Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Wärmemenge.
bei nachträglicher Untersuchung nicht die geringste Aenderung
ihrer Wärmecapacität zeigen. Auch hat zuerst Regnault durch
genaue Messungen festgestellt, dass die Wärmecapacität von
Gasen garnicht oder nur sehr wenig vom Volumen abhängt,
sich also auch durch Compression nicht so stark verkleinern
kann, wie es für die Erklärung der Compressionswärme nach
der Carnot'schen Theorie nothwendig wäre. Endlich haben
W. Thomson und Joule durch sorgfältige Versuche gezeigt,
dass ein Gas, wenn es sich ohne Ueberwindung eines äusseren
Druckes ausdehnt, keine oder nur eine sehr kleine Temperatur-
änderung erfährt (§ 70), weshalb die gewöhnlich bei der Aus-
dehnung eines Gases beobachtete Abkühlung nicht der Volumen-
vergrösserung des Gases an sich, sondern der dabei geleisteten
Arbeit zuzuschreiben ist. Jedes dieser Resultate für sich allein
genommen genügt, um den Satz von der Unzerstörbarkeit der
Wärme zu widerlegen und so die Haltlosigkeit jener älteren
Wärmetheorie darzuthun.

§ 53. Während im Allgemeinen die Wärmecapacität sich
stetig mit der Temperatur ändert, gibt es für jede Substanz bei
bestimmtem äusseren Druck gewisse singuläre Temperaturpunkte,
für welche mit anderen Eigenschaften auch die Wärmecapacität
unstetig wird. In diesen Punkten kommt eine von Aussen zu-
geführte Wärmemenge nicht mehr dem ganzen Körper zu Gute,
sondern nur einem Theil desselben, und dient ausserdem nicht zur
Erhöhung der Temperatur, sondern zur Veränderung des Aggregat-
zustandes, und zwar zum Schmelzen, Verdampfen oder Sublimiren,
je nachdem die Substanz aus dem festen in den flüssigen, oder aus
dem flüssigen in den gasförmigen, oder aus dem festen in den gas-
förmigen Zustand übergeht. Erst wenn der ganze Körper bei der
nämlichen Temperatur im neuen Aggregatzustand homogen ge-
worden ist, steigt bei weiterer Wärmezufuhr die Temperatur, und
es wird wieder eine Wärmecapacität definirbar. Die Wärmemenge,
welche nöthig ist, um 1 gr einer Substanz aus einem Aggregat-
zustand in einen andern zu bringen, heisst latente Wärme,
speziell Schmelz-, Verdampfungs- oder Sublimationswärme. Bei
der Rückkehr in den früheren Aggregatzustand wird der näm-
liche Betrag von Wärme wieder frei. Auch die latente Wärme
wird, ebenso wie die Wärmecapacität (§ 48), am zweckmässigsten
nicht auf die Masseneinheit, sondern auf das Molekulargewicht bez.

Planck, Thermodynamik. 3

Wärmemenge.
bei nachträglicher Untersuchung nicht die geringste Aenderung
ihrer Wärmecapacität zeigen. Auch hat zuerst Regnault durch
genaue Messungen festgestellt, dass die Wärmecapacität von
Gasen garnicht oder nur sehr wenig vom Volumen abhängt,
sich also auch durch Compression nicht so stark verkleinern
kann, wie es für die Erklärung der Compressionswärme nach
der Carnot’schen Theorie nothwendig wäre. Endlich haben
W. Thomson und Joule durch sorgfältige Versuche gezeigt,
dass ein Gas, wenn es sich ohne Ueberwindung eines äusseren
Druckes ausdehnt, keine oder nur eine sehr kleine Temperatur-
änderung erfährt (§ 70), weshalb die gewöhnlich bei der Aus-
dehnung eines Gases beobachtete Abkühlung nicht der Volumen-
vergrösserung des Gases an sich, sondern der dabei geleisteten
Arbeit zuzuschreiben ist. Jedes dieser Resultate für sich allein
genommen genügt, um den Satz von der Unzerstörbarkeit der
Wärme zu widerlegen und so die Haltlosigkeit jener älteren
Wärmetheorie darzuthun.

