Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Je mehr die zeugenden Convarianten die Neigung hatten,
schlechtere Devarianten hervorzubringen, desto mehr musste
der Kampf um's Dasein die letzteren vernichten, wenn die
Art auf ihrer Höhe bleiben sollte. Andererseits je mehr
gute Devarianten die zeugenden Individuen hervorbrachten,
desto weniger brauchten ausgemerzt zu werden, wenn die
Art erhalten bleiben sollte, oder falls doch gleich viele
wie sonst durch schärfere selectorische Einflüsse ausgemerzt
wurden, desto rascher hob sich die Art auf eine höhere
Entwickelungsstufe.

Wenn die erzeugten Devarianten durchschnittlich
schwächer waren als ihre Eltern, was wohl meistens in der
Natur zutrifft, so war der Kampf um's Dasein unumgäng-
lich nothwendig, um die Art auf ihrer Höhe zu erhalten.
Es wären sonst in der nächsten Generation die Devarianten
noch schlechter ausgefallen. Waren die erzeugten Deva-
rianten dagegen durchschnittlich stärker als ihre Eltern,
so war der Kampf um's Dasein nicht unbedingt nötig, um
die Art auf ihrer Höhe zu erhalten, sondern er hatte dann
nur eine Zeitfunction, d. h. beschleunigte die Entwicklung
der Art und zwar um so mehr, je schärfer er auftrat.

Dass in Bezug auf einzelne Charaktere der Kampf
um's Dasein nur eine beschleunigende, oft überhaupt keine
wesentliche Rolle gespielt hat, gesteht auch Darwin zu:
"Es lässt sich auch kaum daran zweifeln, dass die Neigung
in einer und derselben Art und Weise zu variiren, häufig
so stark gewesen ist, dass alle Individuen derselben Species
ohne Hilfe irgend einer Form von Zuchtwahl ähnlich mo-
dificirt worden sind."*)

Wir werden später, an einer Stelle, wo es uns mehr
interessiren wird, noch auf dies ausserordentlich wichtige
Wechselverhältniss zwischen Richtung des Variirens, Grösse

*) Darwin. Entstehung der Arten. Deutsch von Carus. S. 113 u. 114.

Je mehr die zeugenden Convarianten die Neigung hatten,
schlechtere Devarianten hervorzubringen, desto mehr musste
der Kampf um’s Dasein die letzteren vernichten, wenn die
Art auf ihrer Höhe bleiben sollte. Andererseits je mehr
gute Devarianten die zeugenden Individuen hervorbrachten,
desto weniger brauchten ausgemerzt zu werden, wenn die
Art erhalten bleiben sollte, oder falls doch gleich viele
wie sonst durch schärfere selectorische Einflüsse ausgemerzt
wurden, desto rascher hob sich die Art auf eine höhere
Entwickelungsstufe.

Wenn die erzeugten Devarianten durchschnittlich
schwächer waren als ihre Eltern, was wohl meistens in der
Natur zutrifft, so war der Kampf um’s Dasein unumgäng-
lich nothwendig, um die Art auf ihrer Höhe zu erhalten.
Es wären sonst in der nächsten Generation die Devarianten
noch schlechter ausgefallen. Waren die erzeugten Deva-
rianten dagegen durchschnittlich stärker als ihre Eltern,
so war der Kampf um’s Dasein nicht unbedingt nötig, um
die Art auf ihrer Höhe zu erhalten, sondern er hatte dann
nur eine Zeitfunction, d. h. beschleunigte die Entwicklung
der Art und zwar um so mehr, je schärfer er auftrat.

Dass in Bezug auf einzelne Charaktere der Kampf
um’s Dasein nur eine beschleunigende, oft überhaupt keine
wesentliche Rolle gespielt hat, gesteht auch Darwin zu:
„Es lässt sich auch kaum daran zweifeln, dass die Neigung
in einer und derselben Art und Weise zu variiren, häufig
so stark gewesen ist, dass alle Individuen derselben Species
ohne Hilfe irgend einer Form von Zuchtwahl ähnlich mo-
dificirt worden sind.“*)

Wir werden später, an einer Stelle, wo es uns mehr
interessiren wird, noch auf dies ausserordentlich wichtige
Wechselverhältniss zwischen Richtung des Variirens, Grösse

