur um Bauernflur handelt. Trau¬ rige Zuſtände ſind das! Hat Ihnen der Graf denn ſchon mal ein Angebot machen laſſen wegen Ihres Gutes?“ Der Büttnerbauer berichtete, daß der Graf ſchon ſeit Jahren um ſeinen Wald handle, aber, daß er ihm nicht einen Fußbreit abzulaſſen geſonnen ſei. Haraſſowitz horchte ſcharf hin auf dieſe Angaben. Dann nahm er auf einmal wieder eine nachdenkliche Miene an. „Ja, das ſind traurige Verhältniſſe! Das zehrt am Ver¬ mögen, das will ich ſchon glauben. Da haben Sie doch aller¬ hand Sorgen, mein guter Herr Büttner. — Haben Sie denn etwa auch Hypothekenſchulden auf Ihrem Gute?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/61
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/61>, abgerufen am 18.05.2024.