Zeit mit Nichtsthun verbringen zu können, meinten. Der Richter arbeitete an seinen Akten. Der Kalkulator schrieb das Protokoll aus, in der Ecke nickte der Gerichtsdiener. Der Geist der Langeweile und der Schläfrigkeit hatte sich über den Raum gesenkt.
Der Richter war ein älterer Beamter. Wie viele Grund¬ stücke waren nicht schon im Laufe der langen Praxis unter seinem Hammer weggegangen! Die Verhandlung pflegte unter seinem Vorsitz glatt, ohne Stocken, wie eine gut geölte Ma¬ schine, zu laufen. Nüchtern, geschäftsmäßig und trocken er¬ klangen seine Fragen.
Was kümmerte es ihn, wer schließlich der Ersteher wurde! Sache des Juristen war es nicht, Mitgefühl zu empfinden; das hätte ja höchstens seine ,strickte Objektivität' trüben können. Für ihn existierte das Stück Erde, welches zufälligerweise einem ge¬ wissen Traugott Büttner gehörte, nur insofern, als es durch ein in ,legaler Weise' herbeigeführtes Zwangsversteigerungsverfahren in ,forensischen Konnex' getreten war zum Gesetz und damit zu ihm, dem Diener des Gesetzes. Dadurch war für den Juristen ein Zaun abgesteckt, innerhalb dessen er sich von rechts¬ wegen bewegen durfte. Wenn er sich's hätte einfallen lassen, den Zaun zu überschreiten, tiefer zu blicken, als seines Amtes war, dann würde er vielleicht entdeckt haben, daß dieses Stück Erde, welches heute unter den Hammer kam, doch noch etwas mehr als ein bloßes Subhastationsaktenstück sei. Er würde gefunden haben, wenn er das ,legale' Gewand der Sache zu lüften sich die Mühe gegeben hätte, daß er nichts Geringeres als das Wohl und Wehe einer Familie, daß er Menschen¬ schweiß und Menschenblut zu ,meistbietender Versteigerung' brachte. Und daß so das ,von Rechtswegen' eine eigentüm¬ liche Bedeutung gewann.
Der Saal füllte sich allmählich wieder, als die zweistün¬ dige Pause sich ihrem Ende zuzuneigen begann, und das Bieten nahm seinen Anfang. Zunächst erfolgten einzelne Gebote, gleichsam tropfenweise; denn keiner der Interessenten wollte dem anderen seinen Eifer merken lassen. Bankier Schönberger hatte
Zeit mit Nichtsthun verbringen zu können, meinten. Der Richter arbeitete an ſeinen Akten. Der Kalkulator ſchrieb das Protokoll aus, in der Ecke nickte der Gerichtsdiener. Der Geiſt der Langeweile und der Schläfrigkeit hatte ſich über den Raum geſenkt.
Der Richter war ein älterer Beamter. Wie viele Grund¬ ſtücke waren nicht ſchon im Laufe der langen Praxis unter ſeinem Hammer weggegangen! Die Verhandlung pflegte unter ſeinem Vorſitz glatt, ohne Stocken, wie eine gut geölte Ma¬ ſchine, zu laufen. Nüchtern, geſchäftsmäßig und trocken er¬ klangen ſeine Fragen.