§ 53. Während im Allgemeinen die Wärmecapacität sich
stetig mit der Temperatur ändert, gibt es für jede Substanz bei
bestimmtem äusseren Druck gewisse singuläre Temperaturpunkte,
für welche mit anderen Eigenschaften auch die Wärmecapacität
unstetig wird. In diesen Punkten kommt eine von Aussen zu-
geführte Wärmemenge nicht mehr dem ganzen Körper zu Gute,
sondern nur einem Theil desselben, und dient ausserdem nicht zur
Erhöhung der Temperatur, sondern zur Veränderung des Aggregat-
zustandes, und zwar zum Schmelzen, Verdampfen oder Sublimiren,
je nachdem die Substanz aus dem festen in den flüssigen, oder aus
dem flüssigen in den gasförmigen, oder aus dem festen in den gas-
förmigen Zustand übergeht. Erst wenn der ganze Körper bei der
nämlichen Temperatur im neuen Aggregatzustand homogen ge-
worden ist, steigt bei weiterer Wärmezufuhr die Temperatur, und
es wird wieder eine Wärmecapacität definirbar. Die Wärmemenge,
welche nöthig ist, um 1 gr einer Substanz aus einem Aggregat-
zustand in einen andern zu bringen, heisst latente Wärme,
speziell Schmelz-, Verdampfungs- oder Sublimationswärme. Bei
der Rückkehr in den früheren Aggregatzustand wird der näm-
liche Betrag von Wärme wieder frei. Auch die latente Wärme
wird, ebenso wie die Wärmecapacität (§ 48), am zweckmässigsten
nicht auf die Masseneinheit, sondern auf das Molekulargewicht bez.

