Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 4. München, 1871.
Traum in dieser heutigen Nacht, welchen ich dir erzählt habe, nur Täuschung gewesen? Amru. O gewiß nicht, mein König. Die Begeister- ung, mit welcher der fremde Künstler die Schön- heit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher er ihre Abbildung vollendet hat, ist nur durch die magische Kraft geschehen, welche des Künstlers Jma- gination in sich trägt. Ja, auch die Künstler sind -- unbewußt ihrer selbst -- Magier, denn sie schaf- fen mit der ihnen von den Göttern gnädig ver- liehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume sich zeigte, war nur das Ausströmen der dem Ge- mälde innewohnenden Wahrheit. Abuzabel. Aber Typhon? jener böse Dämon? jener Gott, den ich nur zu gut erkannte an seiner flammen- glühenden rothen Gestalt? -- -- Amru. Er war nothwendig auch von der magischen Gewalt der Darstellung der geheimnißvollen Blume angezogen und mußte erscheinen. -- Nun wissen wir aber auch, daß er es gewesen, der deine Toch- ter auf feuerschnaubendem Rosse entführt und sie in
Traum in dieſer heutigen Nacht, welchen ich dir erzählt habe, nur Täuſchung geweſen? Amru. O gewiß nicht, mein König. Die Begeiſter- ung, mit welcher der fremde Künſtler die Schön- heit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher er ihre Abbildung vollendet hat, iſt nur durch die magiſche Kraft geſchehen, welche des Künſtlers Jma- gination in ſich trägt. Ja, auch die Künſtler ſind — unbewußt ihrer ſelbſt — Magier, denn ſie ſchaf- fen mit der ihnen von den Göttern gnädig ver- liehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume ſich zeigte, war nur das Ausſtrömen der dem Ge- mälde innewohnenden Wahrheit. Abuzabel. Aber Typhon? jener böſe Dämon? jener Gott, den ich nur zu gut erkannte an ſeiner flammen- glühenden rothen Geſtalt? — — Amru. Er war nothwendig auch von der magiſchen Gewalt der Darſtellung der geheimnißvollen Blume angezogen und mußte erſcheinen. — Nun wiſſen wir aber auch, daß er es geweſen, der deine Toch- ter auf feuerſchnaubendem Roſſe entführt und ſie in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ABU"> <p><pb facs="#f0035" n="29"/> Traum in dieſer heutigen Nacht, welchen ich dir<lb/> erzählt habe, nur Täuſchung geweſen?</p> </sp><lb/> <sp who="#AMR"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Amru.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>O gewiß nicht, mein König. Die Begeiſter-<lb/> ung, mit welcher der fremde Künſtler die Schön-<lb/> heit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher<lb/> er ihre Abbildung vollendet hat, iſt nur durch die<lb/> magiſche Kraft geſchehen, welche des Künſtlers Jma-<lb/> gination in ſich trägt. Ja, auch die Künſtler ſind<lb/> — unbewußt ihrer ſelbſt — Magier, denn ſie ſchaf-<lb/> fen mit der ihnen von den Göttern gnädig ver-<lb/> liehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume<lb/> ſich zeigte, war nur das Ausſtrömen der dem Ge-<lb/> mälde innewohnenden Wahrheit.</p> </sp><lb/> <sp who="#ABU"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Abuzabel.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Aber Typhon? jener böſe Dämon? jener Gott,<lb/> den ich nur zu gut erkannte an ſeiner flammen-<lb/> glühenden rothen Geſtalt? — —</p> </sp><lb/> <sp who="#AMR"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Amru.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Er war nothwendig auch von der magiſchen<lb/> Gewalt der Darſtellung der geheimnißvollen Blume<lb/> angezogen und <hi rendition="#g">mußte</hi> erſcheinen. — Nun wiſſen<lb/> wir aber auch, daß <hi rendition="#g">er</hi> es geweſen, der deine Toch-<lb/> ter auf feuerſchnaubendem Roſſe entführt und ſie in<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0035]
Traum in dieſer heutigen Nacht, welchen ich dir
erzählt habe, nur Täuſchung geweſen?
Amru.
O gewiß nicht, mein König. Die Begeiſter-
ung, mit welcher der fremde Künſtler die Schön-
heit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher
er ihre Abbildung vollendet hat, iſt nur durch die
magiſche Kraft geſchehen, welche des Künſtlers Jma-
gination in ſich trägt. Ja, auch die Künſtler ſind
— unbewußt ihrer ſelbſt — Magier, denn ſie ſchaf-
fen mit der ihnen von den Göttern gnädig ver-
liehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume
ſich zeigte, war nur das Ausſtrömen der dem Ge-
mälde innewohnenden Wahrheit.
Abuzabel.
Aber Typhon? jener böſe Dämon? jener Gott,
den ich nur zu gut erkannte an ſeiner flammen-
glühenden rothen Geſtalt? — —
Amru.
Er war nothwendig auch von der magiſchen
Gewalt der Darſtellung der geheimnißvollen Blume
angezogen und mußte erſcheinen. — Nun wiſſen
wir aber auch, daß er es geweſen, der deine Toch-
ter auf feuerſchnaubendem Roſſe entführt und ſie in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein04_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein04_1871/35 |
Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 4. München, 1871, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein04_1871/35>, abgerufen am 27.07.2024. |