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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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Betrachten wir einen Tropfen verdünnten Samens unter
dem Mikroskop, so sehen wir, wie sich die meisten Samen-
fäden lebhaft schlängelnd hin- und herbewegen, einige
sehr rasch, andere, denen noch Klümpchen von Protoplasma
anhängen, schwerfällig, manche bleiben ruhig oder fangen
später auch an, sich zu bewegen. Allmählich hört das
Herumfahren bei mehr und mehr Samenfäden auf, aber
einige wenige halten sehr lange aus und pendeln noch hin
und her, wenn alles herum schon regungslos ist. Ausser-
dem sehen wir aber auch noch Formunterschiede; die
Länge der Köpfe schwankt von 0,003--0,005, die Breite
von 0,0018--0,0033 mm; einige Exemplare sind missge-
staltet, stark lichtbrechende Klümpchen erscheinen hier und
da, die augenscheinlich z. Th. zurückgebliebene oder ge-
schädigte Spermatozoenköpfe sind, wie man sie bei gewissen
Hodenaffectionen häufig sieht. Diese Unterschiede können
irgendwo an der Bildungsstätte im Hoden *) als auch auf
dem Wege durch die Samenleiter, Samenblasen und Harn-
röhre erworben werden.

Jedenfalls ist anzunehmen, dass diese Unterschiede der
Spermatozoen (Samenfäden, Samenthierchen) oft eine Be-
deutung für die Befruchtung haben. Bei der Begattung
wird der Same, der viele Millionen Samenfäden enthält, in
die weibliche Scheide ergossen, z. Th. direct an den Mutter-
mund, und seine Samenthierchen müssen nun in die Gebär-
mutter und oft noch weiter bis in die Tuben (Eileiter) und
nahe an den Eierstock hinaufdringen. Bei diesem Wett-
rennen der Samenthierchen werden die am ehesten siegen,
die sich gegen die schädlichen Scheiden-Absonderungen
und eventuell (bei Krankheiten) schädlichen Gebärmutter-
und Tubensecrete am besten erhalten, und welche die

*) Bei Anfertigung meiner Arbeit über den Froschhoden hatte ich
Gelegenheit, zu beobachten, dass die Spermatozoen-Köpfe der am Ueber-
gang in die Vasa deferentia gelegenen Bündel manchmal kürzer waren
als die der mehr nach dem Innern zu gelegenen Bündel.

Betrachten wir einen Tropfen verdünnten Samens unter
dem Mikroskop, so sehen wir, wie sich die meisten Samen-
fäden lebhaft schlängelnd hin- und herbewegen, einige
sehr rasch, andere, denen noch Klümpchen von Protoplasma
anhängen, schwerfällig, manche bleiben ruhig oder fangen
später auch an, sich zu bewegen. Allmählich hört das
Herumfahren bei mehr und mehr Samenfäden auf, aber
einige wenige halten sehr lange aus und pendeln noch hin
und her, wenn alles herum schon regungslos ist. Ausser-
dem sehen wir aber auch noch Formunterschiede; die
Länge der Köpfe schwankt von 0,003—0,005, die Breite
von 0,0018—0,0033 mm; einige Exemplare sind missge-
staltet, stark lichtbrechende Klümpchen erscheinen hier und
da, die augenscheinlich z. Th. zurückgebliebene oder ge-
schädigte Spermatozoenköpfe sind, wie man sie bei gewissen
Hodenaffectionen häufig sieht. Diese Unterschiede können
irgendwo an der Bildungsstätte im Hoden *) als auch auf
dem Wege durch die Samenleiter, Samenblasen und Harn-
röhre erworben werden.

Jedenfalls ist anzunehmen, dass diese Unterschiede der
Spermatozoen (Samenfäden, Samenthierchen) oft eine Be-
deutung für die Befruchtung haben. Bei der Begattung
wird der Same, der viele Millionen Samenfäden enthält, in
die weibliche Scheide ergossen, z. Th. direct an den Mutter-
mund, und seine Samenthierchen müssen nun in die Gebär-
mutter und oft noch weiter bis in die Tuben (Eileiter) und
nahe an den Eierstock hinaufdringen. Bei diesem Wett-
rennen der Samenthierchen werden die am ehesten siegen,
die sich gegen die schädlichen Scheiden-Absonderungen
und eventuell (bei Krankheiten) schädlichen Gebärmutter-
und Tubensecrete am besten erhalten, und welche die

*) Bei Anfertigung meiner Arbeit über den Froschhoden hatte ich
Gelegenheit, zu beobachten, dass die Spermatozoen-Köpfe der am Ueber-
gang in die Vasa deferentia gelegenen Bündel manchmal kürzer waren
als die der mehr nach dem Innern zu gelegenen Bündel.
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[34/0054] Betrachten wir einen Tropfen verdünnten Samens unter dem Mikroskop, so sehen wir, wie sich die meisten Samen- fäden lebhaft schlängelnd hin- und herbewegen, einige sehr rasch, andere, denen noch Klümpchen von Protoplasma anhängen, schwerfällig, manche bleiben ruhig oder fangen später auch an, sich zu bewegen. Allmählich hört das Herumfahren bei mehr und mehr Samenfäden auf, aber einige wenige halten sehr lange aus und pendeln noch hin und her, wenn alles herum schon regungslos ist. Ausser- dem sehen wir aber auch noch Formunterschiede; die Länge der Köpfe schwankt von 0,003—0,005, die Breite von 0,0018—0,0033 mm; einige Exemplare sind missge- staltet, stark lichtbrechende Klümpchen erscheinen hier und da, die augenscheinlich z. Th. zurückgebliebene oder ge- schädigte Spermatozoenköpfe sind, wie man sie bei gewissen Hodenaffectionen häufig sieht. Diese Unterschiede können irgendwo an der Bildungsstätte im Hoden *) als auch auf dem Wege durch die Samenleiter, Samenblasen und Harn- röhre erworben werden. Jedenfalls ist anzunehmen, dass diese Unterschiede der Spermatozoen (Samenfäden, Samenthierchen) oft eine Be- deutung für die Befruchtung haben. Bei der Begattung wird der Same, der viele Millionen Samenfäden enthält, in die weibliche Scheide ergossen, z. Th. direct an den Mutter- mund, und seine Samenthierchen müssen nun in die Gebär- mutter und oft noch weiter bis in die Tuben (Eileiter) und nahe an den Eierstock hinaufdringen. Bei diesem Wett- rennen der Samenthierchen werden die am ehesten siegen, die sich gegen die schädlichen Scheiden-Absonderungen und eventuell (bei Krankheiten) schädlichen Gebärmutter- und Tubensecrete am besten erhalten, und welche die *) Bei Anfertigung meiner Arbeit über den Froschhoden hatte ich Gelegenheit, zu beobachten, dass die Spermatozoen-Köpfe der am Ueber- gang in die Vasa deferentia gelegenen Bündel manchmal kürzer waren als die der mehr nach dem Innern zu gelegenen Bündel.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/54>, abgerufen am 21.05.2024.