Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

folgenden Generation betheiligt sind. Die Reichen haben
geringe Sterblichkeit, aber auch wenig Geburten, die
Armen haben grosse Sterblichkeit, aber viel Geburten.
Erst der relative Geburten-Überschuss in beiden Classen
würde uns zeigen, welche sich stärker vermehrt. Ziffern
hierüber sind schwer erhältlich. Soviel scheint festzustehen,
dass sowohl die reichsten Geschlechter wie die ärmsten
Proletarier einer Entartung und allmählichen Ausmerzung
verfallen. Wie dagegen das Verhältniss sich stellt nicht
zwischen Reichsten und Ärmsten, sondern zwischen einer
wohlhabenderen und ärmeren Hälfte, das bleibt dahin-
gestellt, schon weil die heutige langsame Zerbröckelung des
Mittelstandes durch nonselectorische wirthschaftliche Factoren
das Erkennen der selectorischen Verschiebung verhüllt. Und
doch wäre die Entscheidung dieser Frage von so grosser
Wichtigkeit für den Fall, dass die ärmeren Classen durch-
schnittlich ein schlechteres Menschenmaterial umfassten.
Darwin und Hiram Stanley neigen, wie aus den von
mir weiter unten angeführten Citaten hervorgeht, mehr
zu der Annahme, dass durch die starke Contraselection
bei den Wohlhabenden die ärmere Hälfte es ist, die die
Continuität der Rasse hauptsächlich bewirkt. Auch ich
kann mich unter dem Eindruck vieler Thatsachen nicht
erwehren, an den generativen Ersatz unserer Cultur-Rassen
durch ihre ärmere Hälfte zu glauben.

Die grösste Rolle spielt die ökonomische Ausmerzung
jedenfalls innerhalb der verschiedenen Gesell-
schaftsclassen selbst
, hauptsächlich bedingt durch
das zähe Festhalten der Menschen an der Stufe ihrer
gewohnten Lebenshaltung, das bei wirthschaftlicher Be-
drängniss zur Vermeidung der Ehe und zu Einschränkung
der für die Gesundheit nothwendigen Ausgaben zu Gunsten
von Äusserlichkeiten tendirt.

Werfen wir nun einen Blick auf das Verhältniss der
Armuth zum Rassenprocess zurück, so erscheint als fest-

folgenden Generation betheiligt sind. Die Reichen haben
geringe Sterblichkeit, aber auch wenig Geburten, die
Armen haben grosse Sterblichkeit, aber viel Geburten.
Erst der relative Geburten-Überschuss in beiden Classen
würde uns zeigen, welche sich stärker vermehrt. Ziffern
hierüber sind schwer erhältlich. Soviel scheint festzustehen,
dass sowohl die reichsten Geschlechter wie die ärmsten
Proletarier einer Entartung und allmählichen Ausmerzung
verfallen. Wie dagegen das Verhältniss sich stellt nicht
zwischen Reichsten und Ärmsten, sondern zwischen einer
wohlhabenderen und ärmeren Hälfte, das bleibt dahin-
gestellt, schon weil die heutige langsame Zerbröckelung des
Mittelstandes durch nonselectorische wirthschaftliche Factoren
das Erkennen der selectorischen Verschiebung verhüllt. Und
doch wäre die Entscheidung dieser Frage von so grosser
Wichtigkeit für den Fall, dass die ärmeren Classen durch-
schnittlich ein schlechteres Menschenmaterial umfassten.
Darwin und Hiram Stanley neigen, wie aus den von
mir weiter unten angeführten Citaten hervorgeht, mehr
zu der Annahme, dass durch die starke Contraselection
bei den Wohlhabenden die ärmere Hälfte es ist, die die
Continuität der Rasse hauptsächlich bewirkt. Auch ich
kann mich unter dem Eindruck vieler Thatsachen nicht
erwehren, an den generativen Ersatz unserer Cultur-Rassen
durch ihre ärmere Hälfte zu glauben.

Die grösste Rolle spielt die ökonomische Ausmerzung
jedenfalls innerhalb der verschiedenen Gesell-
schaftsclassen selbst
, hauptsächlich bedingt durch
das zähe Festhalten der Menschen an der Stufe ihrer
gewohnten Lebenshaltung, das bei wirthschaftlicher Be-
drängniss zur Vermeidung der Ehe und zu Einschränkung
der für die Gesundheit nothwendigen Ausgaben zu Gunsten
von Äusserlichkeiten tendirt.

