ppo_409.001 Wann ich die blühende Winde sehe mit weißen Glocken, ppo_409.002 wie sie umarmend am geliebten Strauche hinanstrebt; ppo_409.003 wenn ich sehe, wie jeder summender Käfer, jeder Vogel ppo_409.004 buhlend zur wartenden Gattin hinschwebt, und jeder ppo_409.005 gesellige Fisch wollüstig sein streichendes Weibchen umhüpft; ppo_409.006 und wenn ich denn denke, daß unsre Verbindung ppo_409.007 allein ein feindliches Verhängniß verbietet; dann, Geliebte, ppo_409.008 dann weinet etwas aus meinem Jnnersten heraus; ppo_409.009 mir wird so bange -- ich kann's nicht aussprechen! ppo_409.010 Dann wünsche ich mir das Glück des summenden Käfers ppo_409.011 oder des hüpfenden Fisches, und manchmal möchte ppo_409.012 ich sie beneiden, weil niemand bei ihnen die heiligste ppo_409.013 Neigung in lästige Fesseln zwängt. O warum mußte ppo_409.014 ich hier gebohren werden, hier, wo die Götter mir verbieten, ppo_409.015 dich, Mädchen voll Unschuld, als meine Gattin ppo_409.016 zu lieben? Glücklicher wäre ich, viel glücklicher, wenn ppo_409.017 mich einsam mit dir, auf der fernsten Jnsel, das große ppo_409.018 Weltmeer umschlösse, wie den fernen Mond das blaue ppo_409.019 Leere umschließt."
ppo_409.020
Amymone. O du sanft leuchtender Mond, und ppo_409.021 ihr funkelnden Lichter da oben! Schon oft hab' ich euch ppo_409.022 betrachtet, schon oft hab' ich gesagt: ihr kleinen Sterne, ppo_409.023 ihr wißt wohl auch von der Liebe; denn das reinste ppo_409.024 Feuer ist die Liebe, und ihr brennet mit dem reinsten, ppo_409.025 glänzendsten Feuer. Und wenn ihnen der holde Mond ppo_409.026 auf seiner Bahn sich nahte; wenn endlich sein wandelndes ppo_409.027 Antlitz sie langsam berührte; dann fiel mir ein heiliges ppo_409.028 Lied ein, und ich fragte mich: war das nicht ein ppo_409.029 Kuß?
ppo_409.030
Elon. Starr blickte ich neulich seine volle Scheibe ppo_409.031 an; da glaubte ich schöne Auen und leuchtende Hügel ppo_409.032 darin zu sehen; er schien mir in blauer Ferne einher ppo_409.033 zu fahren, wie eine schwimmende Jnsel auf unermeßlicher ppo_409.034 See. O Amymone, dachte ich, wäre ich mit
ppo_409.001 Wann ich die blühende Winde sehe mit weißen Glocken, ppo_409.002 wie sie umarmend am geliebten Strauche hinanstrebt; ppo_409.003 wenn ich sehe, wie jeder summender Käfer, jeder Vogel ppo_409.004 buhlend zur wartenden Gattin hinschwebt, und jeder ppo_409.005 gesellige Fisch wollüstig sein streichendes Weibchen umhüpft; ppo_409.006 und wenn ich denn denke, daß unsre Verbindung ppo_409.007 allein ein feindliches Verhängniß verbietet; dann, Geliebte, ppo_409.008 dann weinet etwas aus meinem Jnnersten heraus; ppo_409.009 mir wird so bange — ich kann's nicht aussprechen! ppo_409.010 Dann wünsche ich mir das Glück des summenden Käfers ppo_409.011 oder des hüpfenden Fisches, und manchmal möchte ppo_409.012 ich sie beneiden, weil niemand bei ihnen die heiligste ppo_409.013 Neigung in lästige Fesseln zwängt. O warum mußte ppo_409.014 ich hier gebohren werden, hier, wo die Götter mir verbieten, ppo_409.015 dich, Mädchen voll Unschuld, als meine Gattin ppo_409.016 zu lieben? Glücklicher wäre ich, viel glücklicher, wenn ppo_409.017 mich einsam mit dir, auf der fernsten Jnsel, das große ppo_409.018 Weltmeer umschlösse, wie den fernen Mond das blaue ppo_409.019 Leere umschließt.“
ppo_409.020
Amymone. O du sanft leuchtender Mond, und ppo_409.021 ihr funkelnden Lichter da oben! Schon oft hab' ich euch ppo_409.022 betrachtet, schon oft hab' ich gesagt: ihr kleinen Sterne, ppo_409.023 ihr wißt wohl auch von der Liebe; denn das reinste ppo_409.024 Feuer ist die Liebe, und ihr brennet mit dem reinsten, ppo_409.025 glänzendsten Feuer. Und wenn ihnen der holde Mond ppo_409.026 auf seiner Bahn sich nahte; wenn endlich sein wandelndes ppo_409.027 Antlitz sie langsam berührte; dann fiel mir ein heiliges ppo_409.028 Lied ein, und ich fragte mich: war das nicht ein ppo_409.029 Kuß?
