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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Anwendungen auf nichthomogene Systeme.

§ 97. Erfahrungsgemäss ruft bei sehr verdünnten Lösungen
eine weitere Verdünnung keine merkliche Wärmetönung mehr
hervor. Daher ist es zur Bezeichnung der Energie einer sehr
verdünnten Lösung häufig garnicht nöthig, die Zahl der Moleküle
des Lösungsmittels besonders anzugeben, und man schreibt kurz:
(H2SO4) + (aq) -- (H2SO4aq) = 17900 cal.,
um die Wärmetönung auszudrücken, welche bei unendlicher
Verdünnung eines Moleküls Schwefelsäurehydrat mit Wasser
auftritt. Hierbei bedeutet das Zeichen aq jede beliebige Wasser-
menge, die zur praktischen Herstellung einer unendlich ver-
dünnten Lösung genügt.

§ 98. Das calorische Aequivalent der äusseren Arbeit A
(§ 93) ist bei chemischen Prozessen, in denen nur feste und
flüssige Körper vorkommen, wegen der geringen Volumverände-
rungen gegen die Wärmetönung in der Regel zu vernachlässigen.
Dann ergiebt also die Wärmetönung allein die Energieänderung
des Systems:
U2 -- U1 = Q
und ist in Folge dessen nur vom Anfangs- und Endzustand,
nicht aber von dem sonstigen Verlauf des Prozesses abhängig.
Anders ist es im Allgemeinen, wenn gasförmige Körper an der
Reaktion betheiligt sind. Nur bei den Verbrennungsprozessen
in der "calorimetrischen Bombe", welche durch die Forschungen
besonders von Berthelot und von Stohmann weitgehende An-
wendungen erfahren hat, bleibt das Volumen constant und daher
die äussere Arbeit = 0. Auch hier entspricht also die gemessene
Wärmetönung direkt der eingetretenen Energiedifferenz. Aber
in anderen Fällen kann bei der Mitwirkung von Gasen die
äussere Arbeit A einen merklichen Betrag annehmen; derselbe
ist wesentlich auch durch den Verlauf des Prozesses bedingt.
So kann man z. B. ein Gas sich ausdehnen lassen mit einer
äusseren Arbeitsleistung, die innerhalb gewisser Grenzen jeden
beliebigen Werth, bis Null herab, haben kann. Da nun die
Energiedifferenz U2 -- U1 nur vom Anfangszustand und vom
Endzustand des Systems abhängt, so bedingt eine grössere Arbeit,
die das System bei Ueberwindung der äusseren Kräfte leistet,
immer eine geringere Wärmetönung des Prozesses und umge-
kehrt, und um letztere zu finden, muß man ausser den Energieen

Planck, Thermodynamik. 5
Anwendungen auf nichthomogene Systeme.

§ 97. Erfahrungsgemäss ruft bei sehr verdünnten Lösungen
eine weitere Verdünnung keine merkliche Wärmetönung mehr
hervor. Daher ist es zur Bezeichnung der Energie einer sehr
verdünnten Lösung häufig garnicht nöthig, die Zahl der Moleküle
des Lösungsmittels besonders anzugeben, und man schreibt kurz:
(H2SO4) + (aq) — (H2SO4aq) = 17900 cal.,
um die Wärmetönung auszudrücken, welche bei unendlicher
Verdünnung eines Moleküls Schwefelsäurehydrat mit Wasser
auftritt. Hierbei bedeutet das Zeichen aq jede beliebige Wasser-
menge, die zur praktischen Herstellung einer unendlich ver-
dünnten Lösung genügt.

