Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Man fand diese Grundlagen in der Arbeits-Fähigkeit des
Individuums nnd in der Zugänglichkeit der Natur (ein-
schliesslich aller Productionsmittel) als Object und Werkzeug
für die Arbeit und erstreckte die Gleichberechtigungs-
Forderungen nun auch darauf.

Menschliche Arbeit und Natur, auf welche sie angewandt
wird, bilden die Quelle aller Bedürfniss-Befriedigung und
aller Güter. Auch in dem Fall, wo ein Mensch sich
scheinbar ohne Arbeit und Natur Befriedigung verschafft,
z. B. beim Verharren in Musse oder Schlaf, braucht er die
Güter dazu, die nöthig sind, um den körperlichen Stoff-
verbrauch während der Zeit zu decken. Die Ursachen des
Unterschieds in der Bedürfniss-Befriedigung der Menschen
können also nur darin liegen, dass die Natur, einschliesslich
aller Productionsmittel, nicht Jedem gleichmässig zugänglich
ist, oder dass die aufgewendete Arbeitskraft verschieden ist,
oder dass ein Theil der Menschen von dem anderen
nimmt, ohne etwas Gleichwerthiges zu geben.

Alle drei Ursachen bestehen in ausgedehntem Maasse
noch in der heutigen Gesellschaft. Dem Erben eines Ritter-
guts oder einer Fabrik sind die Productionsmittel zugäng-
licher wie dem Sohn eines Proletariers. Ein Schwacher,
eine Schwangere, ein Kranker können nicht die Durch-
schnitts-Arbeitskraft aufbringen. Die Aneignung der Arbeits-
resultate Anderer findet im weitesten Maasse statt als
nothwendige Folge der heutigen Wirthschaftsform, die den
Waaren-Charakter der Arbeitskraft und damit das Auftreten
des annectirbaren "Mehrwerths" bedingt.*)

Wie ist dem zu steuern? Wie ist jedem Menschen
die gleiche Möglichkeit der Befriedigung seiner Bedürfnisse,
der Entfaltung seines Wesens zu verschaffen?

Versuchen wir einmal, im Geiste der nonselectorischen
Systeme zu deduciren. Gegeben sei eine menschliche Ge-

*) Marx, Karl. Das Kapital. Hamburg 1883. I. Bd. 2. und
3. Abschnitt.

Man fand diese Grundlagen in der Arbeits-Fähigkeit des
Individuums nnd in der Zugänglichkeit der Natur (ein-
schliesslich aller Productionsmittel) als Object und Werkzeug
für die Arbeit und erstreckte die Gleichberechtigungs-
Forderungen nun auch darauf.

Menschliche Arbeit und Natur, auf welche sie angewandt
wird, bilden die Quelle aller Bedürfniss-Befriedigung und
aller Güter. Auch in dem Fall, wo ein Mensch sich
scheinbar ohne Arbeit und Natur Befriedigung verschafft,
z. B. beim Verharren in Musse oder Schlaf, braucht er die
Güter dazu, die nöthig sind, um den körperlichen Stoff-
verbrauch während der Zeit zu decken. Die Ursachen des
Unterschieds in der Bedürfniss-Befriedigung der Menschen
können also nur darin liegen, dass die Natur, einschliesslich
aller Productionsmittel, nicht Jedem gleichmässig zugänglich
ist, oder dass die aufgewendete Arbeitskraft verschieden ist,
oder dass ein Theil der Menschen von dem anderen
nimmt, ohne etwas Gleichwerthiges zu geben.

Alle drei Ursachen bestehen in ausgedehntem Maasse
noch in der heutigen Gesellschaft. Dem Erben eines Ritter-
guts oder einer Fabrik sind die Productionsmittel zugäng-
licher wie dem Sohn eines Proletariers. Ein Schwacher,
eine Schwangere, ein Kranker können nicht die Durch-
schnitts-Arbeitskraft aufbringen. Die Aneignung der Arbeits-
resultate Anderer findet im weitesten Maasse statt als
nothwendige Folge der heutigen Wirthschaftsform, die den
Waaren-Charakter der Arbeitskraft und damit das Auftreten
des annectirbaren „Mehrwerths“ bedingt.*)

Wie ist dem zu steuern? Wie ist jedem Menschen
die gleiche Möglichkeit der Befriedigung seiner Bedürfnisse,
der Entfaltung seines Wesens zu verschaffen?

