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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Grundthatsachen und Definitionen.
das Gas zuerst bei 0° isotherm bis zu 10 Atmosphären com-
primiren und dann isopiestisch auf 100° erwärmen, oder man
kann endlich Compression und Erwärmung gleichzeitig in ganz
beliebig wechselndem Verhältniss vornehmen. In jedem aller
dieser unendlich vielfach verschiedenen Fälle erhält man als
Gesammtzahl der zugeführten Calorieen eine andere Grösse
(vgl. die im § 77 ausgeführte Berechnung von Q), so dass man
in diesem Sinne garnicht von einer bestimmten Wärmemenge
reden kann, die der Körper aufzunehmen hat, um aus dem alten
Zustand in den neuen zu kommen. Will man also die "ge-
sammte in einem Körper enthaltene Wärme" als eine zahlen-
mässig bestimmbare Grösse in die Betrachtung einführen (wie
das z. B. in der kinetischen Wärmetheorie geschieht, wo die
in einem Körper enthaltene Wärme als die lebendige Kraft
seiner inneren Bewegungen aufgefasst wird), so hat man dieselbe
jedenfalls anders zu definiren als durch die Summation der
dem Körper zugeführten Wärmemengen. Wir werden aber im
Folgenden dieses Begriffes garnicht bedürfen und daher auch
keine derartige Definition versuchen.

§ 52. Im Gegensatz zu der soeben geschilderten Sachlage
musste die ältere Carnot'sche Theorie der Wärme, die von der
Auffassung der Wärme als eines unzerstörbaren Stoffes ausging,
mit Nothwendigkeit zu der Folgerung kommen, dass die in
einem Körper enthaltene Wärme lediglich bedingt ist durch die
Zahl der von Aussen aufgenommenen oder nach Aussen ab-
gegebenen Calorieen. Wird daher ein Körper auf andere Weise
als durch Zuleitung von Wärme, z. B. durch Compression oder
durch Reibung, erwärmt, so blieb nach jener Theorie die im
Körper enthaltene Wärme durch einen solchen Vorgang ganz
ungeändert, und da doch thatsächlich eine höhere Temperatur
entsteht, so war nur die Annahme übrig, dass die Wärmecapacität
eines Körpers sich durch Compression oder Reibung derartig
verkleinert, dass die nämliche Wärme in ihm eine bedeutend
höhere Temperatur hervorruft, ähnlich wie ein angefeuchteter
Schwamm durch Compression noch feuchter erscheint, obwohl
die Menge der aufgesogenen Flüssigkeit dieselbe geblieben ist.
Doch schon Rumford und Davy bewiesen durch direkte Ver-
suche, dass geriebene Körper, in denen man doch durch ge-
hörigen Aufwand von Arbeit beliebig viel Wärme erzeugen kann,

Grundthatsachen und Definitionen.
das Gas zuerst bei 0° isotherm bis zu 10 Atmosphären com-
primiren und dann isopiestisch auf 100° erwärmen, oder man
kann endlich Compression und Erwärmung gleichzeitig in ganz
beliebig wechselndem Verhältniss vornehmen. In jedem aller
dieser unendlich vielfach verschiedenen Fälle erhält man als
Gesammtzahl der zugeführten Calorieen eine andere Grösse
(vgl. die im § 77 ausgeführte Berechnung von Q), so dass man
in diesem Sinne garnicht von einer bestimmten Wärmemenge
reden kann, die der Körper aufzunehmen hat, um aus dem alten
Zustand in den neuen zu kommen. Will man also die „ge-
sammte in einem Körper enthaltene Wärme“ als eine zahlen-
mässig bestimmbare Grösse in die Betrachtung einführen (wie
das z. B. in der kinetischen Wärmetheorie geschieht, wo die
in einem Körper enthaltene Wärme als die lebendige Kraft
seiner inneren Bewegungen aufgefasst wird), so hat man dieselbe
jedenfalls anders zu definiren als durch die Summation der
dem Körper zugeführten Wärmemengen. Wir werden aber im
Folgenden dieses Begriffes garnicht bedürfen und daher auch
keine derartige Definition versuchen.