§ 98. Das calorische Aequivalent der äusseren Arbeit A
(§ 93) ist bei chemischen Prozessen, in denen nur feste und
flüssige Körper vorkommen, wegen der geringen Volumverände-
rungen gegen die Wärmetönung in der Regel zu vernachlässigen.
Dann ergiebt also die Wärmetönung allein die Energieänderung
des Systems:
U2U1 = Q
und ist in Folge dessen nur vom Anfangs- und Endzustand,
nicht aber von dem sonstigen Verlauf des Prozesses abhängig.
Anders ist es im Allgemeinen, wenn gasförmige Körper an der
Reaktion betheiligt sind. Nur bei den Verbrennungsprozessen
in der „calorimetrischen Bombe“, welche durch die Forschungen
besonders von Berthelot und von Stohmann weitgehende An-
wendungen erfahren hat, bleibt das Volumen constant und daher
die äussere Arbeit = 0. Auch hier entspricht also die gemessene
Wärmetönung direkt der eingetretenen Energiedifferenz. Aber
in anderen Fällen kann bei der Mitwirkung von Gasen die
äussere Arbeit A einen merklichen Betrag annehmen; derselbe
ist wesentlich auch durch den Verlauf des Prozesses bedingt.
So kann man z. B. ein Gas sich ausdehnen lassen mit einer
äusseren Arbeitsleistung, die innerhalb gewisser Grenzen jeden
beliebigen Werth, bis Null herab, haben kann. Da nun die
Energiedifferenz U2U1 nur vom Anfangszustand und vom
Endzustand des Systems abhängt, so bedingt eine grössere Arbeit,
die das System bei Ueberwindung der äusseren Kräfte leistet,
immer eine geringere Wärmetönung des Prozesses und umge-
kehrt, und um letztere zu finden, muß man ausser den Energieen

Planck, Thermodynamik. 5
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[65/0081] Anwendungen auf nichthomogene Systeme. § 97. Erfahrungsgemäss ruft bei sehr verdünnten Lösungen eine weitere Verdünnung keine merkliche Wärmetönung mehr hervor. Daher ist es zur Bezeichnung der Energie einer sehr verdünnten Lösung häufig garnicht nöthig, die Zahl der Moleküle des Lösungsmittels besonders anzugeben, und man schreibt kurz: (H2SO4) + (aq) — (H2SO4aq) = 17900 cal., um die Wärmetönung auszudrücken, welche bei unendlicher Verdünnung eines Moleküls Schwefelsäurehydrat mit Wasser auftritt. Hierbei bedeutet das Zeichen aq jede beliebige Wasser- menge, die zur praktischen Herstellung einer unendlich ver- dünnten Lösung genügt. § 98. Das calorische Aequivalent der äusseren Arbeit A (§ 93) ist bei chemischen Prozessen, in denen nur feste und flüssige Körper vorkommen, wegen der geringen Volumverände- rungen gegen die Wärmetönung in der Regel zu vernachlässigen. Dann ergiebt also die Wärmetönung allein die Energieänderung des Systems: U2 — U1 = Q und ist in Folge dessen nur vom Anfangs- und Endzustand, nicht aber von dem sonstigen Verlauf des Prozesses abhängig. Anders ist es im Allgemeinen, wenn gasförmige Körper an der Reaktion betheiligt sind. Nur bei den Verbrennungsprozessen in der „calorimetrischen Bombe“, welche durch die Forschungen besonders von Berthelot und von Stohmann weitgehende An- wendungen erfahren hat, bleibt das Volumen constant und daher die äussere Arbeit = 0. Auch hier entspricht also die gemessene Wärmetönung direkt der eingetretenen Energiedifferenz. Aber in anderen Fällen kann bei der Mitwirkung von Gasen die äussere Arbeit A einen merklichen Betrag annehmen; derselbe ist wesentlich auch durch den Verlauf des Prozesses bedingt. So kann man z. B. ein Gas sich ausdehnen lassen mit einer äusseren Arbeitsleistung, die innerhalb gewisser Grenzen jeden beliebigen Werth, bis Null herab, haben kann. Da nun die Energiedifferenz U2 — U1 nur vom Anfangszustand und vom Endzustand des Systems abhängt, so bedingt eine grössere Arbeit, die das System bei Ueberwindung der äusseren Kräfte leistet, immer eine geringere Wärmetönung des Prozesses und umge- kehrt, und um letztere zu finden, muß man ausser den Energieen Planck, Thermodynamik. 5

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/81>, abgerufen am 25.11.2024.