Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859. Röslein. Da wollt ich lieber nur Beeren mit den Vöglein im Wald essen, wenn mir alle Kindesfreuden ver- boten würden. Sieh doch, liebe Mutter, wie herr- lich es hier ist! Leuchtet der Sonnenschein nicht mächtiger als der güldene Thron im Schloße? Jst der Gesang der Vögel nicht lieblicher als das Ge- schwätz der Hofdamen? Das Grün der Blätter, die Farbe der Blumen -- übertrifft dieß Alles nicht den Schmuck des Hofes? Hermeline. Jch begreife nicht, wie du zu diesen Grundsätzen kommst. Röslein. Du redest mir von Grundsätzen, liebe Mutter! davon weiß ich fürwahr Nichts. Jch fühle nur mein Herz sich aufthun, wenn ich heraustrete in Gottes herrliche Natur. Es wird mir so fromm zu Muth; ich möchte immer hinknie'n und beten. Hermeline. Das ist recht hübsch und lobenswerth, allein die Schranken des Anstandes soll und darf eine Prin- gessin nie überschreiten. Jch glaube immer, daß die Vorlesungen des Hofdichters Lautenklang dir den Kopf verdrehen. Du wirst mir zu phantastisch; du Röslein. Da wollt ich lieber nur Beeren mit den Vöglein im Wald eſſen, wenn mir alle Kindesfreuden ver- boten würden. Sieh doch, liebe Mutter, wie herr- lich es hier iſt! Leuchtet der Sonnenſchein nicht mächtiger als der güldene Thron im Schloße? Jſt der Geſang der Vögel nicht lieblicher als das Ge- ſchwätz der Hofdamen? Das Grün der Blätter, die Farbe der Blumen — übertrifft dieß Alles nicht den Schmuck des Hofes? Hermeline. Jch begreife nicht, wie du zu dieſen Grundſätzen kommſt. Röslein. Du redeſt mir von Grundſätzen, liebe Mutter! davon weiß ich fürwahr Nichts. Jch fühle nur mein Herz ſich aufthun, wenn ich heraustrete in Gottes herrliche Natur. Es wird mir ſo fromm zu Muth; ich möchte immer hinknie’n und beten. Hermeline. Das iſt recht hübſch und lobenswerth, allein die Schranken des Anſtandes ſoll und darf eine Prin- geſſin nie überſchreiten. Jch glaube immer, daß die Vorleſungen des Hofdichters Lautenklang dir den Kopf verdrehen. Du wirſt mir zu phantaſtiſch; du <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0246" n="240"/> <sp who="#RÖS"> <speaker> <hi rendition="#c">Röslein.</hi> </speaker><lb/> <p>Da wollt ich lieber nur Beeren mit den Vöglein<lb/> im Wald eſſen, wenn mir alle Kindesfreuden ver-<lb/> boten würden. Sieh doch, liebe Mutter, wie herr-<lb/> lich es hier iſt! Leuchtet der Sonnenſchein nicht<lb/> mächtiger als der güldene Thron im Schloße? Jſt<lb/> der Geſang der Vögel nicht lieblicher als das Ge-<lb/> ſchwätz der Hofdamen? Das Grün der Blätter, die<lb/> Farbe der Blumen — übertrifft dieß Alles nicht den<lb/> Schmuck des Hofes?</p> </sp><lb/> <sp who="#HER"> <speaker> <hi rendition="#c">Hermeline.</hi> </speaker><lb/> <p>Jch begreife nicht, wie du zu dieſen Grundſätzen<lb/> kommſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#RÖS"> <speaker> <hi rendition="#c">Röslein.</hi> </speaker><lb/> <p>Du redeſt mir von Grundſätzen, liebe Mutter!<lb/> davon weiß ich fürwahr Nichts. Jch fühle nur<lb/> mein Herz ſich aufthun, wenn ich heraustrete in<lb/> Gottes herrliche Natur. Es wird mir ſo fromm<lb/> zu Muth; ich möchte immer hinknie’n und beten.</p> </sp><lb/> <sp who="#HER"> <speaker> <hi rendition="#c">Hermeline.</hi> </speaker><lb/> <p>Das iſt recht hübſch und lobenswerth, allein die<lb/> Schranken des Anſtandes ſoll und darf eine Prin-<lb/> geſſin nie überſchreiten. Jch glaube immer, daß die<lb/> Vorleſungen des Hofdichters Lautenklang dir den<lb/> Kopf verdrehen. Du wirſt mir zu phantaſtiſch; du<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0246]
Röslein.
Da wollt ich lieber nur Beeren mit den Vöglein
im Wald eſſen, wenn mir alle Kindesfreuden ver-
boten würden. Sieh doch, liebe Mutter, wie herr-
lich es hier iſt! Leuchtet der Sonnenſchein nicht
mächtiger als der güldene Thron im Schloße? Jſt
der Geſang der Vögel nicht lieblicher als das Ge-
ſchwätz der Hofdamen? Das Grün der Blätter, die
Farbe der Blumen — übertrifft dieß Alles nicht den
Schmuck des Hofes?
Hermeline.
Jch begreife nicht, wie du zu dieſen Grundſätzen
kommſt.
Röslein.
Du redeſt mir von Grundſätzen, liebe Mutter!
davon weiß ich fürwahr Nichts. Jch fühle nur
mein Herz ſich aufthun, wenn ich heraustrete in
Gottes herrliche Natur. Es wird mir ſo fromm
zu Muth; ich möchte immer hinknie’n und beten.
Hermeline.
Das iſt recht hübſch und lobenswerth, allein die
Schranken des Anſtandes ſoll und darf eine Prin-
geſſin nie überſchreiten. Jch glaube immer, daß die
Vorleſungen des Hofdichters Lautenklang dir den
Kopf verdrehen. Du wirſt mir zu phantaſtiſch; du
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/246 |
Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/246>, abgerufen am 17.07.2024. |