Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_424.001 Und dieser Geist, der sich geweiht ppo_424.002
Jm Lebensstral der Wahrheit sonnte, ppo_424.003 Jst ein Gestirn, das hell und schön ppo_424.004 Hervortritt, um am Horizonte ppo_424.005 Der Menschheit herrlich aufzugehn. ppo_424.006 Der edle Mann lebt nie vergebens; ppo_424.007 Er geht einst, hemmt sich hier sein Lauf, ppo_424.008 Nach Sonnenuntergang des Lebens, ppo_424.009 Als ein Gestirn der Nachwelt auf. ppo_424.010 O blicke zu dem Mann des Strebens, ppo_424.011 Mit stiller Andacht blick' hinauf! ppo_424.012 Wir sehn ihn unter seinen Freunden, ppo_424.013 Ganz Friede, tragende Geduld; ppo_424.014 Dort steht er mitten unter Feinden, ppo_424.015 Groß, wie der Sieg; sanft, wie die Huld. ppo_424.016 Hier predigt er. Mit welcher Weihung ppo_424.017 Reißt seiner Lehre Geist und Sinn ppo_424.018 Zur Wahrheit seiner Tugend hin! ppo_424.019 Dort spricht er göttliche Verzeihung ppo_424.020 Herab auf eine Sünderin. ppo_424.021 Hier stillt er thränenvolle Klagen, ppo_424.022 Und dort verschmäht er einen Thron. ppo_424.023 Wer ist der Mann, um für den Lohn ppo_424.024 Der Wahrheit Alles das zu tragen? ppo_424.025 Er sagt es selbst -- ein Menschensohn, ppo_424.026 Der, weil er anders war und glaubte, ppo_424.027 Als ihm des Wahnes Täuschungsspiel ppo_424.028 Zu glauben und zu seyn erlaubte, ppo_424.029 Zum Opfer seiner Wahrheit fiel. ppo_424.030 Er geht, mit ruhiger Erhebung ppo_424.031 Zum Himmel, den er selbst sich gab, ppo_424.032 Den dunkeln Todesweg hinab; ppo_424.033 Sein letztes Athmen spricht Vergebung ppo_424.034 Auf seine Peiniger herab. ppo_424.001 Und dieser Geist, der sich geweiht ppo_424.002
Jm Lebensstral der Wahrheit sonnte, ppo_424.003 Jst ein Gestirn, das hell und schön ppo_424.004 Hervortritt, um am Horizonte ppo_424.005 Der Menschheit herrlich aufzugehn. ppo_424.006 Der edle Mann lebt nie vergebens; ppo_424.007 Er geht einst, hemmt sich hier sein Lauf, ppo_424.008 Nach Sonnenuntergang des Lebens, ppo_424.009 Als ein Gestirn der Nachwelt auf. ppo_424.010 O blicke zu dem Mann des Strebens, ppo_424.011 Mit stiller Andacht blick' hinauf! ppo_424.012 Wir sehn ihn unter seinen Freunden, ppo_424.013 Ganz Friede, tragende Geduld; ppo_424.014 Dort steht er mitten unter Feinden, ppo_424.015 Groß, wie der Sieg; sanft, wie die Huld. ppo_424.016 Hier predigt er. Mit welcher Weihung ppo_424.017 Reißt seiner Lehre Geist und Sinn ppo_424.018 Zur Wahrheit seiner Tugend hin! ppo_424.019 Dort spricht er göttliche Verzeihung ppo_424.020 Herab auf eine Sünderin. ppo_424.021 Hier stillt er thränenvolle Klagen, ppo_424.022 Und dort verschmäht er einen Thron. ppo_424.023 Wer ist der Mann, um für den Lohn ppo_424.024 Der Wahrheit Alles das zu tragen? ppo_424.025 Er sagt es selbst — ein Menschensohn, ppo_424.026 Der, weil er anders war und glaubte, ppo_424.027 Als ihm des Wahnes Täuschungsspiel ppo_424.028 Zu glauben und zu seyn erlaubte, ppo_424.029 Zum Opfer seiner Wahrheit fiel. ppo_424.030 Er geht, mit ruhiger Erhebung ppo_424.031 Zum Himmel, den er selbst sich gab, ppo_424.032 Den dunkeln Todesweg hinab; ppo_424.033 Sein letztes Athmen spricht Vergebung ppo_424.034 Auf seine Peiniger herab. