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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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traf den Vertreter des Gesetzes da oben, manch halbunter¬
drücktes giftiges Wort erklang; aber dabei blieb es. All¬
mählich, in größerer Ruhe und Ordnung, als man es bei
einer solchen Menschenfülle für möglich gehalten hätte, setzte
sich die Menge in Bewegung und räumte den Saal.

Draußen auf der Straße freilich war erst zu erkennen,
wie gut die Versammlung all die Zeit über bewacht gewesen
war. Im Lichte der Gaslaternen blitzten Pickelhauben. Ein¬
zelne Berittene sprengten auf und ab und hielten den abströ¬
menden Zug in steter Bewegung.

Gustav hatte das Bewußtsein, etwas Großes erlebt zu
haben. Eine Ahnung war ihm aufgegangen, daß es Kämpfe
gab in der Welt, von denen er daheim, wenn er hinter den
Pferden einhergeschritten war, sich nichts hatte träumen lassen.
Ein Vorhang war weggerissen worden vor seinen Augen,
der ihm eine ganze Welt verborgen gehalten hatte.
Die nächsten Tage brachten neue Erlebnisse.
Er ging mit Häschke in die Arbeitsnachweisbüreaus und
in die Fabriken. Da sah er in langen Reihen die Arbeit¬
suchenden stehen: Männer, die ihre Fertigkeiten, ihre Kräfte,
anboten, wie eine Ware. Er hörte die geschäftsmäßigen kalten
Fragen der Büreauchefs, er sah die verzweifelten Mienen der
Abgewiesenen, vernahm unterdrückte Seufzer und wilde
Flüche.

Dann wohnte er noch anderen Volksversammlungen bei.
Er hörte die Rede eines berühmten Reichstagsabgeordneten
der Arbeiterpartei. Durch Häschke lernte er einzelne Genossen
kennen. Er bekam einen Begriff von dem Dasein einer weit¬
verzweigten mächtigen Verbindung, einer Macht, die weit hinein
reichte, in alle Verhältnisse.

Und je mehr er sah, je mehr zog ihn an, was er kennen
lernte. Es war, als sei er an den Rand eines Strudels ge¬
raten. Er fühlte, daß er da hinabgerissen werden sollte,
widerstrebte und wurde doch in den verfänglichen Kreis hinein¬
getrieben.

Als Soldat hatte er mehr als vier Jahre in der Stadt

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traf den Vertreter des Geſetzes da oben, manch halbunter¬
drücktes giftiges Wort erklang; aber dabei blieb es. All¬
mählich, in größerer Ruhe und Ordnung, als man es bei
einer ſolchen Menſchenfülle für möglich gehalten hätte, ſetzte
ſich die Menge in Bewegung und räumte den Saal.

Draußen auf der Straße freilich war erſt zu erkennen,
wie gut die Verſammlung all die Zeit über bewacht geweſen
war. Im Lichte der Gaslaternen blitzten Pickelhauben. Ein¬
zelne Berittene ſprengten auf und ab und hielten den abſtrö¬
menden Zug in ſteter Bewegung.

Guſtav hatte das Bewußtſein, etwas Großes erlebt zu
haben. Eine Ahnung war ihm aufgegangen, daß es Kämpfe
gab in der Welt, von denen er daheim, wenn er hinter den
Pferden einhergeſchritten war, ſich nichts hatte träumen laſſen.
Ein Vorhang war weggeriſſen worden vor ſeinen Augen,
der ihm eine ganze Welt verborgen gehalten hatte.
Die nächſten Tage brachten neue Erlebniſſe.
Er ging mit Häſchke in die Arbeitsnachweisbüreaus und
in die Fabriken. Da ſah er in langen Reihen die Arbeit¬
ſuchenden ſtehen: Männer, die ihre Fertigkeiten, ihre Kräfte,
anboten, wie eine Ware. Er hörte die geſchäftsmäßigen kalten
Fragen der Büreauchefs, er ſah die verzweifelten Mienen der
Abgewieſenen, vernahm unterdrückte Seufzer und wilde
Flüche.

Dann wohnte er noch anderen Volksverſammlungen bei.
Er hörte die Rede eines berühmten Reichstagsabgeordneten
der Arbeiterpartei. Durch Häſchke lernte er einzelne Genoſſen
kennen. Er bekam einen Begriff von dem Daſein einer weit¬
verzweigten mächtigen Verbindung, einer Macht, die weit hinein
reichte, in alle Verhältniſſe.

Und je mehr er ſah, je mehr zog ihn an, was er kennen
lernte. Es war, als ſei er an den Rand eines Strudels ge¬
raten. Er fühlte, daß er da hinabgeriſſen werden ſollte,
widerſtrebte und wurde doch in den verfänglichen Kreis hinein¬
getrieben.

Als Soldat hatte er mehr als vier Jahre in der Stadt

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[371/0385] traf den Vertreter des Geſetzes da oben, manch halbunter¬ drücktes giftiges Wort erklang; aber dabei blieb es. All¬ mählich, in größerer Ruhe und Ordnung, als man es bei einer ſolchen Menſchenfülle für möglich gehalten hätte, ſetzte ſich die Menge in Bewegung und räumte den Saal. Draußen auf der Straße freilich war erſt zu erkennen, wie gut die Verſammlung all die Zeit über bewacht geweſen war. Im Lichte der Gaslaternen blitzten Pickelhauben. Ein¬ zelne Berittene ſprengten auf und ab und hielten den abſtrö¬ menden Zug in ſteter Bewegung. Guſtav hatte das Bewußtſein, etwas Großes erlebt zu haben. Eine Ahnung war ihm aufgegangen, daß es Kämpfe gab in der Welt, von denen er daheim, wenn er hinter den Pferden einhergeſchritten war, ſich nichts hatte träumen laſſen. Ein Vorhang war weggeriſſen worden vor ſeinen Augen, der ihm eine ganze Welt verborgen gehalten hatte. Die nächſten Tage brachten neue Erlebniſſe. Er ging mit Häſchke in die Arbeitsnachweisbüreaus und in die Fabriken. Da ſah er in langen Reihen die Arbeit¬ ſuchenden ſtehen: Männer, die ihre Fertigkeiten, ihre Kräfte, anboten, wie eine Ware. Er hörte die geſchäftsmäßigen kalten Fragen der Büreauchefs, er ſah die verzweifelten Mienen der Abgewieſenen, vernahm unterdrückte Seufzer und wilde Flüche. Dann wohnte er noch anderen Volksverſammlungen bei. Er hörte die Rede eines berühmten Reichstagsabgeordneten der Arbeiterpartei. Durch Häſchke lernte er einzelne Genoſſen kennen. Er bekam einen Begriff von dem Daſein einer weit¬ verzweigten mächtigen Verbindung, einer Macht, die weit hinein reichte, in alle Verhältniſſe. Und je mehr er ſah, je mehr zog ihn an, was er kennen lernte. Es war, als ſei er an den Rand eines Strudels ge¬ raten. Er fühlte, daß er da hinabgeriſſen werden ſollte, widerſtrebte und wurde doch in den verfänglichen Kreis hinein¬ getrieben. Als Soldat hatte er mehr als vier Jahre in der Stadt 24*

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/385>, abgerufen am 24.11.2024.