Versuchen wir einmal, im Geiste der nonselectorischen
Systeme zu deduciren. Gegeben sei eine menschliche Ge-

*) Marx, Karl. Das Kapital. Hamburg 1883. I. Bd. 2. und
3. Abschnitt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0219" n="199"/>
Man fand diese Grundlagen in der Arbeits-Fähigkeit des<lb/>
Individuums nnd in der Zugänglichkeit der Natur (ein-<lb/>
schliesslich aller Productionsmittel) als Object und Werkzeug<lb/>
für die Arbeit und erstreckte die Gleichberechtigungs-<lb/>
Forderungen nun auch darauf.</p><lb/>
          <p>Menschliche Arbeit und Natur, auf welche sie angewandt<lb/>
wird, bilden die Quelle aller Bedürfniss-Befriedigung und<lb/>
aller Güter. Auch in dem Fall, wo ein Mensch sich<lb/>
scheinbar ohne Arbeit und Natur Befriedigung verschafft,<lb/>
z. B. beim Verharren in Musse oder Schlaf, braucht er die<lb/>
Güter dazu, die nöthig sind, um den körperlichen Stoff-<lb/>
verbrauch während der Zeit zu decken. Die Ursachen des<lb/>
Unterschieds in der Bedürfniss-Befriedigung der Menschen<lb/>
können also nur darin liegen, dass die Natur, einschliesslich<lb/>
aller Productionsmittel, nicht Jedem gleichmässig zugänglich<lb/>
ist, oder dass die aufgewendete Arbeitskraft verschieden ist,<lb/>
oder dass ein Theil der Menschen von dem anderen<lb/>
nimmt, ohne etwas Gleichwerthiges zu geben.</p><lb/>
          <p>Alle drei Ursachen bestehen in ausgedehntem Maasse<lb/>
noch in der heutigen Gesellschaft. Dem Erben eines Ritter-<lb/>
guts oder einer Fabrik sind die Productionsmittel zugäng-<lb/>
licher wie dem Sohn eines Proletariers. Ein Schwacher,<lb/>
eine Schwangere, ein Kranker können nicht die Durch-<lb/>
schnitts-Arbeitskraft aufbringen. Die Aneignung der Arbeits-<lb/>
resultate Anderer findet im weitesten Maasse statt als<lb/>
nothwendige Folge der heutigen Wirthschaftsform, die den<lb/>
Waaren-Charakter der Arbeitskraft und damit das Auftreten<lb/>
des annectirbaren &#x201E;Mehrwerths&#x201C; bedingt.<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Marx</hi>, Karl. Das Kapital. Hamburg 1883. I. Bd. 2. und<lb/>
3. Abschnitt.</note></p><lb/>
          <p>Wie ist dem zu steuern? Wie ist <hi rendition="#g">jedem</hi> Menschen<lb/>
die <hi rendition="#g">gleiche</hi> Möglichkeit der Befriedigung seiner Bedürfnisse,<lb/>
der Entfaltung seines Wesens zu verschaffen?</p><lb/>
          <p>Versuchen wir einmal, im Geiste der nonselectorischen<lb/>
Systeme zu deduciren. Gegeben sei eine menschliche Ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0219] Man fand diese Grundlagen in der Arbeits-Fähigkeit des Individuums nnd in der Zugänglichkeit der Natur (ein- schliesslich aller Productionsmittel) als Object und Werkzeug für die Arbeit und erstreckte die Gleichberechtigungs- Forderungen nun auch darauf. Menschliche Arbeit und Natur, auf welche sie angewandt wird, bilden die Quelle aller Bedürfniss-Befriedigung und aller Güter. Auch in dem Fall, wo ein Mensch sich scheinbar ohne Arbeit und Natur Befriedigung verschafft, z. B. beim Verharren in Musse oder Schlaf, braucht er die Güter dazu, die nöthig sind, um den körperlichen Stoff- verbrauch während der Zeit zu decken. Die Ursachen des Unterschieds in der Bedürfniss-Befriedigung der Menschen können also nur darin liegen, dass die Natur, einschliesslich aller Productionsmittel, nicht Jedem gleichmässig zugänglich ist, oder dass die aufgewendete Arbeitskraft verschieden ist, oder dass ein Theil der Menschen von dem anderen nimmt, ohne etwas Gleichwerthiges zu geben. Alle drei Ursachen bestehen in ausgedehntem Maasse noch in der heutigen Gesellschaft. Dem Erben eines Ritter- guts oder einer Fabrik sind die Productionsmittel zugäng- licher wie dem Sohn eines Proletariers. Ein Schwacher, eine Schwangere, ein Kranker können nicht die Durch- schnitts-Arbeitskraft aufbringen. Die Aneignung der Arbeits- resultate Anderer findet im weitesten Maasse statt als nothwendige Folge der heutigen Wirthschaftsform, die den Waaren-Charakter der Arbeitskraft und damit das Auftreten des annectirbaren „Mehrwerths“ bedingt. *) Wie ist dem zu steuern? Wie ist jedem Menschen die gleiche Möglichkeit der Befriedigung seiner Bedürfnisse, der Entfaltung seines Wesens zu verschaffen? Versuchen wir einmal, im Geiste der nonselectorischen Systeme zu deduciren. Gegeben sei eine menschliche Ge- *) Marx, Karl. Das Kapital. Hamburg 1883. I. Bd. 2. und 3. Abschnitt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/219
Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/219>, abgerufen am 27.11.2024.