ppo_409.030
Elon. Starr blickte ich neulich seine volle Scheibe ppo_409.031 an; da glaubte ich schöne Auen und leuchtende Hügel ppo_409.032 darin zu sehen; er schien mir in blauer Ferne einher ppo_409.033 zu fahren, wie eine schwimmende Jnsel auf unermeßlicher ppo_409.034 See. O Amymone, dachte ich, wäre ich mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0421"n="409"/><lbn="ppo_409.001"/>Wann ich die blühende Winde sehe mit weißen Glocken, <lbn="ppo_409.002"/>wie sie umarmend am geliebten Strauche hinanstrebt; <lbn="ppo_409.003"/>wenn ich sehe, wie jeder summender Käfer, jeder Vogel <lbn="ppo_409.004"/>buhlend zur wartenden Gattin hinschwebt, und jeder <lbn="ppo_409.005"/>gesellige Fisch wollüstig sein streichendes Weibchen umhüpft; <lbn="ppo_409.006"/>und wenn ich denn denke, daß unsre Verbindung <lbn="ppo_409.007"/>allein ein feindliches Verhängniß verbietet; dann, Geliebte, <lbn="ppo_409.008"/>dann weinet etwas aus meinem Jnnersten heraus; <lbn="ppo_409.009"/>mir wird so bange — ich kann's nicht aussprechen! <lbn="ppo_409.010"/>Dann wünsche ich mir das Glück des summenden Käfers <lbn="ppo_409.011"/>oder des hüpfenden Fisches, und manchmal möchte <lbn="ppo_409.012"/>ich sie beneiden, weil niemand bei ihnen die heiligste <lbn="ppo_409.013"/>Neigung in lästige Fesseln zwängt. O warum mußte <lbn="ppo_409.014"/>ich hier gebohren werden, hier, wo die Götter mir verbieten, <lbn="ppo_409.015"/>dich, Mädchen voll Unschuld, als meine Gattin <lbn="ppo_409.016"/>zu lieben? Glücklicher wäre ich, viel glücklicher, wenn <lbn="ppo_409.017"/>mich einsam mit dir, auf der fernsten Jnsel, das große <lbn="ppo_409.018"/>Weltmeer umschlösse, wie den fernen Mond das blaue <lbn="ppo_409.019"/>Leere umschließt.“</p><lbn="ppo_409.020"/><p><hirendition="#g">Amymone.</hi> O du sanft leuchtender Mond, und <lbn="ppo_409.021"/>ihr funkelnden Lichter da oben! Schon oft hab' ich euch <lbn="ppo_409.022"/>betrachtet, schon oft hab' ich gesagt: ihr kleinen Sterne, <lbn="ppo_409.023"/>ihr wißt wohl auch von der Liebe; denn das reinste <lbn="ppo_409.024"/>Feuer ist die Liebe, und ihr brennet mit dem reinsten, <lbn="ppo_409.025"/>glänzendsten Feuer. Und wenn ihnen der holde Mond <lbn="ppo_409.026"/>auf seiner Bahn sich nahte; wenn endlich sein wandelndes <lbn="ppo_409.027"/>Antlitz sie langsam berührte; dann fiel mir ein heiliges <lbn="ppo_409.028"/>Lied ein, und ich fragte mich: war das nicht ein <lbn="ppo_409.029"/>Kuß?</p><lbn="ppo_409.030"/><p><hirendition="#g">Elon.</hi> Starr blickte ich neulich seine volle Scheibe <lbn="ppo_409.031"/>an; da glaubte ich schöne Auen und leuchtende Hügel <lbn="ppo_409.032"/>darin zu sehen; er schien mir in blauer Ferne einher <lbn="ppo_409.033"/>zu fahren, wie eine schwimmende Jnsel auf unermeßlicher <lbn="ppo_409.034"/>See. O Amymone, dachte ich, wäre ich mit