§ 52. Im Gegensatz zu der soeben geschilderten Sachlage
musste die ältere Carnot’sche Theorie der Wärme, die von der
Auffassung der Wärme als eines unzerstörbaren Stoffes ausging,
mit Nothwendigkeit zu der Folgerung kommen, dass die in
einem Körper enthaltene Wärme lediglich bedingt ist durch die
Zahl der von Aussen aufgenommenen oder nach Aussen ab-
gegebenen Calorieen. Wird daher ein Körper auf andere Weise
als durch Zuleitung von Wärme, z. B. durch Compression oder
durch Reibung, erwärmt, so blieb nach jener Theorie die im
Körper enthaltene Wärme durch einen solchen Vorgang ganz
ungeändert, und da doch thatsächlich eine höhere Temperatur
entsteht, so war nur die Annahme übrig, dass die Wärmecapacität
eines Körpers sich durch Compression oder Reibung derartig
verkleinert, dass die nämliche Wärme in ihm eine bedeutend
höhere Temperatur hervorruft, ähnlich wie ein angefeuchteter
Schwamm durch Compression noch feuchter erscheint, obwohl
die Menge der aufgesogenen Flüssigkeit dieselbe geblieben ist.
Doch schon Rumford und Davy bewiesen durch direkte Ver-
suche, dass geriebene Körper, in denen man doch durch ge-
hörigen Aufwand von Arbeit beliebig viel Wärme erzeugen kann,

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[32/0048] Grundthatsachen und Definitionen. das Gas zuerst bei 0° isotherm bis zu 10 Atmosphären com- primiren und dann isopiestisch auf 100° erwärmen, oder man kann endlich Compression und Erwärmung gleichzeitig in ganz beliebig wechselndem Verhältniss vornehmen. In jedem aller dieser unendlich vielfach verschiedenen Fälle erhält man als Gesammtzahl der zugeführten Calorieen eine andere Grösse (vgl. die im § 77 ausgeführte Berechnung von Q), so dass man in diesem Sinne garnicht von einer bestimmten Wärmemenge reden kann, die der Körper aufzunehmen hat, um aus dem alten Zustand in den neuen zu kommen. Will man also die „ge- sammte in einem Körper enthaltene Wärme“ als eine zahlen- mässig bestimmbare Grösse in die Betrachtung einführen (wie das z. B. in der kinetischen Wärmetheorie geschieht, wo die in einem Körper enthaltene Wärme als die lebendige Kraft seiner inneren Bewegungen aufgefasst wird), so hat man dieselbe jedenfalls anders zu definiren als durch die Summation der dem Körper zugeführten Wärmemengen. Wir werden aber im Folgenden dieses Begriffes garnicht bedürfen und daher auch keine derartige Definition versuchen. § 52. Im Gegensatz zu der soeben geschilderten Sachlage musste die ältere Carnot’sche Theorie der Wärme, die von der Auffassung der Wärme als eines unzerstörbaren Stoffes ausging, mit Nothwendigkeit zu der Folgerung kommen, dass die in einem Körper enthaltene Wärme lediglich bedingt ist durch die Zahl der von Aussen aufgenommenen oder nach Aussen ab- gegebenen Calorieen. Wird daher ein Körper auf andere Weise als durch Zuleitung von Wärme, z. B. durch Compression oder durch Reibung, erwärmt, so blieb nach jener Theorie die im Körper enthaltene Wärme durch einen solchen Vorgang ganz ungeändert, und da doch thatsächlich eine höhere Temperatur entsteht, so war nur die Annahme übrig, dass die Wärmecapacität eines Körpers sich durch Compression oder Reibung derartig verkleinert, dass die nämliche Wärme in ihm eine bedeutend höhere Temperatur hervorruft, ähnlich wie ein angefeuchteter Schwamm durch Compression noch feuchter erscheint, obwohl die Menge der aufgesogenen Flüssigkeit dieselbe geblieben ist. Doch schon Rumford und Davy bewiesen durch direkte Ver- suche, dass geriebene Körper, in denen man doch durch ge- hörigen Aufwand von Arbeit beliebig viel Wärme erzeugen kann,

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/48>, abgerufen am 27.04.2024.