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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Wärmemenge.
des Elementes (z. B. für Kohle) und dem Aggregatzustand
(z. B. für Quecksilber), als auch von der Temperatur abhängt,
und zwar letzteres bezeichnenderweise in besonders hohem
Grade bei denjenigen Stoffen (Kohle, Bor, Silicium), welche die
grössten Abweichungen von dem Dulong-Petit'schen Gesetze
zeigen. Daraus ist zu schliessen, dass diesem Gesetz ein allge-
meines Naturgesetz zu Grunde liegt, dessen genaue Formulirung
aber bis jetzt noch nicht gelungen ist.

§ 50. Wie die Atomwärmen der Elemente, so zeigen auch
die Molekularwärmen der Verbindungen, besonders solche, die
eine ähnliche chemische Constitution aufweisen, gewisse Regel-
mässigkeiten. Nach dem Gesetz von F. Neumann, welches später
von Regnault bestätigt worden ist, haben chemisch ähnlich
zusammengesetzte Stoffe im festen Aggregatzustand gleiche
Molekularwärmen. Dieses Gesetz wurde von Joule und Woestyn
noch weiter dahin ausgedehnt, dass die Molekularwärme einfach
die Summe der Atomwärmen ist, indem jedes Element in jeder
Verbindung die ihm eigenthümliche Atomwärme behält, mag sie
nun dem Dulong-Petit'schen Gesetz entsprechend = 6,4 sein
oder nicht. Doch besitzt auch diese Beziehung nur angenäherte
Gültigkeit.

§ 51. Da alle calorimetrischen Messungen gemäss der in
§ 44 gegebenen Definition immer nur die Beträge zugeführter
oder abgeleiteter Wärmemengen ergeben, so liefern sie durchaus
keinen Aufschluss über die Frage nach der Grösse der in einem
Körper von bestimmter Temperatur im Ganzen "enthaltenen"
Wärmemenge. Es würde nämlich widersinnig sein, die in einem
Körper von gegebener Temperatur, Dichte u. s. w. enthaltene
Wärmemenge etwa gleich der Anzahl der Calorieen zu setzen,
welche dem Körper zugeführt werden müssen, um ihn in den
betrachteten Zustand zu bringen, ausgehend etwa von einem
gewissen Normalzustand. Denn die Grösse dieser Zahl würde
ganz verschieden ausfallen je nach der Art und Weise, wie der
Körper aus dem einen in den andern Zustand gebracht wird.
Um z. B. ein Gas von 0° unter Atmosphärendruck auf 100° und
10fachen Atmosphärendruck zu bringen, kann man entweder so
verfahren, dass man das Gas zuerst bei constantem Atmosphären-
druck auf 100° erwärmt und dann bei constant gehaltener Tem-
peratur bis auf den 10fachen Druck comprimirt; oder man kann

Wärmemenge.
des Elementes (z. B. für Kohle) und dem Aggregatzustand
(z. B. für Quecksilber), als auch von der Temperatur abhängt,
und zwar letzteres bezeichnenderweise in besonders hohem
Grade bei denjenigen Stoffen (Kohle, Bor, Silicium), welche die
grössten Abweichungen von dem Dulong-Petit’schen Gesetze
zeigen. Daraus ist zu schliessen, dass diesem Gesetz ein allge-
meines Naturgesetz zu Grunde liegt, dessen genaue Formulirung
aber bis jetzt noch nicht gelungen ist.

§ 50. Wie die Atomwärmen der Elemente, so zeigen auch
die Molekularwärmen der Verbindungen, besonders solche, die
eine ähnliche chemische Constitution aufweisen, gewisse Regel-
mässigkeiten. Nach dem Gesetz von F. Neumann, welches später
von Regnault bestätigt worden ist, haben chemisch ähnlich
zusammengesetzte Stoffe im festen Aggregatzustand gleiche
Molekularwärmen. Dieses Gesetz wurde von Joule und Woestyn
noch weiter dahin ausgedehnt, dass die Molekularwärme einfach
die Summe der Atomwärmen ist, indem jedes Element in jeder
Verbindung die ihm eigenthümliche Atomwärme behält, mag sie
nun dem Dulong-Petit’schen Gesetz entsprechend = 6,4 sein
oder nicht. Doch besitzt auch diese Beziehung nur angenäherte
Gültigkeit.