Werfen wir nun einen Blick auf das Verhältniss der
Armuth zum Rassenprocess zurück, so erscheint als fest-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0202" n="182"/>
folgenden Generation betheiligt sind. Die Reichen haben<lb/>
geringe Sterblichkeit, aber auch wenig Geburten, die<lb/>
Armen haben grosse Sterblichkeit, aber viel Geburten.<lb/>
Erst der relative Geburten-Überschuss in beiden Classen<lb/>
würde uns zeigen, welche sich stärker vermehrt. Ziffern<lb/>
hierüber sind schwer erhältlich. Soviel scheint festzustehen,<lb/>
dass sowohl die reichsten Geschlechter wie die ärmsten<lb/>
Proletarier einer Entartung und allmählichen Ausmerzung<lb/>
verfallen. Wie dagegen das Verhältniss sich stellt nicht<lb/>
zwischen Reichsten und Ärmsten, sondern zwischen einer<lb/>
wohlhabenderen und ärmeren Hälfte, das bleibt dahin-<lb/>
gestellt, schon weil die heutige langsame Zerbröckelung des<lb/>
Mittelstandes durch nonselectorische wirthschaftliche Factoren<lb/>
das Erkennen der selectorischen Verschiebung verhüllt. Und<lb/>
doch wäre die Entscheidung dieser Frage von so grosser<lb/>
Wichtigkeit für den Fall, dass die ärmeren Classen durch-<lb/>
schnittlich ein schlechteres Menschenmaterial umfassten.<lb/><hi rendition="#g">Darwin</hi> und <hi rendition="#g">Hiram Stanley</hi> neigen, wie aus den von<lb/>
mir weiter unten angeführten Citaten hervorgeht, mehr<lb/>
zu der Annahme, dass durch die starke Contraselection<lb/>
bei den Wohlhabenden die ärmere Hälfte es ist, die die<lb/>
Continuität der Rasse hauptsächlich bewirkt. Auch ich<lb/>
kann mich unter dem Eindruck vieler Thatsachen nicht<lb/>
erwehren, an den generativen Ersatz unserer Cultur-Rassen<lb/>
durch ihre ärmere Hälfte zu glauben.</p><lb/>
            <p>Die grösste Rolle spielt die ökonomische Ausmerzung<lb/>
jedenfalls <hi rendition="#g">innerhalb der verschiedenen Gesell-<lb/>
schaftsclassen selbst</hi>, hauptsächlich bedingt durch<lb/>
das zähe Festhalten der Menschen an der Stufe ihrer<lb/>
gewohnten Lebenshaltung, das bei wirthschaftlicher Be-<lb/>
drängniss zur Vermeidung der Ehe und zu Einschränkung<lb/>
der für die Gesundheit nothwendigen Ausgaben zu Gunsten<lb/>
von Äusserlichkeiten tendirt.</p><lb/>
            <p>Werfen wir nun einen Blick auf das Verhältniss der<lb/>
Armuth zum Rassenprocess zurück, so erscheint als fest-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0202] folgenden Generation betheiligt sind. Die Reichen haben geringe Sterblichkeit, aber auch wenig Geburten, die Armen haben grosse Sterblichkeit, aber viel Geburten. Erst der relative Geburten-Überschuss in beiden Classen würde uns zeigen, welche sich stärker vermehrt. Ziffern hierüber sind schwer erhältlich. Soviel scheint festzustehen, dass sowohl die reichsten Geschlechter wie die ärmsten Proletarier einer Entartung und allmählichen Ausmerzung verfallen. Wie dagegen das Verhältniss sich stellt nicht zwischen Reichsten und Ärmsten, sondern zwischen einer wohlhabenderen und ärmeren Hälfte, das bleibt dahin- gestellt, schon weil die heutige langsame Zerbröckelung des Mittelstandes durch nonselectorische wirthschaftliche Factoren das Erkennen der selectorischen Verschiebung verhüllt. Und doch wäre die Entscheidung dieser Frage von so grosser Wichtigkeit für den Fall, dass die ärmeren Classen durch- schnittlich ein schlechteres Menschenmaterial umfassten. Darwin und Hiram Stanley neigen, wie aus den von mir weiter unten angeführten Citaten hervorgeht, mehr zu der Annahme, dass durch die starke Contraselection bei den Wohlhabenden die ärmere Hälfte es ist, die die Continuität der Rasse hauptsächlich bewirkt. Auch ich kann mich unter dem Eindruck vieler Thatsachen nicht erwehren, an den generativen Ersatz unserer Cultur-Rassen durch ihre ärmere Hälfte zu glauben. Die grösste Rolle spielt die ökonomische Ausmerzung jedenfalls innerhalb der verschiedenen Gesell- schaftsclassen selbst, hauptsächlich bedingt durch das zähe Festhalten der Menschen an der Stufe ihrer gewohnten Lebenshaltung, das bei wirthschaftlicher Be- drängniss zur Vermeidung der Ehe und zu Einschränkung der für die Gesundheit nothwendigen Ausgaben zu Gunsten von Äusserlichkeiten tendirt. Werfen wir nun einen Blick auf das Verhältniss der Armuth zum Rassenprocess zurück, so erscheint als fest-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/202
Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/202>, abgerufen am 18.05.2024.