Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 4. München, 1871.
sofern das gute Weib, wie ich glaube und befürchte, nicht mehr lange leben wird. Heut zum Beispiel machte sie ganz curiose Augen auf mich, als ob's nit richtig sei mit ihr; auch ist ihre Nasenspitz noch feiner zugespitzt, als jemals, und wenn sie was reden will, so geht's nicht und seit drei Tagen hat sie nur ein paar Löffel Supp hinuntergebracht. Die Sach ist immer bedenklich, weßhalb ich's auch be- dacht hab' und jetzt ohne weiters zuerst zum Bader und nachher zum Herrn Pfarrer gehen will. Frei- lich: der Bader, obgleich er schon manche Kur prästirt hat, hat doch noch Niemand am Sterben gehindert, wenn's an der Zeit war und überdieß ist er eigentlich ein Esel, der am lieben Vieh her- umprobirt, wenn's krank ist, geschweige erst das Ebenbild Gottes, den Menschen, maltraitirt und in die Ewigkeit schon Manchen expedirt hat, eh's ihm lieb war. Was aber den Herrn Pfarrer anbelangt, so kann ja der geistliche Zuspruch, und was sonst noch Heiliges dabei ist, niemals zu früh kommen, dieweilen aber wohl zu spät, wenn nemlich die arme Seele auf den Herrn Pfarrer nicht mehr hat warten können und schon vorher abgereift ist. -- Gott hab sie selig. -- Also könnt's auch bei der alten Wal- burg geschehen; ich will also nach reiflicher Ueber-
ſofern das gute Weib, wie ich glaube und befürchte, nicht mehr lange leben wird. Heut zum Beiſpiel machte ſie ganz curioſe Augen auf mich, als ob’s nit richtig ſei mit ihr; auch iſt ihre Naſenſpitz noch feiner zugeſpitzt, als jemals, und wenn ſie was reden will, ſo geht’s nicht und ſeit drei Tagen hat ſie nur ein paar Löffel Supp hinuntergebracht. Die Sach iſt immer bedenklich, weßhalb ich’s auch be- dacht hab’ und jetzt ohne weiters zuerſt zum Bader und nachher zum Herrn Pfarrer gehen will. Frei- lich: der Bader, obgleich er ſchon manche Kur präſtirt hat, hat doch noch Niemand am Sterben gehindert, wenn’s an der Zeit war und überdieß iſt er eigentlich ein Eſel, der am lieben Vieh her- umprobirt, wenn’s krank iſt, geſchweige erſt das Ebenbild Gottes, den Menſchen, maltraitirt und in die Ewigkeit ſchon Manchen expedirt hat, eh’s ihm lieb war. Was aber den Herrn Pfarrer anbelangt, ſo kann ja der geiſtliche Zuſpruch, und was ſonſt noch Heiliges dabei iſt, niemals zu früh kommen, dieweilen aber wohl zu ſpät, wenn nemlich die arme Seele auf den Herrn Pfarrer nicht mehr hat warten können und ſchon vorher abgereift iſt. — Gott hab ſie ſelig. — Alſo könnt’s auch bei der alten Wal- burg geſchehen; ich will alſo nach reiflicher Ueber- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#LUC"> <p><pb facs="#f0067" n="61"/> ſofern das gute Weib, wie ich glaube und befürchte,<lb/> nicht mehr lange leben wird. Heut zum Beiſpiel<lb/> machte ſie ganz curioſe Augen auf mich, als ob’s<lb/> nit richtig ſei mit ihr; auch iſt ihre Naſenſpitz<lb/> noch feiner zugeſpitzt, als jemals, und wenn ſie was<lb/> reden will, ſo geht’s nicht und ſeit drei Tagen hat<lb/> ſie nur ein paar Löffel Supp hinuntergebracht. Die<lb/> Sach iſt immer bedenklich, weßhalb ich’s auch be-<lb/> dacht hab’ und jetzt ohne weiters zuerſt zum Bader<lb/> und nachher zum Herrn Pfarrer gehen will. Frei-<lb/> lich: der Bader, obgleich er ſchon manche Kur<lb/> präſtirt hat, hat doch noch Niemand am Sterben<lb/> gehindert, wenn’s an der Zeit war und überdieß<lb/> iſt er eigentlich ein Eſel, der am lieben Vieh her-<lb/> umprobirt, wenn’s krank iſt, geſchweige erſt das<lb/> Ebenbild Gottes, den Menſchen, maltraitirt und in<lb/> die Ewigkeit ſchon Manchen expedirt hat, eh’s ihm<lb/> lieb war. Was aber den Herrn Pfarrer anbelangt,<lb/> ſo kann ja der geiſtliche Zuſpruch, und was ſonſt<lb/> noch Heiliges dabei iſt, niemals zu früh kommen,<lb/> dieweilen aber wohl zu ſpät, wenn nemlich die arme<lb/> Seele auf den Herrn Pfarrer nicht mehr hat warten<lb/> können und ſchon vorher abgereift iſt. — Gott hab<lb/> ſie ſelig. — Alſo könnt’s auch bei der alten Wal-<lb/> burg geſchehen; ich will alſo nach reiflicher Ueber-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0067]
ſofern das gute Weib, wie ich glaube und befürchte,
nicht mehr lange leben wird. Heut zum Beiſpiel
machte ſie ganz curioſe Augen auf mich, als ob’s
nit richtig ſei mit ihr; auch iſt ihre Naſenſpitz
noch feiner zugeſpitzt, als jemals, und wenn ſie was
reden will, ſo geht’s nicht und ſeit drei Tagen hat
ſie nur ein paar Löffel Supp hinuntergebracht. Die
Sach iſt immer bedenklich, weßhalb ich’s auch be-
dacht hab’ und jetzt ohne weiters zuerſt zum Bader
und nachher zum Herrn Pfarrer gehen will. Frei-
lich: der Bader, obgleich er ſchon manche Kur
präſtirt hat, hat doch noch Niemand am Sterben
gehindert, wenn’s an der Zeit war und überdieß
iſt er eigentlich ein Eſel, der am lieben Vieh her-
umprobirt, wenn’s krank iſt, geſchweige erſt das
Ebenbild Gottes, den Menſchen, maltraitirt und in
die Ewigkeit ſchon Manchen expedirt hat, eh’s ihm
lieb war. Was aber den Herrn Pfarrer anbelangt,
ſo kann ja der geiſtliche Zuſpruch, und was ſonſt
noch Heiliges dabei iſt, niemals zu früh kommen,
dieweilen aber wohl zu ſpät, wenn nemlich die arme
Seele auf den Herrn Pfarrer nicht mehr hat warten
können und ſchon vorher abgereift iſt. — Gott hab
ſie ſelig. — Alſo könnt’s auch bei der alten Wal-
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