Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_425.001 Er fühlt sein Werk. Durch das Getümmel ppo_425.002 ppo_425.013Der Feind' und durch die Todesnacht ppo_425.003 Drängt dies Gefühl mit Göttermacht, ppo_425.004 Und strömt in sein: Es ist vollbracht! ppo_425.005 Den fürchterlich errungnen Himmel. ppo_425.006 O dieser Zauber hält uns fest; ppo_425.007 Durchglüht uns, wie ein mildes Feuer; ppo_425.008 Er reißt uns fort, daß ihren Schleier ppo_425.009 Die Seel' im Fluge fallen läßt, ppo_425.010 Und wie in einer Engelfeier, ppo_425.011 Wo unter ihr die Sorge wühlt, ppo_425.012 Die nahende Vergött'rung fühlt. 9) von Müchler. ppo_425.014Liebesbrief eines Sprachmeisters. ppo_425.015 Nein, es genügt dir nicht ein Brief im Substantiv; ppo_425.016
Verschönern möcht' ich ihn durch manches Adjectiv; ppo_425.017 Zu schwach ertönt mein Lied von deinem Nom'nativ, ppo_425.018 Denn meine Muse steht, ach, stets im Genitiv, ppo_425.019 Und niemals war für mich Apollo ein Dativ; ppo_425.020 O, Holde, sey für mich nie ein Accusativ! ppo_425.021 Taub blieb der Musengott bei meinem Vocativ, ppo_425.022 Und immer steh' ich nur bei ihm im Ablativ. ppo_425.023 Nimm meine Huldigung; denn sie ist positiv, ppo_425.024 Und meine Zärtlichkeit kennt keinen Comp'rativ; ppo_425.025 Bis zu des Lebens Ziel bleibt sie superlativ. ppo_425.026 Welch Glück, erschiene sie dir recht indicativ. ppo_425.027 Stell' auf die Probe sie durch den Jmperativ, ppo_425.028 Sie übertrifft gewiß den höchsten Optativ. ppo_425.029 Jn meinem Herzen bleibt die Lieb' infinitiv; ppo_425.030 Und hiermit schließ' dein Knecht in Demuth seinen Brief. ppo_425.001 Er fühlt sein Werk. Durch das Getümmel ppo_425.002 ppo_425.013Der Feind' und durch die Todesnacht ppo_425.003 Drängt dies Gefühl mit Göttermacht, ppo_425.004 Und strömt in sein: Es ist vollbracht! ppo_425.005 Den fürchterlich errungnen Himmel. ppo_425.006 O dieser Zauber hält uns fest; ppo_425.007 Durchglüht uns, wie ein mildes Feuer; ppo_425.008 Er reißt uns fort, daß ihren Schleier ppo_425.009 Die Seel' im Fluge fallen läßt, ppo_425.010 Und wie in einer Engelfeier, ppo_425.011 Wo unter ihr die Sorge wühlt, ppo_425.012 Die nahende Vergött'rung fühlt. 9) von Müchler. ppo_425.014Liebesbrief eines Sprachmeisters. ppo_425.015 Nein, es genügt dir nicht ein Brief im Substantiv; ppo_425.016
Verschönern möcht' ich ihn durch manches Adjectiv; ppo_425.017 Zu schwach ertönt mein Lied von deinem Nom'nativ, ppo_425.018 Denn meine Muse steht, ach, stets im Genitiv, ppo_425.019 Und niemals war für mich Apollo ein Dativ; ppo_425.020 O, Holde, sey für mich nie ein Accusativ! ppo_425.021 Taub blieb der Musengott bei meinem Vocativ, ppo_425.022 Und immer steh' ich nur bei ihm im Ablativ. ppo_425.023 Nimm meine Huldigung; denn sie ist positiv, ppo_425.024 Und meine Zärtlichkeit kennt keinen Comp'rativ; ppo_425.025 Bis zu des Lebens Ziel bleibt sie superlativ. ppo_425.026 Welch Glück, erschiene sie dir recht indicativ. ppo_425.027 Stell' auf die Probe sie durch den Jmperativ, ppo_425.028 Sie übertrifft gewiß den höchsten Optativ. ppo_425.029 Jn meinem Herzen bleibt die Lieb' infinitiv; ppo_425.030 Und hiermit schließ' dein Knecht in Demuth seinen Brief. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0437" n="425"/> <lb n="ppo_425.001"/> <lg> <l>Er fühlt sein Werk. Durch das Getümmel</l> <lb n="ppo_425.002"/> <l>Der Feind' und durch die Todesnacht</l> <lb n="ppo_425.003"/> <l>Drängt dies Gefühl mit Göttermacht,</l> <lb n="ppo_425.004"/> <l>Und strömt in sein: Es ist vollbracht!</l> <lb n="ppo_425.005"/> <l>Den fürchterlich errungnen Himmel.</l> <lb n="ppo_425.006"/> <l>O dieser Zauber hält uns fest;</l> <lb n="ppo_425.007"/> <l>Durchglüht uns, wie ein mildes Feuer;</l> <lb n="ppo_425.008"/> <l>Er reißt uns fort, daß ihren Schleier</l> <lb n="ppo_425.009"/> <l>Die Seel' im Fluge fallen läßt,</l> <lb n="ppo_425.010"/> <l>Und wie in einer Engelfeier,</l> <lb n="ppo_425.011"/> <l>Wo unter ihr die Sorge wühlt,</l> <lb n="ppo_425.012"/> <l>Die nahende Vergött'rung fühlt.</l> </lg> <lb n="ppo_425.013"/> <p> <hi rendition="#et"> 9) von <hi rendition="#g">Müchler.</hi></hi> </p> <lb n="ppo_425.014"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Liebesbrief eines Sprachmeisters.</hi> </hi> </p> <lb n="ppo_425.015"/> <lg> <l> Nein, es genügt dir nicht ein Brief im Substantiv;</l> <lb n="ppo_425.016"/> <l>Verschönern möcht' ich ihn durch manches Adjectiv;</l> <lb n="ppo_425.017"/> <l>Zu schwach ertönt mein Lied von deinem Nom'nativ,</l> <lb n="ppo_425.018"/> <l>Denn meine Muse steht, ach, stets im Genitiv,</l> <lb n="ppo_425.019"/> <l>Und niemals war für mich Apollo ein Dativ;</l> <lb n="ppo_425.020"/> <l>O, Holde, sey für mich nie ein Accusativ!</l> <lb n="ppo_425.021"/> <l>Taub blieb der Musengott bei meinem Vocativ,</l> <lb n="ppo_425.022"/> <l>Und immer steh' ich nur bei ihm im Ablativ.</l> <lb n="ppo_425.023"/> <l>Nimm meine Huldigung; denn sie ist positiv,</l> <lb n="ppo_425.024"/> <l>Und meine Zärtlichkeit kennt keinen Comp'rativ;</l> <lb n="ppo_425.025"/> <l>Bis zu des Lebens Ziel bleibt sie superlativ.</l> <lb n="ppo_425.026"/> <l>Welch Glück, erschiene sie dir recht indicativ.</l> <lb n="ppo_425.027"/> <l>Stell' auf die Probe sie durch den Jmperativ,</l> <lb n="ppo_425.028"/> <l>Sie übertrifft gewiß den höchsten Optativ.</l> <lb n="ppo_425.029"/> <l>Jn meinem Herzen bleibt die Lieb' infinitiv;</l> <lb n="ppo_425.030"/> <l>Und hiermit schließ' dein Knecht in Demuth seinen Brief.</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [425/0437]
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/437>, abgerufen am 16.07.2024. |