Planck, Thermodynamik. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0049" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Wärmemenge</hi>.</fw><lb/>
bei nachträglicher Untersuchung nicht die geringste Aenderung<lb/>
ihrer Wärmecapacität zeigen. Auch hat zuerst <hi rendition="#k">Regnault</hi> durch<lb/>
genaue Messungen festgestellt, dass die Wärmecapacität von<lb/>
Gasen garnicht oder nur sehr wenig vom Volumen abhängt,<lb/>
sich also auch durch Compression nicht so stark verkleinern<lb/>
kann, wie es für die Erklärung der Compressionswärme nach<lb/>
der <hi rendition="#k">Carnot</hi>&#x2019;schen Theorie nothwendig wäre. Endlich haben<lb/>
W. <hi rendition="#k">Thomson</hi> und <hi rendition="#k">Joule</hi> durch sorgfältige Versuche gezeigt,<lb/>
dass ein Gas, wenn es sich ohne Ueberwindung eines äusseren<lb/>
Druckes ausdehnt, keine oder nur eine sehr kleine Temperatur-<lb/>
änderung erfährt (§ 70), weshalb die gewöhnlich bei der Aus-<lb/>
dehnung eines Gases beobachtete Abkühlung nicht der Volumen-<lb/>
vergrösserung des Gases an sich, sondern der dabei geleisteten<lb/>
Arbeit zuzuschreiben ist. Jedes dieser Resultate für sich allein<lb/>
genommen genügt, um den Satz von der Unzerstörbarkeit der<lb/>
Wärme zu widerlegen und so die Haltlosigkeit jener älteren<lb/>
Wärmetheorie darzuthun.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 53.</hi> Während im Allgemeinen die Wärmecapacität sich<lb/>
stetig mit der Temperatur ändert, gibt es für jede Substanz bei<lb/>
bestimmtem äusseren Druck gewisse singuläre Temperaturpunkte,<lb/>
für welche mit anderen Eigenschaften auch die Wärmecapacität<lb/>
unstetig wird. In diesen Punkten kommt eine von Aussen zu-<lb/>
geführte Wärmemenge nicht mehr dem ganzen Körper zu Gute,<lb/>
sondern nur einem Theil desselben, und dient ausserdem nicht zur<lb/>
Erhöhung der Temperatur, sondern zur Veränderung des Aggregat-<lb/>
zustandes, und zwar zum Schmelzen, Verdampfen oder Sublimiren,<lb/>
je nachdem die Substanz aus dem festen in den flüssigen, oder aus<lb/>
dem flüssigen in den gasförmigen, oder aus dem festen in den gas-<lb/>
förmigen Zustand übergeht. Erst wenn der ganze Körper bei der<lb/>
nämlichen Temperatur im neuen Aggregatzustand homogen ge-<lb/>
worden ist, steigt bei weiterer Wärmezufuhr die Temperatur, und<lb/>
es wird wieder eine Wärmecapacität definirbar. Die Wärmemenge,<lb/>
welche nöthig ist, um 1 gr einer Substanz aus einem Aggregat-<lb/>
zustand in einen andern zu bringen, heisst latente Wärme,<lb/>
speziell Schmelz-, Verdampfungs- oder Sublimationswärme. Bei<lb/>
der Rückkehr in den früheren Aggregatzustand wird der näm-<lb/>
liche Betrag von Wärme wieder frei. Auch die latente Wärme<lb/>
wird, ebenso wie die Wärmecapacität (§ 48), am zweckmässigsten<lb/>
nicht auf die Masseneinheit, sondern auf das Molekulargewicht bez.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#k">Planck</hi>, Thermodynamik. 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0049] Wärmemenge. bei nachträglicher Untersuchung nicht die geringste Aenderung ihrer Wärmecapacität zeigen. Auch hat zuerst Regnault durch genaue Messungen festgestellt, dass die Wärmecapacität von Gasen garnicht oder nur sehr wenig vom Volumen abhängt, sich also auch durch Compression nicht so stark verkleinern kann, wie es für die Erklärung der Compressionswärme nach der Carnot’schen Theorie nothwendig wäre. Endlich haben W. Thomson und Joule durch sorgfältige Versuche gezeigt, dass ein Gas, wenn es sich ohne Ueberwindung eines äusseren Druckes ausdehnt, keine oder nur eine sehr kleine Temperatur- änderung erfährt (§ 70), weshalb die gewöhnlich bei der Aus- dehnung eines Gases beobachtete Abkühlung nicht der Volumen- vergrösserung des Gases an sich, sondern der dabei geleisteten Arbeit zuzuschreiben ist. Jedes dieser Resultate für sich allein genommen genügt, um den Satz von der Unzerstörbarkeit der Wärme zu widerlegen und so die Haltlosigkeit jener älteren Wärmetheorie darzuthun. § 53. Während im Allgemeinen die Wärmecapacität sich stetig mit der Temperatur ändert, gibt es für jede Substanz bei bestimmtem äusseren Druck gewisse singuläre Temperaturpunkte, für welche mit anderen Eigenschaften auch die Wärmecapacität unstetig wird. In diesen Punkten kommt eine von Aussen zu- geführte Wärmemenge nicht mehr dem ganzen Körper zu Gute, sondern nur einem Theil desselben, und dient ausserdem nicht zur Erhöhung der Temperatur, sondern zur Veränderung des Aggregat- zustandes, und zwar zum Schmelzen, Verdampfen oder Sublimiren, je nachdem die Substanz aus dem festen in den flüssigen, oder aus dem flüssigen in den gasförmigen, oder aus dem festen in den gas- förmigen Zustand übergeht. Erst wenn der ganze Körper bei der nämlichen Temperatur im neuen Aggregatzustand homogen ge- worden ist, steigt bei weiterer Wärmezufuhr die Temperatur, und es wird wieder eine Wärmecapacität definirbar. Die Wärmemenge, welche nöthig ist, um 1 gr einer Substanz aus einem Aggregat- zustand in einen andern zu bringen, heisst latente Wärme, speziell Schmelz-, Verdampfungs- oder Sublimationswärme. Bei der Rückkehr in den früheren Aggregatzustand wird der näm- liche Betrag von Wärme wieder frei. Auch die latente Wärme wird, ebenso wie die Wärmecapacität (§ 48), am zweckmässigsten nicht auf die Masseneinheit, sondern auf das Molekulargewicht bez. Planck, Thermodynamik. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/49
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/49>, abgerufen am 27.04.2024.