§ 51. Da alle calorimetrischen Messungen gemäss der in
§ 44 gegebenen Definition immer nur die Beträge zugeführter
oder abgeleiteter Wärmemengen ergeben, so liefern sie durchaus
keinen Aufschluss über die Frage nach der Grösse der in einem
Körper von bestimmter Temperatur im Ganzen „enthaltenen“
Wärmemenge. Es würde nämlich widersinnig sein, die in einem
Körper von gegebener Temperatur, Dichte u. s. w. enthaltene
Wärmemenge etwa gleich der Anzahl der Calorieen zu setzen,
welche dem Körper zugeführt werden müssen, um ihn in den
betrachteten Zustand zu bringen, ausgehend etwa von einem
gewissen Normalzustand. Denn die Grösse dieser Zahl würde
ganz verschieden ausfallen je nach der Art und Weise, wie der
Körper aus dem einen in den andern Zustand gebracht wird.
Um z. B. ein Gas von 0° unter Atmosphärendruck auf 100° und
10fachen Atmosphärendruck zu bringen, kann man entweder so
verfahren, dass man das Gas zuerst bei constantem Atmosphären-
druck auf 100° erwärmt und dann bei constant gehaltener Tem-
peratur bis auf den 10fachen Druck comprimirt; oder man kann

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[31/0047] Wärmemenge. des Elementes (z. B. für Kohle) und dem Aggregatzustand (z. B. für Quecksilber), als auch von der Temperatur abhängt, und zwar letzteres bezeichnenderweise in besonders hohem Grade bei denjenigen Stoffen (Kohle, Bor, Silicium), welche die grössten Abweichungen von dem Dulong-Petit’schen Gesetze zeigen. Daraus ist zu schliessen, dass diesem Gesetz ein allge- meines Naturgesetz zu Grunde liegt, dessen genaue Formulirung aber bis jetzt noch nicht gelungen ist. § 50. Wie die Atomwärmen der Elemente, so zeigen auch die Molekularwärmen der Verbindungen, besonders solche, die eine ähnliche chemische Constitution aufweisen, gewisse Regel- mässigkeiten. Nach dem Gesetz von F. Neumann, welches später von Regnault bestätigt worden ist, haben chemisch ähnlich zusammengesetzte Stoffe im festen Aggregatzustand gleiche Molekularwärmen. Dieses Gesetz wurde von Joule und Woestyn noch weiter dahin ausgedehnt, dass die Molekularwärme einfach die Summe der Atomwärmen ist, indem jedes Element in jeder Verbindung die ihm eigenthümliche Atomwärme behält, mag sie nun dem Dulong-Petit’schen Gesetz entsprechend = 6,4 sein oder nicht. Doch besitzt auch diese Beziehung nur angenäherte Gültigkeit. § 51. Da alle calorimetrischen Messungen gemäss der in § 44 gegebenen Definition immer nur die Beträge zugeführter oder abgeleiteter Wärmemengen ergeben, so liefern sie durchaus keinen Aufschluss über die Frage nach der Grösse der in einem Körper von bestimmter Temperatur im Ganzen „enthaltenen“ Wärmemenge. Es würde nämlich widersinnig sein, die in einem Körper von gegebener Temperatur, Dichte u. s. w. enthaltene Wärmemenge etwa gleich der Anzahl der Calorieen zu setzen, welche dem Körper zugeführt werden müssen, um ihn in den betrachteten Zustand zu bringen, ausgehend etwa von einem gewissen Normalzustand. Denn die Grösse dieser Zahl würde ganz verschieden ausfallen je nach der Art und Weise, wie der Körper aus dem einen in den andern Zustand gebracht wird. Um z. B. ein Gas von 0° unter Atmosphärendruck auf 100° und 10fachen Atmosphärendruck zu bringen, kann man entweder so verfahren, dass man das Gas zuerst bei constantem Atmosphären- druck auf 100° erwärmt und dann bei constant gehaltener Tem- peratur bis auf den 10fachen Druck comprimirt; oder man kann

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/47>, abgerufen am 27.04.2024.