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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Der Fremde nahm es sehr genau. Er klopfte an die
Wände, untersuchte das Holzwerk, blickte in die Essen und
Öfen. Vielerlei fand er auszusetzen.

Im Keller stand Wasser. Sam, der selbst niemals
drin gewesen war, erklärte unverfroren: den Keller habe er
immer trocken gefunden, bisher; das müsse zufällig einge¬
drungenes Schneewasser sein. Er wandte sich an den alten
Büttner mit der Aufforderung, ihm das zu bestätigen. Trau¬
gott Büttner erklärte in mürrischem Tone: so lange er lebe,
habe in diesem Keller im Frühjahre stets Wasser gestanden. --
Der Händler biß sich auf die Lippen und warf dem Alten ge¬
rade keinen freundlichen Blick zu.

Auch sonst wurde mancherlei mangelhaft befunden. Die
Öfen taugten nach Ansicht des fremden Herrn nichts, während
Harrassowitz beschwor, sie heizten ausgezeichnet. Die Dielen
sollten an vielen Stellen schadhaft sein. Das Dach sei repa¬
raturbedürftig, die Treppe wackelig. Von der Holzstube wollte
der Herr gar nichts wissen, die müsse er herausreißen lassen
und durch Ziegelwände ersetzen.

Kurz das Haus war, wenn man den Worten des Mannes
trauen durfte: "ein Loch", in das man eine junge Frau un¬
möglich führen konnte.

Harrassowitz meinte, mit einigen hundert Mark mache er
sich anheischig, aus diesem Hause ein wahres Eldorado zu
schaffen, "komfortabel und hochherrschaftlich".

"Eine Hundehütte ist das Ding!" rief der Fremde, der
die starken Ausdrücke zu bevorzugen schien. "Fünftausend
Mark muß ich hier gleich reinschmeißen; bloß was das aus¬
misten kostet. Natürlich geht das vom Kaufpreise ab!"

Der Händler schwor dagegen, beide Hände zur Beteue¬
rung erhebend, dann könne kein Handel zu Stande kommen;
er dürfe nicht eine Mark vom Preise ablassen.

So wurde hin und her gefeilscht zwischen den beiden.
Auf den alten Büttner, der gesenkten Hauptes dabeistand,
Rücksicht zu nehmen, schien man für überflüssig zu halten.

Nachdem man Haus und Hof gründlich besichtigt, wo¬

Der Fremde nahm es ſehr genau. Er klopfte an die
Wände, unterſuchte das Holzwerk, blickte in die Eſſen und
Öfen. Vielerlei fand er auszuſetzen.

Im Keller ſtand Waſſer. Sam, der ſelbſt niemals
drin geweſen war, erklärte unverfroren: den Keller habe er
immer trocken gefunden, bisher; das müſſe zufällig einge¬
drungenes Schneewaſſer ſein. Er wandte ſich an den alten
Büttner mit der Aufforderung, ihm das zu beſtätigen. Trau¬
gott Büttner erklärte in mürriſchem Tone: ſo lange er lebe,
habe in dieſem Keller im Frühjahre ſtets Waſſer geſtanden. —
Der Händler biß ſich auf die Lippen und warf dem Alten ge¬
rade keinen freundlichen Blick zu.

Auch ſonſt wurde mancherlei mangelhaft befunden. Die
Öfen taugten nach Anſicht des fremden Herrn nichts, während
Harraſſowitz beſchwor, ſie heizten ausgezeichnet. Die Dielen
ſollten an vielen Stellen ſchadhaft ſein. Das Dach ſei repa¬
raturbedürftig, die Treppe wackelig. Von der Holzſtube wollte
der Herr gar nichts wiſſen, die müſſe er herausreißen laſſen
und durch Ziegelwände erſetzen.

Kurz das Haus war, wenn man den Worten des Mannes
trauen durfte: „ein Loch“, in das man eine junge Frau un¬
möglich führen konnte.

Harraſſowitz meinte, mit einigen hundert Mark mache er
ſich anheiſchig, aus dieſem Hauſe ein wahres Eldorado zu
ſchaffen, „komfortabel und hochherrſchaftlich“.

„Eine Hundehütte iſt das Ding!“ rief der Fremde, der
die ſtarken Ausdrücke zu bevorzugen ſchien. „Fünftauſend
Mark muß ich hier gleich reinſchmeißen; bloß was das aus¬
miſten koſtet. Natürlich geht das vom Kaufpreiſe ab!“

Der Händler ſchwor dagegen, beide Hände zur Beteue¬
rung erhebend, dann könne kein Handel zu Stande kommen;
er dürfe nicht eine Mark vom Preiſe ablaſſen.

So wurde hin und her gefeilſcht zwiſchen den beiden.
Auf den alten Büttner, der geſenkten Hauptes dabeiſtand,
Rückſicht zu nehmen, ſchien man für überflüſſig zu halten.

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[396/0410] Der Fremde nahm es ſehr genau. Er klopfte an die Wände, unterſuchte das Holzwerk, blickte in die Eſſen und Öfen. Vielerlei fand er auszuſetzen. Im Keller ſtand Waſſer. Sam, der ſelbſt niemals drin geweſen war, erklärte unverfroren: den Keller habe er immer trocken gefunden, bisher; das müſſe zufällig einge¬ drungenes Schneewaſſer ſein. Er wandte ſich an den alten Büttner mit der Aufforderung, ihm das zu beſtätigen. Trau¬ gott Büttner erklärte in mürriſchem Tone: ſo lange er lebe, habe in dieſem Keller im Frühjahre ſtets Waſſer geſtanden. — Der Händler biß ſich auf die Lippen und warf dem Alten ge¬ rade keinen freundlichen Blick zu. Auch ſonſt wurde mancherlei mangelhaft befunden. Die Öfen taugten nach Anſicht des fremden Herrn nichts, während Harraſſowitz beſchwor, ſie heizten ausgezeichnet. Die Dielen ſollten an vielen Stellen ſchadhaft ſein. Das Dach ſei repa¬ raturbedürftig, die Treppe wackelig. Von der Holzſtube wollte der Herr gar nichts wiſſen, die müſſe er herausreißen laſſen und durch Ziegelwände erſetzen. Kurz das Haus war, wenn man den Worten des Mannes trauen durfte: „ein Loch“, in das man eine junge Frau un¬ möglich führen konnte. Harraſſowitz meinte, mit einigen hundert Mark mache er ſich anheiſchig, aus dieſem Hauſe ein wahres Eldorado zu ſchaffen, „komfortabel und hochherrſchaftlich“. „Eine Hundehütte iſt das Ding!“ rief der Fremde, der die ſtarken Ausdrücke zu bevorzugen ſchien. „Fünftauſend Mark muß ich hier gleich reinſchmeißen; bloß was das aus¬ miſten koſtet. Natürlich geht das vom Kaufpreiſe ab!“ Der Händler ſchwor dagegen, beide Hände zur Beteue¬ rung erhebend, dann könne kein Handel zu Stande kommen; er dürfe nicht eine Mark vom Preiſe ablaſſen. So wurde hin und her gefeilſcht zwiſchen den beiden. Auf den alten Büttner, der geſenkten Hauptes dabeiſtand, Rückſicht zu nehmen, ſchien man für überflüſſig zu halten. Nachdem man Haus und Hof gründlich beſichtigt, wo¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/410>, abgerufen am 24.11.2024.