*) Darwin. Entstehung der Arten. Deutsch von Carus. S. 113 u. 114.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0072" n="52"/>
          <p>Je mehr die zeugenden Convarianten die Neigung hatten,<lb/>
schlechtere Devarianten hervorzubringen, desto mehr musste<lb/>
der Kampf um&#x2019;s Dasein die letzteren vernichten, wenn die<lb/>
Art auf ihrer Höhe bleiben sollte. Andererseits je mehr<lb/>
gute Devarianten die zeugenden Individuen hervorbrachten,<lb/>
desto weniger brauchten ausgemerzt zu werden, wenn die<lb/>
Art erhalten bleiben sollte, oder falls doch gleich viele<lb/>
wie sonst durch schärfere selectorische Einflüsse ausgemerzt<lb/>
wurden, desto rascher hob sich die Art auf eine höhere<lb/>
Entwickelungsstufe.</p><lb/>
          <p>Wenn die erzeugten Devarianten durchschnittlich<lb/>
schwächer waren als ihre Eltern, was wohl meistens in der<lb/>
Natur zutrifft, so war der Kampf um&#x2019;s Dasein unumgäng-<lb/>
lich nothwendig, um die Art auf ihrer Höhe zu erhalten.<lb/>
Es wären sonst in der nächsten Generation die Devarianten<lb/>
noch schlechter ausgefallen. Waren die erzeugten Deva-<lb/>
rianten dagegen durchschnittlich stärker als ihre Eltern,<lb/>
so war der Kampf um&#x2019;s Dasein nicht unbedingt nötig, um<lb/>
die Art auf ihrer Höhe zu erhalten, sondern er hatte dann<lb/>
nur eine Zeitfunction, d. h. beschleunigte die Entwicklung<lb/>
der Art und zwar um so mehr, je schärfer er auftrat.</p><lb/>
          <p>Dass in Bezug auf einzelne Charaktere der Kampf<lb/>
um&#x2019;s Dasein nur eine beschleunigende, oft überhaupt keine<lb/>
wesentliche Rolle gespielt hat, gesteht auch <hi rendition="#g">Darwin</hi> zu:<lb/>
&#x201E;Es lässt sich auch kaum daran zweifeln, dass die Neigung<lb/>
in einer und derselben Art und Weise zu variiren, häufig<lb/>
so stark gewesen ist, dass alle Individuen derselben Species<lb/>
ohne Hilfe irgend einer Form von Zuchtwahl ähnlich mo-<lb/>
dificirt worden sind.&#x201C;<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Darwin</hi>. Entstehung der Arten. Deutsch von Carus. S. 113 u. 114.</note></p><lb/>
          <p>Wir werden später, an einer Stelle, wo es uns mehr<lb/>
interessiren wird, noch auf dies ausserordentlich wichtige<lb/>
Wechselverhältniss zwischen Richtung des Variirens, Grösse<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0072] Je mehr die zeugenden Convarianten die Neigung hatten, schlechtere Devarianten hervorzubringen, desto mehr musste der Kampf um’s Dasein die letzteren vernichten, wenn die Art auf ihrer Höhe bleiben sollte. Andererseits je mehr gute Devarianten die zeugenden Individuen hervorbrachten, desto weniger brauchten ausgemerzt zu werden, wenn die Art erhalten bleiben sollte, oder falls doch gleich viele wie sonst durch schärfere selectorische Einflüsse ausgemerzt wurden, desto rascher hob sich die Art auf eine höhere Entwickelungsstufe. Wenn die erzeugten Devarianten durchschnittlich schwächer waren als ihre Eltern, was wohl meistens in der Natur zutrifft, so war der Kampf um’s Dasein unumgäng- lich nothwendig, um die Art auf ihrer Höhe zu erhalten. Es wären sonst in der nächsten Generation die Devarianten noch schlechter ausgefallen. Waren die erzeugten Deva- rianten dagegen durchschnittlich stärker als ihre Eltern, so war der Kampf um’s Dasein nicht unbedingt nötig, um die Art auf ihrer Höhe zu erhalten, sondern er hatte dann nur eine Zeitfunction, d. h. beschleunigte die Entwicklung der Art und zwar um so mehr, je schärfer er auftrat. Dass in Bezug auf einzelne Charaktere der Kampf um’s Dasein nur eine beschleunigende, oft überhaupt keine wesentliche Rolle gespielt hat, gesteht auch Darwin zu: „Es lässt sich auch kaum daran zweifeln, dass die Neigung in einer und derselben Art und Weise zu variiren, häufig so stark gewesen ist, dass alle Individuen derselben Species ohne Hilfe irgend einer Form von Zuchtwahl ähnlich mo- dificirt worden sind.“ *) Wir werden später, an einer Stelle, wo es uns mehr interessiren wird, noch auf dies ausserordentlich wichtige Wechselverhältniss zwischen Richtung des Variirens, Grösse *) Darwin. Entstehung der Arten. Deutsch von Carus. S. 113 u. 114.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/72
Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/72>, abgerufen am 21.11.2024.