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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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der Alte diesen Gedanken schnell wieder fallen ließ. Er blickte
fragend nach seiner Lebensgefährtin hinüber.

Die Bäuerin nickte ihm zu, ermutigte ihn: "Nimm's ack,
Mann! nimm's ack an! Der Herr meent's gutt mit uns --
newohr?"

Der Bauer streckte die Hand aus und wollte nach dem
Gelde greifen.

"Halt! Noch eine kleine Formalität!" meinte Harrassowitz
lächelnd, und legte schnell sein Taschenbuch auf die Scheine.
"Nur der Ordnung wegen! Wir stehen allezeit in Gottes
Hand und wissen nicht, wie schnell wir abgerufen werden
können. Dann fehlt es nachher an einem Belege. Das wollen
wir doch nicht! Nichtwahr?"

Er hatte dem Taschenbuche einen schmalen, bedruckten
Zettel entnommen. "Tinte und Feder ist wohl im Hause?"
Karl wurde beauftragt, das Gewünschte zu schaffen. "Ordnung
muß sein in allem. Das ist man sich als reeller Geschäfts¬
mann schuldig." Sam füllte das Formular mit einigen Feder¬
zügen aus. "Also, ich schreibe Mark vierhundert. Es ist doch
recht so?" Niemand antwortete; der Bauer atmete so schwer,
daß man es durch das ganze Zimmer vernahm. "Dann bitte
ich nur hier zu unterschreiben," sagte der Händler, stand auf
und reichte dem Alten die Feder.

Der Büttnerbauer stand eine Weile da, den Zettel
drehend und wendend; mit hülflosen Blicken sah er Frau,
Sohn und den Händler an. "Lesen Sie nur erst, Herr
Büttner!" mahnte Harrassowitz. "Ungelesen soll man nichts
unterschreiben." Der Bauer hielt das Papier mit zitternden
Händen weit von sich ab und studierte lange. "Nur keine
Sorge, mein Guter; es ist alles drin, was drin sein muß,"
witzelte Sam. "Die ganze Geschichte ist in bester Ordnung.
Bequemer kann ich's Ihnen nicht machen. Hier, das Geld!
Sie bekennen: Wert in Bar empfangen zu haben und mir
die Summe am ersten Oktober dieses Jahres zurückerstatten zu
wollen. Da fällt die Ernte dazwischen, bedenken Sie das!
Kulantere Bedingungen kann ich nicht stellen. Das Papier

der Alte dieſen Gedanken ſchnell wieder fallen ließ. Er blickte
fragend nach ſeiner Lebensgefährtin hinüber.

Die Bäuerin nickte ihm zu, ermutigte ihn: „Nimm's ack,
Mann! nimm's ack an! Der Herr meent's gutt mit uns —
newohr?“

Der Bauer ſtreckte die Hand aus und wollte nach dem
Gelde greifen.

„Halt! Noch eine kleine Formalität!“ meinte Harraſſowitz
lächelnd, und legte ſchnell ſein Taſchenbuch auf die Scheine.
„Nur der Ordnung wegen! Wir ſtehen allezeit in Gottes
Hand und wiſſen nicht, wie ſchnell wir abgerufen werden
können. Dann fehlt es nachher an einem Belege. Das wollen
wir doch nicht! Nichtwahr?“

Er hatte dem Taſchenbuche einen ſchmalen, bedruckten
Zettel entnommen. „Tinte und Feder iſt wohl im Hauſe?“
Karl wurde beauftragt, das Gewünſchte zu ſchaffen. „Ordnung
muß ſein in allem. Das iſt man ſich als reeller Geſchäfts¬
mann ſchuldig.“ Sam füllte das Formular mit einigen Feder¬
zügen aus. „Alſo, ich ſchreibe Mark vierhundert. Es iſt doch
recht ſo?“ Niemand antwortete; der Bauer atmete ſo ſchwer,
daß man es durch das ganze Zimmer vernahm. „Dann bitte
ich nur hier zu unterſchreiben,“ ſagte der Händler, ſtand auf
und reichte dem Alten die Feder.

Der Büttnerbauer ſtand eine Weile da, den Zettel
drehend und wendend; mit hülfloſen Blicken ſah er Frau,
Sohn und den Händler an. „Leſen Sie nur erſt, Herr
Büttner!“ mahnte Harraſſowitz. „Ungeleſen ſoll man nichts
unterſchreiben.“ Der Bauer hielt das Papier mit zitternden
Händen weit von ſich ab und ſtudierte lange. „Nur keine
Sorge, mein Guter; es iſt alles drin, was drin ſein muß,“
witzelte Sam. „Die ganze Geſchichte iſt in beſter Ordnung.
Bequemer kann ich's Ihnen nicht machen. Hier, das Geld!
Sie bekennen: Wert in Bar empfangen zu haben und mir
die Summe am erſten Oktober dieſes Jahres zurückerſtatten zu
wollen. Da fällt die Ernte dazwiſchen, bedenken Sie das!
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[95/0109] der Alte dieſen Gedanken ſchnell wieder fallen ließ. Er blickte fragend nach ſeiner Lebensgefährtin hinüber. Die Bäuerin nickte ihm zu, ermutigte ihn: „Nimm's ack, Mann! nimm's ack an! Der Herr meent's gutt mit uns — newohr?“ Der Bauer ſtreckte die Hand aus und wollte nach dem Gelde greifen. „Halt! Noch eine kleine Formalität!“ meinte Harraſſowitz lächelnd, und legte ſchnell ſein Taſchenbuch auf die Scheine. „Nur der Ordnung wegen! Wir ſtehen allezeit in Gottes Hand und wiſſen nicht, wie ſchnell wir abgerufen werden können. Dann fehlt es nachher an einem Belege. Das wollen wir doch nicht! Nichtwahr?“ Er hatte dem Taſchenbuche einen ſchmalen, bedruckten Zettel entnommen. „Tinte und Feder iſt wohl im Hauſe?“ Karl wurde beauftragt, das Gewünſchte zu ſchaffen. „Ordnung muß ſein in allem. Das iſt man ſich als reeller Geſchäfts¬ mann ſchuldig.“ Sam füllte das Formular mit einigen Feder¬ zügen aus. „Alſo, ich ſchreibe Mark vierhundert. Es iſt doch recht ſo?“ Niemand antwortete; der Bauer atmete ſo ſchwer, daß man es durch das ganze Zimmer vernahm. „Dann bitte ich nur hier zu unterſchreiben,“ ſagte der Händler, ſtand auf und reichte dem Alten die Feder. Der Büttnerbauer ſtand eine Weile da, den Zettel drehend und wendend; mit hülfloſen Blicken ſah er Frau, Sohn und den Händler an. „Leſen Sie nur erſt, Herr Büttner!“ mahnte Harraſſowitz. „Ungeleſen ſoll man nichts unterſchreiben.“ Der Bauer hielt das Papier mit zitternden Händen weit von ſich ab und ſtudierte lange. „Nur keine Sorge, mein Guter; es iſt alles drin, was drin ſein muß,“ witzelte Sam. „Die ganze Geſchichte iſt in beſter Ordnung. Bequemer kann ich's Ihnen nicht machen. Hier, das Geld! Sie bekennen: Wert in Bar empfangen zu haben und mir die Summe am erſten Oktober dieſes Jahres zurückerſtatten zu wollen. Da fällt die Ernte dazwiſchen, bedenken Sie das! Kulantere Bedingungen kann ich nicht ſtellen. Das Papier

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/109>, abgerufen am 17.05.2024.