Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
wirst zu sehr der Wirklichkeit und der Convenienz
entrückt. Jch werde diesem schädlichen Einflusse zu
steuern wissen.
Röslein.
Also auch dieß soll eine verbotene Freude sein,
daß ich mich an den Gedichten des Herrn Lauten-
klang erfreue? Jst die Poesie eine Sünde?
Hermeline.
An und für sich nicht, allein sie kann es wer-
den, wenn sie ein jugendliches Gemüth zu sehr auf-
regt. Müller's Vorträge sollen sich von nun an
darauf beschränken, dir die deutsche Literaturgeschichte
kurz darzustellen; die Periode der Romantiker soll
dir nur im Auszug gegeben werden. Jhre Richtung
paßt nicht mehr für unsere Zeit und man sollte
mehr auf die Entwicklung des Verstandes wirken.
Herz und Phantasie -- --
Röslein.
Laß mir mein Herz, liebe Mutter! laß mir das
Reich der Phantasie!
Hermeline.
Pfui, Röslein! Es schickt sich überhaupt durch-
aus nicht für ein Mädchen, Phantasie zu haben;
16
wirſt zu ſehr der Wirklichkeit und der Convenienz
entrückt. Jch werde dieſem ſchädlichen Einfluſſe zu
ſteuern wiſſen.
Röslein.
Alſo auch dieß ſoll eine verbotene Freude ſein,
daß ich mich an den Gedichten des Herrn Lauten-
klang erfreue? Jſt die Poeſie eine Sünde?
Hermeline.
An und für ſich nicht, allein ſie kann es wer-
den, wenn ſie ein jugendliches Gemüth zu ſehr auf-
regt. Müller’s Vorträge ſollen ſich von nun an
darauf beſchränken, dir die deutſche Literaturgeſchichte
kurz darzuſtellen; die Periode der Romantiker ſoll
dir nur im Auszug gegeben werden. Jhre Richtung
paßt nicht mehr für unſere Zeit und man ſollte
mehr auf die Entwicklung des Verſtandes wirken.
Herz und Phantaſie — —
Röslein.
Laß mir mein Herz, liebe Mutter! laß mir das
Reich der Phantaſie!
Hermeline.
Pfui, Röslein! Es ſchickt ſich überhaupt durch-
aus nicht für ein Mädchen, Phantaſie zu haben;
16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#HER">
            <p><pb facs="#f0247" n="241"/>
wir&#x017F;t zu &#x017F;ehr der Wirklichkeit und der Convenienz<lb/>
entrückt. Jch werde die&#x017F;em &#x017F;chädlichen Einflu&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
&#x017F;teuern wi&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#RÖS">
            <speaker> <hi rendition="#c">Röslein.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Al&#x017F;o auch dieß &#x017F;oll eine verbotene Freude &#x017F;ein,<lb/>
daß ich mich an den Gedichten des Herrn Lauten-<lb/>
klang erfreue? J&#x017F;t die Poe&#x017F;ie eine Sünde?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#HER">
            <speaker> <hi rendition="#c">Hermeline.</hi> </speaker><lb/>
            <p>An und für &#x017F;ich nicht, allein &#x017F;ie kann es wer-<lb/>
den, wenn &#x017F;ie ein jugendliches Gemüth zu &#x017F;ehr auf-<lb/>
regt. Müller&#x2019;s Vorträge &#x017F;ollen &#x017F;ich von nun an<lb/>
darauf be&#x017F;chränken, dir die deut&#x017F;che Literaturge&#x017F;chichte<lb/>
kurz darzu&#x017F;tellen; die Periode der Romantiker &#x017F;oll<lb/>
dir nur im Auszug gegeben werden. Jhre Richtung<lb/>
paßt nicht mehr für un&#x017F;ere Zeit und man &#x017F;ollte<lb/>
mehr auf die Entwicklung des Ver&#x017F;tandes wirken.<lb/>
Herz und Phanta&#x017F;ie &#x2014; &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#RÖS">
            <speaker> <hi rendition="#c">Röslein.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Laß mir mein Herz, liebe Mutter! laß mir das<lb/>
Reich der Phanta&#x017F;ie!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#HER">
            <speaker> <hi rendition="#c">Hermeline.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Pfui, Röslein! Es &#x017F;chickt &#x017F;ich überhaupt durch-<lb/>
aus nicht für ein Mädchen, Phanta&#x017F;ie zu haben;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0247] wirſt zu ſehr der Wirklichkeit und der Convenienz entrückt. Jch werde dieſem ſchädlichen Einfluſſe zu ſteuern wiſſen. Röslein. Alſo auch dieß ſoll eine verbotene Freude ſein, daß ich mich an den Gedichten des Herrn Lauten- klang erfreue? Jſt die Poeſie eine Sünde? Hermeline. An und für ſich nicht, allein ſie kann es wer- den, wenn ſie ein jugendliches Gemüth zu ſehr auf- regt. Müller’s Vorträge ſollen ſich von nun an darauf beſchränken, dir die deutſche Literaturgeſchichte kurz darzuſtellen; die Periode der Romantiker ſoll dir nur im Auszug gegeben werden. Jhre Richtung paßt nicht mehr für unſere Zeit und man ſollte mehr auf die Entwicklung des Verſtandes wirken. Herz und Phantaſie — — Röslein. Laß mir mein Herz, liebe Mutter! laß mir das Reich der Phantaſie! Hermeline. Pfui, Röslein! Es ſchickt ſich überhaupt durch- aus nicht für ein Mädchen, Phantaſie zu haben; 16

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/247
Zitationshilfe: Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/247>, abgerufen am 22.11.2024.