Was kümmerte es ihn, wer ſchließlich der Erſteher wurde! Sache des Juriſten war es nicht, Mitgefühl zu empfinden; das hätte ja höchſtens ſeine ‚ſtrickte Objektivität‘ trüben können. Für ihn exiſtierte das Stück Erde, welches zufälligerweiſe einem ge¬ wiſſen Traugott Büttner gehörte, nur inſofern, als es durch ein in ,legaler Weiſe‘ herbeigeführtes Zwangsverſteigerungsverfahren in ,forenſiſchen Konnex‘ getreten war zum Geſetz und damit zu ihm, dem Diener des Geſetzes. Dadurch war für den Juriſten ein Zaun abgeſteckt, innerhalb deſſen er ſich von rechts¬ wegen bewegen durfte. Wenn er ſich's hätte einfallen laſſen, den Zaun zu überſchreiten, tiefer zu blicken, als ſeines Amtes war, dann würde er vielleicht entdeckt haben, daß dieſes Stück Erde, welches heute unter den Hammer kam, doch noch etwas mehr als ein bloßes Subhaſtationsaktenſtück ſei. Er würde gefunden haben, wenn er das ,legale‘ Gewand der Sache zu lüften ſich die Mühe gegeben hätte, daß er nichts Geringeres als das Wohl und Wehe einer Familie, daß er Menſchen¬ ſchweiß und Menſchenblut zu ,meiſtbietender Verſteigerung‘ brachte. Und daß ſo das ,von Rechtswegen‘ eine eigentüm¬ liche Bedeutung gewann.
Der Saal füllte ſich allmählich wieder, als die zweiſtün¬ dige Pauſe ſich ihrem Ende zuzuneigen begann, und das Bieten nahm ſeinen Anfang. Zunächſt erfolgten einzelne Gebote, gleichſam tropfenweiſe; denn keiner der Intereſſenten wollte dem anderen ſeinen Eifer merken laſſen. Bankier Schönberger hatte
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Zeit mit Nichtsthun verbringen zu können, meinten. Der
Richter arbeitete an ſeinen Akten. Der Kalkulator ſchrieb
das Protokoll aus, in der Ecke nickte der Gerichtsdiener. Der
Geiſt der Langeweile und der Schläfrigkeit hatte ſich über den
Raum geſenkt.
Der Richter war ein älterer Beamter. Wie viele Grund¬
ſtücke waren nicht ſchon im Laufe der langen Praxis unter
ſeinem Hammer weggegangen! Die Verhandlung pflegte unter
ſeinem Vorſitz glatt, ohne Stocken, wie eine gut geölte Ma¬
ſchine, zu laufen. Nüchtern, geſchäftsmäßig und trocken er¬
klangen ſeine Fragen.
Was kümmerte es ihn, wer ſchließlich der Erſteher wurde!
Sache des Juriſten war es nicht, Mitgefühl zu empfinden; das
hätte ja höchſtens ſeine ‚ſtrickte Objektivität‘ trüben können. Für
ihn exiſtierte das Stück Erde, welches zufälligerweiſe einem ge¬
wiſſen Traugott Büttner gehörte, nur inſofern, als es durch ein
in ,legaler Weiſe‘ herbeigeführtes Zwangsverſteigerungsverfahren
in ,forenſiſchen Konnex‘ getreten war zum Geſetz und damit
zu ihm, dem Diener des Geſetzes. Dadurch war für den
Juriſten ein Zaun abgeſteckt, innerhalb deſſen er ſich von rechts¬
wegen bewegen durfte. Wenn er ſich's hätte einfallen laſſen,
den Zaun zu überſchreiten, tiefer zu blicken, als ſeines Amtes
war, dann würde er vielleicht entdeckt haben, daß dieſes Stück
Erde, welches heute unter den Hammer kam, doch noch etwas
mehr als ein bloßes Subhaſtationsaktenſtück ſei. Er würde
gefunden haben, wenn er das ,legale‘ Gewand der Sache zu
lüften ſich die Mühe gegeben hätte, daß er nichts Geringeres
als das Wohl und Wehe einer Familie, daß er Menſchen¬
ſchweiß und Menſchenblut zu ,meiſtbietender Verſteigerung‘
brachte. Und daß ſo das ,von Rechtswegen‘ eine eigentüm¬
liche Bedeutung gewann.
Der Saal füllte ſich allmählich wieder, als die zweiſtün¬
dige Pauſe ſich ihrem Ende zuzuneigen begann, und das Bieten
nahm ſeinen Anfang. Zunächſt erfolgten einzelne Gebote,
gleichſam tropfenweiſe; denn keiner der Intereſſenten wollte dem
anderen ſeinen Eifer merken laſſen. Bankier Schönberger hatte
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/281>, abgerufen am 28.11.2024.
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