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0436" n="424"/> <lb n="ppo_424.001"/> <lg> <l>Und dieser Geist, der sich geweiht</l> <lb n="ppo_424.002"/> <l>Jm Lebensstral der Wahrheit sonnte,</l> <lb n="ppo_424.003"/> <l>Jst ein Gestirn, das hell und schön</l> <lb n="ppo_424.004"/> <l>Hervortritt, um am Horizonte</l> <lb n="ppo_424.005"/> <l>Der Menschheit herrlich aufzugehn.</l> <lb n="ppo_424.006"/> <l>Der edle Mann lebt nie vergebens;</l> <lb n="ppo_424.007"/> <l>Er geht einst, hemmt sich hier sein Lauf,</l> <lb n="ppo_424.008"/> <l>Nach Sonnenuntergang des Lebens,</l> <lb n="ppo_424.009"/> <l>Als ein Gestirn der Nachwelt auf.</l> <lb n="ppo_424.010"/> <l>O blicke zu dem Mann des Strebens,</l> <lb n="ppo_424.011"/> <l>Mit stiller Andacht blick' hinauf!</l> <lb n="ppo_424.012"/> <l>Wir sehn ihn unter seinen Freunden,</l> <lb n="ppo_424.013"/> <l>Ganz Friede, tragende Geduld;</l> <lb n="ppo_424.014"/> <l>Dort steht er mitten unter Feinden,</l> <lb n="ppo_424.015"/> <l>Groß, wie der Sieg; sanft, wie die Huld.</l> <lb n="ppo_424.016"/> <l>Hier predigt er. Mit welcher Weihung</l> <lb n="ppo_424.017"/> <l>Reißt seiner Lehre Geist und Sinn</l> <lb n="ppo_424.018"/> <l>Zur Wahrheit seiner Tugend hin!</l> <lb n="ppo_424.019"/> <l>Dort spricht er göttliche Verzeihung</l> <lb n="ppo_424.020"/> <l>Herab auf eine Sünderin.</l> <lb n="ppo_424.021"/> <l>Hier stillt er thränenvolle Klagen,</l> <lb n="ppo_424.022"/> <l>Und dort verschmäht er einen Thron.</l> <lb n="ppo_424.023"/> <l>Wer ist der Mann, um für den Lohn</l> <lb n="ppo_424.024"/> <l>Der Wahrheit Alles das zu tragen?</l> <lb n="ppo_424.025"/> <l>Er sagt es selbst — ein Menschensohn,</l> <lb n="ppo_424.026"/> <l>Der, weil er anders war und glaubte,</l> <lb n="ppo_424.027"/> <l>Als ihm des Wahnes Täuschungsspiel</l> <lb n="ppo_424.028"/> <l>Zu glauben und zu seyn erlaubte,</l> <lb n="ppo_424.029"/> <l>Zum Opfer seiner Wahrheit fiel.</l> <lb n="ppo_424.030"/> <l>Er geht, mit ruhiger Erhebung</l> <lb n="ppo_424.031"/> <l>Zum Himmel, den er selbst sich gab,</l> <lb n="ppo_424.032"/> <l>Den dunkeln Todesweg hinab;</l> <lb n="ppo_424.033"/> <l>Sein letztes Athmen spricht Vergebung</l> <lb n="ppo_424.034"/> <l>Auf seine Peiniger herab.</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [424/0436]
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/436>, abgerufen am 26.06.2024. |