</p></div></div></body></text></TEI>
[409/0421]
ppo_409.001
Wann ich die blühende Winde sehe mit weißen Glocken, ppo_409.002
wie sie umarmend am geliebten Strauche hinanstrebt; ppo_409.003
wenn ich sehe, wie jeder summender Käfer, jeder Vogel ppo_409.004
buhlend zur wartenden Gattin hinschwebt, und jeder ppo_409.005
gesellige Fisch wollüstig sein streichendes Weibchen umhüpft; ppo_409.006
und wenn ich denn denke, daß unsre Verbindung ppo_409.007
allein ein feindliches Verhängniß verbietet; dann, Geliebte, ppo_409.008
dann weinet etwas aus meinem Jnnersten heraus; ppo_409.009
mir wird so bange — ich kann's nicht aussprechen! ppo_409.010
Dann wünsche ich mir das Glück des summenden Käfers ppo_409.011
oder des hüpfenden Fisches, und manchmal möchte ppo_409.012
ich sie beneiden, weil niemand bei ihnen die heiligste ppo_409.013
Neigung in lästige Fesseln zwängt. O warum mußte ppo_409.014
ich hier gebohren werden, hier, wo die Götter mir verbieten, ppo_409.015
dich, Mädchen voll Unschuld, als meine Gattin ppo_409.016
zu lieben? Glücklicher wäre ich, viel glücklicher, wenn ppo_409.017
mich einsam mit dir, auf der fernsten Jnsel, das große ppo_409.018
Weltmeer umschlösse, wie den fernen Mond das blaue ppo_409.019
Leere umschließt.“
ppo_409.020
Amymone. O du sanft leuchtender Mond, und ppo_409.021
ihr funkelnden Lichter da oben! Schon oft hab' ich euch ppo_409.022
betrachtet, schon oft hab' ich gesagt: ihr kleinen Sterne, ppo_409.023
ihr wißt wohl auch von der Liebe; denn das reinste ppo_409.024
Feuer ist die Liebe, und ihr brennet mit dem reinsten, ppo_409.025
glänzendsten Feuer. Und wenn ihnen der holde Mond ppo_409.026
auf seiner Bahn sich nahte; wenn endlich sein wandelndes ppo_409.027
Antlitz sie langsam berührte; dann fiel mir ein heiliges ppo_409.028
Lied ein, und ich fragte mich: war das nicht ein ppo_409.029
Kuß?
ppo_409.030
Elon. Starr blickte ich neulich seine volle Scheibe ppo_409.031
an; da glaubte ich schöne Auen und leuchtende Hügel ppo_409.032
darin zu sehen; er schien mir in blauer Ferne einher ppo_409.033
zu fahren, wie eine schwimmende Jnsel auf unermeßlicher ppo_409.034
See. O Amymone, dachte ich, wäre ich mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/421>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.