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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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Am meisten Licht wurde noch verbreitet über die
Formen des Kampfes um's Dasein in speciellerem Sinne.
Vererbung und Veränderlichkeit blieben ziemlich im Dun-
keln. Ihrem geheimnissvollen Weben zu lauschen wird
immer wieder die Forscher reizen. Und wenn sie wohl
noch auf lange unfähig sein werden, ein volles mechanisches
Verständniss dieser Erscheinungen herzustellen, so wird
doch schon das Auffinden entfernterer Abhängigkeiten
fruchtbare practische Gesichtspunkte ergeben.

Das Leben der Menschheit verläuft in demselben
grossen Rahmen wie das der übrigen Thiergattungen. Es
werden zuviel Nachkommen gezeugt, als dass die Ver-
mehrung der für sie erreichbaren Nährstellen damit Schritt
halten könnte. Aus dem Nachweis dieser Thatsache für
die Menschen durch Malthus *) schöpfte Darwin bekannt-
lich die Anregung zu seiner Theorie.

Aus dem Missverhältniss ergiebt sich ein Wettbewerb
um Nahrung und indirekt um Fortpflanzung und Kinder-
pflege, der Sieg des stärkern Theils, die mehr oder minder
vollständige Unterdrückung und das Elend des schwächern
Theils. Aber dieser Wettbewerb mit seinen ungeheuren
Opfern an menschlicher Glückseligkeit war, wie Darwin
und Wallace dargelegt haben, andrerseits auch eine der
Bedingungen der Erhaltung und Vervollkommnung der
Gattung.

Es giebt ausser der Selections-Theorie noch verschiedene
Entwickelungshypothesen, die sich aber nicht entfernt einer
solchen weitverbreiteten Anerkennung unter den Wissen-
schaftlern erfreuen, und die das Stadium nebelhafter Hypo-
thesen so wenig überwunden haben, dass ich mich in
diesen Blättern darauf beschränken muss, nur die Darwin-
Wallace
'sche Form der Entwickelungslehre in's Auge zu
fassen, also die Selectionstheorie mit ihren drei Factoren:

*) Malthus, Versuch über das Bevölkerungsgesetz. Berlin 1879.

Am meisten Licht wurde noch verbreitet über die
Formen des Kampfes um’s Dasein in speciellerem Sinne.
Vererbung und Veränderlichkeit blieben ziemlich im Dun-
keln. Ihrem geheimnissvollen Weben zu lauschen wird
immer wieder die Forscher reizen. Und wenn sie wohl
noch auf lange unfähig sein werden, ein volles mechanisches
Verständniss dieser Erscheinungen herzustellen, so wird
doch schon das Auffinden entfernterer Abhängigkeiten
fruchtbare practische Gesichtspunkte ergeben.

Das Leben der Menschheit verläuft in demselben
grossen Rahmen wie das der übrigen Thiergattungen. Es
werden zuviel Nachkommen gezeugt, als dass die Ver-
mehrung der für sie erreichbaren Nährstellen damit Schritt
halten könnte. Aus dem Nachweis dieser Thatsache für
die Menschen durch Malthus *) schöpfte Darwin bekannt-
lich die Anregung zu seiner Theorie.

Aus dem Missverhältniss ergiebt sich ein Wettbewerb
um Nahrung und indirekt um Fortpflanzung und Kinder-
pflege, der Sieg des stärkern Theils, die mehr oder minder
vollständige Unterdrückung und das Elend des schwächern
Theils. Aber dieser Wettbewerb mit seinen ungeheuren
Opfern an menschlicher Glückseligkeit war, wie Darwin
und Wallace dargelegt haben, andrerseits auch eine der
Bedingungen der Erhaltung und Vervollkommnung der
Gattung.

Es giebt ausser der Selections-Theorie noch verschiedene
Entwickelungshypothesen, die sich aber nicht entfernt einer
solchen weitverbreiteten Anerkennung unter den Wissen-
schaftlern erfreuen, und die das Stadium nebelhafter Hypo-
thesen so wenig überwunden haben, dass ich mich in
diesen Blättern darauf beschränken muss, nur die Darwin-
Wallace
’sche Form der Entwickelungslehre in’s Auge zu
fassen, also die Selectionstheorie mit ihren drei Factoren:

*) Malthus, Versuch über das Bevölkerungsgesetz. Berlin 1879.
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[16/0036] Am meisten Licht wurde noch verbreitet über die Formen des Kampfes um’s Dasein in speciellerem Sinne. Vererbung und Veränderlichkeit blieben ziemlich im Dun- keln. Ihrem geheimnissvollen Weben zu lauschen wird immer wieder die Forscher reizen. Und wenn sie wohl noch auf lange unfähig sein werden, ein volles mechanisches Verständniss dieser Erscheinungen herzustellen, so wird doch schon das Auffinden entfernterer Abhängigkeiten fruchtbare practische Gesichtspunkte ergeben. Das Leben der Menschheit verläuft in demselben grossen Rahmen wie das der übrigen Thiergattungen. Es werden zuviel Nachkommen gezeugt, als dass die Ver- mehrung der für sie erreichbaren Nährstellen damit Schritt halten könnte. Aus dem Nachweis dieser Thatsache für die Menschen durch Malthus *) schöpfte Darwin bekannt- lich die Anregung zu seiner Theorie. Aus dem Missverhältniss ergiebt sich ein Wettbewerb um Nahrung und indirekt um Fortpflanzung und Kinder- pflege, der Sieg des stärkern Theils, die mehr oder minder vollständige Unterdrückung und das Elend des schwächern Theils. Aber dieser Wettbewerb mit seinen ungeheuren Opfern an menschlicher Glückseligkeit war, wie Darwin und Wallace dargelegt haben, andrerseits auch eine der Bedingungen der Erhaltung und Vervollkommnung der Gattung. Es giebt ausser der Selections-Theorie noch verschiedene Entwickelungshypothesen, die sich aber nicht entfernt einer solchen weitverbreiteten Anerkennung unter den Wissen- schaftlern erfreuen, und die das Stadium nebelhafter Hypo- thesen so wenig überwunden haben, dass ich mich in diesen Blättern darauf beschränken muss, nur die Darwin- Wallace’sche Form der Entwickelungslehre in’s Auge zu fassen, also die Selectionstheorie mit ihren drei Factoren: *) Malthus, Versuch über das Bevölkerungsgesetz. Berlin 1879.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/36>, abgerufen am 22.11.2024.